Bei der aktuellen Exklusiv-Umfrage von AUTOMOBIL PRODUKTION bei namhaften Suppliern aus dem Bereich Infotainment zeichnen sich zwei große Herausforderungen ab: Rechenpower und Komplexität. Dass die klassische Head-Unit mit dem Instrument-Cluster zusammenwächst, beobachtet Dr. Michael Seiter, Entwicklungsleiter Car Multimedia bei Bosch. „Künftig werden dadurch sehr komplexe Infotainment-Zentralrechner entstehen, die über enorme Rechenleistung und Software-Komplexität verfügen und außerdem mit der Cloud verbunden sein werden“, prognostiziert der Bosch-Mann. Für den Kunden werde dadurch ein ganzheitliches, multimodales Nutzer-Erlebnis entstehen.

Phil Eyler, Executive Vice President and President Connected Car Division bei dem Ende 2016 von Samsung für rund acht Milliarden US-Dollar aufgekauften Unternehmen Harman International Industries, sieht erhöhten Bedarf für eine End-to-End Rechenplattform, mit der sich die breite Palette an Funktionen und Features, die über das Armaturenbrett in das Auto gelangen, effizient handhaben lasse. UX/UI werde für die Differenzierung der Autohersteller dabei entscheidend sein. Darüber hinaus bestehe die Erfordernis, Software- und Sicherheits-Patches auf dem neuesten Stand zu halten – und Analysen und Value Added Services anzubieten. Eyler: „Aus diesem Grund arbeiten unsere Entwickler derzeit an der Ignite-Plattform, der ersten komplett integrierten, cloud-basierten Plattform für die Entwicklung, Verwaltung und den Betrieb von Fahrzeuganwendungen.“

Die befragten Infotainment- und Multimedia-Experten sind sich auch einig darüber, dass das Infotainment durch die Megatrends Connected Car und automatisiertes Fahren maßgeblich beeinflusst werden wird. Der Innenraum des Autos wird zu einem Raum der Produktivität und Unterhaltung, ist sich Phil Eyler sicher. Branchenbeobachter erkennen in der Kombination Samsung/Harman enormes Potenzial. Es wird erwartet, dass Samsung sehr viel Know-how aus der schnelldrehenden Konsumgüter-Industrie einbringen wird.

Dass für zunehmende Möglichkeiten neue Wege gegangen werden müssen, steht auch für Bosch Car Multimedia-Experte Seiter außer Frage: „Neben bekannten Cloud-Diensten wie dynamischen Verkehrsbotschaften oder Internet-Radio, werden zunehmend Funktionen hybridisiert werden, also Funktionsanteile in die Cloud wandern, wie zum Beispiel die Spracherkennung oder die Navigation.“ Dabei müsse die Mensch-Maschine-Schnittstelle nicht nur eine intelligente situationsabhängige Personalisierung berücksichtigen, sondern den Insassen Vertrauen in die Automatisierung vermitteln – etwa durch Head-up Displays.

8 Mrd US-Dollar investierte Samsung in den Kauf von Harman International Industries.

ES 2017 in Las Vegas thematisierten ganzheitlichen HMI-Ansatz und in diesem Zusammenhang auf das dort gezeigte haptische Display NeoSense, mit dem der Fahrer unterschiedliche Tastenstrukturen erfühlen kann und so mehr Möglichkeiten hat, den Blick nach vorne auf die Straße gerichtet zu halten.

Im Bereich der Infotainment Plattform-Software betreibt die Robert Bosch Car Multimedia seit vielen Jahren ein erfolgreiches Gemeinschaftsunternehmen (ADIT) mit Denso. Im Februar 2017 hat Bosch anlässlich einer technischen Demonstration auf der Autobahn A9 eine Kooperation mit Vodafone und Huawei zur Nutzung des künftigen, intelligenten Mobilfunks zur Vermeidung von Unfällen verkündet.

Konzeptstudie Preh multimodales Bediensystem
Konzeptstudie Preh multimodales Bediensystem: Funktionen können sowohl über das zentrale Bedienelement mit integriertem Touchpad als auch über Smartphone und Smartpad bzw. Tablet ausgewählt werden.

Johann Hiebl, Leiter des Continental Geschäftsbereichs Infotainment & Connectivity, beschreibt das Zukunftsszenario des Car-Infotainments so: „Es werden immer mehr Funktionen, die bis dato im Infotainment eingebettet waren, in die Cloud wandern und per HTML 5 ins Fahrzeug gespielt. So reduzieren wir die aufwändige Entwicklung eingebetteter Infotainmentsoftware und –funktionen.“ Diese könnten direkt in der Cloud entwickelt, gehostet und aktualisiert werden. „Durch zunehmende Systemintegration wie der Anbindung des Clusters, von Innenraumkameras oder der Fahrzeugsensorik, entwickelt sich das Infotainment mehr und mehr zum zentralen Informations-Hub,“ so Hiebl.

Die Domänen Infotainment und Instrumentierung seien im Begriff, miteinander zu verschmelzen und würden zukünftig gar von einer zentralen Hardware aus gesteuert. Conti entwickle mit der Integrated Interior Platform ganz bewusst nur noch eine gemeinsame Plattform für Infotainment und Instrumentierung. Um diese sowie auch weitere Steuergeräte im Fahrzeug auch in Zukunft up-to-date zu halten und neue Funktionen sowie System-Updates integrieren zu können, arbeiteten die Conti-Entwickler zudem an Update-Lösungen über die Luftschnittstelle. „Intuitive Bedienkonzepte, die Touch-Bildschirme, Menübuttons, Lenkrad-, Gesten- oder Sprachsteuerung integrieren, runden das Infotainment der Zukunft ab“, sagt Hiebl. Gemeinsam mit dem strategischen Partner DigiLens, einem Spezialisten für die Entwicklung von Technologien für holografische Projektionen, wolle man ultraflache Augmented Reality Head-up-Displays entwickeln.

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