IPH Hinterschnitt-Schmieden von Stahlbolzen

Zwei bewegliche Stempel im Werkzeug pressen sich horizontal in den heißen Stahl und erzeugen so die Aussparungen für die Kolbenbolzen-Bohrung. (Bild: IPH)

Technisch präzise beschrieben formt das neu entwickelte Werkzeug  während des Schmiedens sogenannte Hinterschnitte – wie eben die Kolbenbolzen-Bohrung bei Motorkolben. Das Hinterschnitt-Schmieden erleichtert die Nachbearbeitung, spart Material und senkt die Herstellungskosten. Dadurch wird die Verwendung von Kolben aus geschmiedetem Stahl wirtschaftlicher und die Kolben werden gleichzeitig belastbarer. Ein Modell des Werkzeugs zeigt das IPH vom 24. bis 28. April 2017 auf der Hannover Messe am niedersächsischen Gemeinschaftsstand in Halle 2, Stand A08.

Mit herkömmlichen Schmiedewerkzeugen ist es unmöglich Hinterschnitte zu erzeugen, weil sich die Bauteile dann nicht mehr aus dem Werkzeug entnehmen lassen. Bei Hinterschnitten handelt es sich um Aussparungen oder Vorsprünge senkrecht zur Ausformrichtung. Ein Beispiel ist die Bolzenbohrung bei Stahlkolben für Fahrzeugmotoren: Sie muss bisher nach dem Schmieden spanend hergestellt werden.

Mit dem neu entwickelten Schmiedewerkzeug des IPH lässt sich die Bohrung bereits während des Schmiedens vorformen. Das Werkzeug verfügt dazu über zwei bewegliche Stempel. Schließt sich das Gesenk, fahren die Stempel aus, pressen sich horizontal in den heißen Stahl und erzeugen so die Aussparungen für die Kolbenbolzen-Bohrung. Beim Öffnen des Gesenks fahren die Stempel wieder ein, sodass sich das Bauteil entnehmen lässt.

Das Hinterschnitt-Schmieden erleichtert die Nachbearbeitung, spart Zeit und reduziert insgesamt die Herstellungskosten. Hinzu kommt, dass durch den neuen Prozess etwa fünf Prozent weniger Material und damit weniger Energie zur Erwärmung im Umformprozess nötig sind. Die Technologie basiert auf dem sogenannten mehrdirektionalen Umformen, das das IPH seit fast zwanzig Jahren erforscht und für Kurbelwellen bereits zur Anwendungsreife gebracht hat.

Das neue, zusammen mit Industriepartnern entwickelte Schmiedeverfahren eröffnet laut IPH auch die Chance, die Bauteilqualität verbessern. Denn die spanende Bearbeitung unterbricht den Faserverlauf im Material, die Massivumformung nutzt ihn dagegen aus. Dadurch verringert sich die schädliche Kerbwirkung. Die Forscher vermuten, dass der Kolben dadurch belastbarer wird.

Im Forschungsprojekt „Hinterschnitt-Schmieden“ haben sich die Wissenschaftler zunächst auf Kolben aus hochfestem Stahl konzentriert, die in kleinen, spritsparenden Turbo-Motoren zum Einsatz kommen. Das Prinzip lässt sich dem Vernehmen nach jedoch auch auf viele weitere Bauteile übertragen.

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