Bei Renaults Sportwagenhersteller Alpine knallten vor kurzem die Champagnerkorken: "In den zwei Jahren, in denen die Merke wieder besteht, haben wir mehr Autos verkauft, als in den 15 Jahren des Vorgängers von 1962 bis 1977", jubelt man im französischen Stammwerk Dieppe. Insgesamt 7.176 Alpine A110 wurden produziert - mehr als erhofft.
Die neue Alpine hat eine einzige Modellreihe im Programm und davon - inklusive des gerade frisch vorgestellten A110S - drei Versionen, die bei einem Einstiegspreis von knapp 55.000 Euro starten. Mit unverkennbarem Zwei-Augen-Gesicht sind sie optisch an die ursprünglichen Modelle aus den 1960er Jahren angelehnt - aber das war es dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten.
Der A110S ist nicht nur ein Zweisitzer, mit dem man wie früher auf der Rennstrecke und bei Rallyes mitmischen kann - er ist auch zu einem durchaus komfortablen Alltagssportwagen geworden. Der gut verpackte Mittelmotor macht zwei Kofferräume möglich, die zusammen 196 Liter Stauraum bieten - 96 Liter vorne, 100 Liter hinten. Vorne ist Platz für eine große Kiste Bier plus einem halben Dutzend Chips-Tüten. Und auch hinten reicht es gut für leichtes Gepäck. Platzmangel herrscht in dem 4.180 mm Langen und 1.798 mm breiten Sportler ohnehin nicht. Nach oben zu ist genügend Kopffreiheit. Die Sportsitze lassen sich auch für größere Fahrer ausreichend weit nach hinten schieben. Sie bieten selbst in flott gefahrenen Kurven sehr guten Seitenhalt. Nur die Sicht nach hinten ist wegen des minimalistischen Rückfensters sehr eingeschränkt.
Sportlich, aber komfortabel
Das Cockpit wirkt hochwertig und aufgeräumt. Die Tasten sind wie in einem Militärjet als Kippschalter ausgeformt. Das digitale Kombiinstrument vor dem Fahrer wechselt nach Fahrmodus die Darstellung und zeigt die jeweils wichtigen Informationen gut lesbar an. Wenig Freude macht der zentrale Bildschirm. Er sieht zwar relativ groß aus - wenn er an ist, zeigt er allerdings nur ein relativ kleines Bild. Geradezu fummelig wird das im Nachtmodus des Navigationssystems. Die Mittelkonsole enthält außer dem Startknopf drei Schalter für den Automatik-Modus - einen Schalthebel gibt es nicht.
Das multifunktionale Sportlenkrad liegt sehr gut in der Hand. Über einen roten Knopf rechts unten lässt sich zwischen Sport- und Normalmodus wählen. Die Lenkung selbst arbeitet präzise, liefert gute Rückmeldung von der Straße und ist schön direkt. Auch um enge Kehren kommt man, ohne sich einen Knoten in die Arme zu winden. Ohnehin ist der einst so kompromisslose Knochenschüttler heute sehr zivilisiert unterwegs. Selbst auf sehr schlechten Straßen haut er nicht bretthart ins Kreuz durch, sondern bügelt vieles gekonnt weg - selbst im Sportmodus.
Fahrspaß kostet Sprit
Dennoch kann man mit dem A110S jede Menge sportlichen Fahrspaß haben. Er zirkelt nicht zuletzt dank Heckantrieb und einer nahezu perfekten Gewichtsverteilung von 44% auf der Vorder- und 56% auf der Hinterachse präzise um die Kurven, gestattet dank seiner Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 4,4 Sekunden ganz entspannte Überholvorgänge. Kein Wunder: Jedes einzelne PS des 1.114 Kilogramm leichten Aluminiumflitzers muss nur 3,8 Kilogramm bewegen. Bei Bedarf verzögern die Brembo-Bremsen den A110S ähnlich schnell, wie er beschleunigt. Über die beiden Paddel am Lenkrad lässt sich die 7-Gang-Automatik manuell ansteuern: Beim Herunterschalten brabbelt es aus dem Auspuff, beim Beschleunigen gibt's eine dezent aggressive Brüllarie - aber immer brav in dem Dezibel-Bereich, den die EU zulässt. Die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 260 km/h.
Der 1,8-Liter-Vierzylinder leistet im A110S mit 215 kW/292 PS ganze 40 PS mehr als in den beiden anderen A110. Das maximale Drehmoment von 320 Nm, das über ein breites Drehzahlband ab 2.000 U/min-1 anliegt, sorgt beim Beschleunigen zusätzlich für den nötigen Anpressdruck in die Sitze. Als offiziellen Verbrauch gibt Alpine 6,5 Liter auf 100 Kilometer an. Wer es darauf anlegt, diesen Wert zu erreichen, der sollte allerdings die Finger vom A110S lassen und sich beim VW Golf umsehen. Auf unserer kleinen Testrunde in Portugal zeigte der Bordcomputer zum Schluss einen Verbrauch von 10,1 Liter an - bei durchweg flottem, aber bravem Tempo überwiegend auf kurvigen Landstraßen und Autobahn.
Wenn der A110S ab Ende des Jahres an die Kunden ausgeliefert wird, dann haben sie dafür mindestens 66.500 Euro hingeblättert. Das ist im Vergleich zu den Mittbewerbern nicht gerade wenig: Selbst ein 340 PS starker BMW Z4 M40i ist bereits ab 61.000 Euro zu haben und ein Porsche Cayman ist ab knapp 56.000 Euro zu haben. Aber die haben auch nicht Alpines Rennautos-Gene.