Das Urteil über einen New Beetle fällt vernichtend aus. "Die Stoßstange beim Neueren sieht aus wie beim Golf. Das ist alles eine Suppe", knurrt der Schlacks, der die Base-Cap verkehrt herum und die Hose in den Kniekehlen trägt. Doch ein paar Autos weiter hellt sich die Miene des jungen Mannes wieder auf und seine herunterhängenden Mundwinkel verwandeln sich in ein breites Grinsen. Der Grund: ein Beetle, dessen rundliche Formen in den Farben der Manner-Waffeln foliert sind. Als es dann noch eine Kostprobe der österreichischen Süßigkeit gibt, ist der Stimmungswechsel des mürrischen Kritikers perfekt.

"Meine Frau Dani wollte unbedingt den Beetle in diesen Farben haben", erzählt Enrico Kuznik. "Ich habe einen an der Waffel und will kein anderes Auto", zwinkert die Fahrerin und streicht fast zärtlich über den geschwungenen Kotflügel. "Als ich das erste Mal auf den Pinsel gestiegen bin, dachte ich mir 'Boah Fine geht ab'", sagt die Dame des Hauses und erklärt so den Spitznamen des Käfers. Dass "Fine" einen 170-PS-V5-Motor hat, macht die rosa Kugel nur noch interessanter. Die Beetle V5 sind die heimlichen Stars des Stelldicheins an der Ostsee. Loren und Marc aus dem Vereinigten Königreich, die noch vor dem Brexit die Reise zum Treffen antreten wollten, nennen einen 2003er V5 mit heißer röchelnden Sound und zwei brachialen Heck-Spoilern ihr Eigen. Dass eine Sportauspuff-Anlage die Frequenzen aufpeppt, ist Teil des Schaut-her-wie-toll-mein-Beetle-ist-Spiels.

Den Power-Vogel schießt Martin Vettermann ab. Der Schiffsbau-Konstrukteur hat in seinen Beetle kurzerhand einen Motor aus dem Passat R36 implantiert. Bis das V6-Triebwerk in den engen Motorraum des kleineren VWs passte, waren 100 Stunden Vorbereitung nötig. Die meisten Teile fand der 60jährige gebraucht bei Ebay und passte sie auf den Beetle an, zum Beispiel musste der Kabelbaum neu gelötet werden. "Mechanisch gesehen war der Umbau dann aufgrund des VW-Baukasten-Systems einfach", erklärt Vettermann. Er besteht darauf, dass das 300-PS-Monster auch bei Nässe recht einfach zu fahren sei. Damit die 265er Hinterreifen nicht den Kontakt verlieren, helfen die gleichmäßige Kraftentwicklung des Saugers, ein KW-Clubsport-Gewinde-Fahrwerk und die Bremsanlage aus dem Audi RS Q3. Kaufanfragen lehnt der freundliche Norddeutsche ab. Sein Beetle ist ein laufendes Projekt. Als nächstes kommt der Innenraum dran.

Tolerante Atmosphäre

Bei allem Spektakel, das aus den Verbrennungsmaschinen für Krawall sorgt, ist die Beetle-Gemeinde eher gesetzt und entspannt unterwegs. Während beim GTI-Treffen am Wörthersee solange Donuts gedreht werden, bis dicke weiße Rauchschwaden, die nach verbrannten Gummi riechen, das knallende Ende der Pneus ankündigen und Bierdosen-Burgen sich neben dem Spannferkel-Grill türmen, gibt es in Travemünde einen Stand mit veganem Essen. "Ich bin noch immer Lactose-intolerant", sagt eine junge Frau. Bei den Beetlianern geht es entspannt und tolerant zu. Als eine 17jährige, die von ihrem Vater für das betreute Fahren ein Beetle-Cabrio bekommen hat, freimütig zugibt, dass sie sich einen Mini Cooper gewünscht hatte, ist nur leichtes Murren zu vernehmen. Man stelle sich eine solche Aussage beim Opel-Treffen in Oschersleben vor, da hätte das Pfeifkonzert bei jedem Anwesenden zu einem Tinnitus geführt. Die junge Frau ist mittlerweile bekehrt, denn sie will ihren Beetle so lange fahren, bis der ein H-Kennzeichen bekommt. Das sind noch 18 Jahre. Da brandet dann doch begeisterter Applaus auf.

Die New Beetle Gemeinde, die sich jedes Jahr auf der Festwiese Brügmanngarten trifft, wächst jedes Jahr. Was 2004 als eine Ausfahrt einer kleinen Gruppe von Beetle-Begeisterten begann, ist mittlerweile eine Veranstaltung, die den Rahmen an der Ostsee zu sprengen droht: Über 600 Autos und mehr als 4.000 Teilnehmer bevölkern das beschauliche Travemünde. Manche haben keine Mühen gescheut und sind mit ihren fahrbaren Untersätzen aus der Ukraine und Spanien angereist. Langweilig wird es nie, schließlich gibt es ja genug Autos zu bestaunen, die fein säuberlich nebeneinander aufgereiht auf dem Rasen stehen. Ein bisschen GTI-Treffen-Rock-n-Roll steckt aber auch in den Beetle-Fans. Abends beschallt eine Live-Band die Gegend dermaßen, dass ältere Urlaubsgäste, die auf der Strand-Promenade flanieren, überrascht die Hälse recken. Den ganzen Tag über werden die schönsten Autos prämiert. Das Motto des diesjährigen Treffens lautet dieses Jahr "Crazy, nichts für Spießer!" Neben einigen tiefergelegten Boliden, bei denen die Reifen in den Radläufen verschwinden, ist der silbern schimmernde Beetle RSi ein Blickfang. Nicht wegen seiner extravaganten Optik, sondern der Tatsache, dass das Auto die Zulassungsnummer 001 hat.

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