Rings um München ist man schicke neue Autos gewöhnt. In Starnberg fahren Ferraris und Cayenne und auf Münchens Prachtboulevard, der Maximilianstraße parken die Bentleys, Ferraris und Rolls-Royce vor den Edelboutiquen. Nur wenige Autos können die Bewohner der bayerischen Metropole aus der Reserve locken, aber so ein Vehikel wie dieses Fahrzeug mit russischem Nummernschild sorgt auch links und rechts der Isar für Aufsehen. Handys werden gezückt, Videos gedreht und immer die gleiche Frage gestellt: "Was ist denn das für einer?" Tja, darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Eigentlich ein BMW 3er Coupé, aber dann doch wieder nicht.
Die Karosserie des Gefährts ist das Ergebnis einer Zeitreise durch die Automobil-Historie: Ein bisschen Aston Martin hier, dazu etwas Volvo P1800 garniert mit einem Schuss VW 1600. Niemand würde es wundern, wenn Mr. Bond Sean Connery aus dem Fahrzeug klettern würde, um dem Schurken den Garaus zu machen und nebenbei noch ein paar Damen vernascht. Wer genau hinschaut, entdeckt auch allerlei Zeitgenössisches: Die Scheinwerfer stammen von Land Rover, die Nebelschlussleuchte von Mini, die Seitenspiegel von Jaguar und die Blinker von Porsche.
Der kreative Kopf hinter diesem automobilen Konglomerat ist Kiril Bilenkin, ein Spezialist aus Moskau, der seit vielen Jahren Oldtimer nach den Wünschen der Oligarchen restauriert oder zu individuellen Einzelstücken verwandelt. Diese Expertise will der versierte Metallbauer nun einsetzen, um sich einen eigenen Traum zu verwirklichen. Ein Auto mit optischen Retro-Charme und moderner Technik. Die stammt von BMW: möglich ist alles, entweder ein Sechszylinder-Diesel oder Benziner. Das Chassis rühren die Moskowiter ebenfalls nicht an, so bleibt das Auto, ungeachtet der Silhouette im Fahrzeugschein ein BMW, das erleichtert den Export und die Reparatur. Im Innern erinnern die bernsteinfarbenen Dioden in den Instrumenten an die weißblaue Technik. Damit die Proportionen passen, ist das Auto rund 20 Zentimeter länger als der Technikspender BMW 3er der letzten Generation.
Aufwendige Handarbeit
Sonst sind den Wünschen der zahlungskräftigen Kunden keine Grenzen gesetzt. Diamanten im Tacho und Drehzahlmesser, bei dem Rubine den roten Bereich markieren? Kein Problem. Goldfäden in den Stoffbezügen und mit Edelmetall überzogene Elemente? Machen wir. Perlmutt in den Türablagen? Sowieso. Wer statt Leder Seide in den Sitzen will, bekommt es. Edle Stoffe italienischer Designer für den Dachhimmel gehören zu den leichtesten Übungen. Selbst bei den Fußräumen ist beinahe alles möglich: Wer weißen Pelz will, bekommt ihn. Das Retro-Konzept wird konsequent umgesetzt: Das Infotainment kommt von Marantz und hat die Optik der 1960er. Ganz ohne Patriotismus geht es dann doch nicht: Im Lenkrad und auf dem Wählhebel der Automatik, der ausschaut wie der Gangknüppel einer manuellen Schaltung, prangt der russische Doppeladler. Vergoldet, versteht sich! Geht nicht, gibt es nicht, lautet die Maxime.
Damit dies alles in akribischer Handarbeit fachgerecht umgesetzt wird, hat Kiril Bilenkin Spezialisten engagiert: Geigenbauer kümmern sich um Holz, Goldschmiede um die Edelmetalle sowie -Steine und Schneider um die Stoffe. So viel Luxus und Exklusivität haben natürlich auch ihren Preis: Unter 150.000 Euro geht gar nichts. Das teuerste Exemplar kostete mehr als 800.000 Euro. Bei der Sicherheit hört aber Rückwärtsgewandtheit auf: ein Head-Up-Display, sechs Airbags und natürlich ESP sind immer dabei und schützen die kostbare Haut der Insassen.
Bei so viel Detailliebe ist klar, dass die rund 30 Mitarbeiter knapp drei Monate brauchen, um ein Auto herzustellen. Die Kleinserien-Produktion läuft: 18 Autos sind schon gebaut, mehr sollen folgen: Momentan haben die russischen Auto-Visionäre, neben dem Heimatland, Europa und China im Visier. Die USA sollen nächstes Jahr folgen. Dann gibt es auch ein Technik-Upgrade auf den aktuellen 4er BMW und in ein paar Jahren soll der 7er standesgemäß unter dem Blechkleid stecken.