In der Automobilindustrie liegt die Messlatte für einen schnellen und wirtschaftlichen 3D-Druckprozess besonders hoch. Zwar lassen sich durch additive Fertigung Bauteile nahezu grenzenlos individualisieren und verschiedene Funktionen in einem einzigen Druckprozess integrieren. Entscheidend ist aber, dass das Ergebnis den industriellen Anforderungen entspricht. „Die Multimaterial-Fertigung durch 3D-Druck steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. Die fehlenden Materialkombinationen sind die größte Herausforderung, die den Durchbruch dieser Technologie behindern“, betont etwa Professor Dr. Thomas Tröster, Leiter der Fachgruppe Leichtbau im Automobil (LiA) sowie Vorsitzender des Instituts für Leichtbau mit Hybridsystemen (ILH) und des Instituts für Additive Fertigung (PIAF) der Universität Paderborn.
Der Hintergrund: Je nach Materialdesign entstehen beim 3D-Printing Fahrzeugbauteile oder Werkzeugkomponenten mit unterschiedlichen Eigenschaften. Zeitaufwändig ist bislang das Auffinden der richtigen Materialkombination für das zu fertigende Bauteil. Das soll sich ändern. Im Forschungsprojekt Made-3D ("Multi-Material Design using 3D Printing") will ein internationales Team der Uni Paderborn mit Hilfe von maschinellem Lernen die Suche nach passenden Pulverlegierungen für die verschiedenen Verfahren im metallischen 3D-Druck vereinfachen und beschleunigen. Projektziel ist die KI-gestützte Vorhersage der notwendigen Materialeigenschaften, um etwa maßgeschneiderte Leichtbauteile im industriellen Serieneinsatz additiv zu fertigen.
Die 3D-Drucktechnik entwickelt sich stetig weiter
Die Aussicht auf einen industriell nutzbaren Multimaterialdruck befeuert derzeit die Produktionsplaner in den Additive Competence Centern – ein Gesichtspunkt der auch bei der Übernahme des belgischen 3D-Druckspezialisten Aerosint durch Tier-1-Zulieferer Schaeffler zum Tragen kam. Mit Hilfe der von Aerosint entwickelten Selective Powder Deposition-Technologie lässt sich ganz gezielt die Materialverteilung sowie die Verarbeitung unterschiedlicher Pulverlegierungen und Zusatzstoffe während des Druckprozesses beeinflussen. So entstehen beispielsweise innerhalb eines dreidimensionalen Bauteils unterschiedlich gehärtete Bereiche, die an bestimmten Stellen weniger rissanfällig sind. In Herzogenaurach verspricht man sich davon einen Innovationssprung bei metallbasierten Druckverfahren.
Der deutsch-französische Software-Hersteller CoreTechnologie schlägt in dieselbe Kerbe. Während es beim Materialdesign um die richtige Pulverauswahl geht, kümmert sich die 3D-Druck-Software um die genauen Spezifikationen der zu druckenden Bauteilgeometrie mit Blick auf Produktgüte, Prozessgeschwindigkeit und Abfallreduktion. Die Programmentwickler haben es auf die Geometrie-Optimierung der Teilemodelle abgesehen. Deshalb erweitert der Hersteller jetzt seine Konstruktionssoftware mit einem neuen Gitterstrukturen-Modul. Dabei geht es um das schnelle und einfache Anpassen von CAD-Daten an die Erfordernisse von 3D-Druckanlagen. Laut Hersteller unterzieht die Software das Bauteildesign einer weitgehend automatisierten Analyse und erzeugt daraus die Regieanweisung für den anschließenden Druckprozess. Eigenen Angaben zufolge berücksichtigen die Gitterstruktur-Funktionen der Software jetzt auch Bauteileigenschaften wie progressive Dämpfung, effizienten Wärmetausch, Leichtbauanforderungen oder die Integration weiterer Funktionen einer Baugruppe. Dieses so genannte Customizing der Bauteilmodelle, so heißt es, steigere sowohl die Leistungsfähigkeit der additiv gefertigten Bauteile als auch die Produktivität der angeschlossenen Printer. Das bedeute ein Zugewinn an Kosteneffizienz und Prozesssicherheit.
Um für Metall-3D-Drucker einen Platz in der Serienproduktion zu sichern, rückt neben der Materialauswahl und der Geometrie-Optimierung die automatisierte Pulverhandhabung in den Fokus. Der 3D-Drucker-Pionier EOS holte sich gerade den Handlingspezialisten Volkmann mit ins Boot. Die Partner konzipierten einen modular aufgebauten Materialkreislauf, der bis zu sechs EOS-Printer im Fertigungsverbund mit Metallpulver automatisch versorgt. Die Volkmann-Geräte sind über Rohr- und Schlauchleitungen mit den Druckern verbunden und befüllen über eine Vakuumförderung die Druckmaschinen. Ein geschlossener und automatisierter Pulverkreislauf, der auch das so genannte Pre- und Post-Processing einschließt, spart Manpower und sorgt für schnell getaktete Abläufe in den Fertigungszellen des Additiv Manufacturing (AM).
Auch die Autohersteller nutzen 3D-Druck
Ein Beispiel ist das vollautomatische Entpulvern (Post-Processing) der Baukammern am Ende des Fertigungsvorgangs. Die BMW Group, die im Additiv Manufacturing Center in München ihre Entwicklungsaktivitäten in Sachen 3D-Druck bündelt, hat so eine Reinigungsstation auf dem Prüfstand. Der überwiegende Anteil des Metallpulvers gelangt durch Schwenken des Bauraumes in einen Sammelbehälter. Das in den Spalten, Hinterschneidungen und Hohlräumen des Baujobs verbliebene Pulver saugen rotierende Druckluftdüsen in Verbindung mit der Saugluftströmung des integrierten Vakuumförderers ab. Zusätzlich schüttelt ein Vibrator die Bauplatte und damit auch die 3D-Druckteile. Die eingesammelten Metallpulver und Metallstäube gelangen anschließend durch eine Rohrleitung zur Aufbereitung zurück zur Pulverhandlingstation. Der Vorteil der Kreislaufführung: der manuelle Anteil der Tätigkeiten entlang der Prozesskette sinkt auf weniger als fünf Prozent, die Stückkosten der 3D-gedruckten Metallbauteile halbieren sich.
Marktbeobachter wie Additive Manufacturing Research gehen davon aus, dass die Produktionsvolumina von additiv gefertigten Metall- und Polymerkomponenten im industriellen Umfeld in den nächsten Jahren weiter zunehmen werden. Die aktuelle Studie AM Parts Produced 2023 zeigt zwar leichte Rückgänge im globalen Gesamtwachstum produzierter AM-Teile, prognostiziert aber für die kommenden Jahre Zunahmen im metallbasierten 3D-Drucken von einbaufähigen Serienkomponenten und im Werkzeugbereich. Der Bericht geht von Wertsteigerungen gedruckter Bauteile im Umfang von jährlich 100 Milliarden US-Dollar aus. Im Automobilsektor ist es Expertenaussagen zufolge vor allem der 3D-Druck von Metallbauteilen, der in Verbindung mit weiter verbesserten Materialien und Verfahren an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber herkömmlicher Fertigungstechnik gewinnt.