Mit einem Erdgasantrieb halbieren Autofahrer ihre Spritkosten und senken den CO2-Ausstoß kräftig. Trotzdem ist die Technologie nie wirklich angekommen. Vielleicht, weil Erdgas nach Kilo, Benzin und Diesel nach Liter bepreist werden? Auf den gut 50 Prozent höheren Energiegehalt wird an der Zapfsäule jedenfalls nicht hingewiesen. Außerdem unterscheiden sich die Gaspreise je nach Region enorm. Kurzum: Der Vorteil von Erdgas ist für den Verbraucher nicht ersichtlich.
Dabei es einfach nachzurechnen: Ein 130 PS starker VW Golf 1.5 TSI verbraucht im Schnitt 7,5 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Macht bei einem Literpreis von 1,75 Euro rund 13 Euro an Spritkosten. Der gleich starke VW Golf 1.5 TGI mit Gasantrieb kommt mit rund 5,0 Kilo CNG aus. Kraftstoffkosten bei einem Durchschnittspreis von 1,20 Euro pro Kilo: unter 6 Euro.
Volkswagen beendet CNG-Offensive
Eigentlich sah alles gut aus für die Gasbranche: Noch 2018 startete der VW-Konzern sogar eine große CNG-Offensive. „Erdgas hat im Automobilbereich eine langfristige Perspektive und darf nicht als Zwischenlösung gesehen werden“, sagte Stephen Neumann, der damalige Konzernbeauftragte für CNG-Technologie im Interview mit dem Fachmagazin Firmenauto. „Wir müssen die CO2-Emissionen in den Städten senken. Alleine mit E-Autos geht das nicht.“ Gasautos wurden als probate Mittel gesehen, da sie gut ein Drittel weniger CO2 ausstoßen als Benziner. Feinstaub fällt gar nicht an.
Diese Erkenntnis hatte im VW-Konzern eine regelrechte Modellschwemme zur Folge. 18 Modelle boten die Konzernmarken noch vor Kurzem an, vom kleinen VW Up bis zum Audi A5. Geplant war sogar, eigene CNG-Zapfanlage aufzubauen und das Tankstellennetz bis 2026 bundesweit auf 2.000 Stationen zu verdoppeln.
Die Initiative fruchtete: 2018 wurden in Deutschland 10.800 Erdgas-Pkw verkauft, dreimal so viele wie im Vorjahr. Und heute? Null. Still und heimlich strichen alle Hersteller den Gasantrieb aus ihren Programmen. Nicht nur VW. Fiat hatte noch vor einigen Jahren acht CNG-Modelle im Portfolio, Opel drei. Auch BMW, Mercedes oder Ford und andere boten immer wieder das eine oder andere Erdgasauto an.
Bei Volkswagen sind die Gründe klar. 2018 besiegelt Konzernchef Herbert Diess mit seinem Elektro-only das Sterben auf Raten der sauberen Gasmodelle. Aber auch die großzügige Förderung von E-Autos war nicht eben hilfreich. Denn wer sich für die Gastechnologie entschied, ging leer aus. „Anstatt sie zu fördern, gab die Politik einer nachhaltigen und wirtschaftlich einsetzbaren Technik den Todesstoß“, kritisiert Marc-Oliver Prinzing. Als Vorstand des Bundesverband Betriebliche Mobilität vertritt er die Interessen hunderter Unternehmen mit einem Vielfachen an Firmenwagen.
Ähnlich sieht das Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbands Zukunft Gas. „In der Politik ist im Verkehrssektor eine klare Bevorzugung von Elektro- und Hybridantrieben zu erkennen, weshalb auch die Industrie vorrangig auf diese Technologien setzt.“ Nachvollziehen kann Kehler das nicht. Gasfahrzeuge und -technik seien verfügbar. „Und wer Bio-CNG tankt, ist nahezu klimaneutral unterwegs.“
Hat die Politik das Erdgasauto beerdigt?
Verbandschef Prinzing gibt der Politik die Schuld am Tod der CNG-Fahrzeuge. „Das ist ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn Politik nicht Ziele, sondern Techniken vorgibt“, sagt Prinzing. „Die Hersteller können CO2-Emissionen von Erdgasfahrzeugen nicht auf den Flottengrenzwert anrechnen. Auf der anderen Seite schönen sie ihre Bilanz sogar mit Plug-in-Hybriden, einem aus Umweltgesichtspunkten mehr als fragwürdiges technisches Konzept.“ Warum also sollten die Autoindustrie das Thema CNG weiterverfolgen?
Weniger Neuwagen, weniger Bestand. Nur rund 80.000 CNG-Fahrzeuge sind in Deutschland unterwegs. In besten Zeiten waren es über 100.000. Und von ehemals über 1.000 Tankstellen sind noch knapp 800 übrig, Tendenz fallend. Neue Stationen wird es kaum geben. Die Investitionen in die teuren Hochdruckspeicher rechnen sich nicht mehr. Trotzdem sind für Autofahrer auch weite Strecken kein Problem. Apps wie Gibgas helfen, CNG-Stationen zu finden und Routen zu planen. Selbst ins Ausland. Nach Italien etwa, wo über 1.500 Zapfanlagen knapp unter einer Million Gasautos mit Metano oder Gas Naturale bedienen.
Wer jetzt noch ein neues Erdgasauto kaufen will, muss sich aber sputen. Noch sind in den Gebrauchtwagenportalen eine Handvoll Modelle zu finden. Darunter Schnäppchen wie ein neuer Seat Leon Sportstourer 1.5 TGI Style für 29.580 Euro, gut zehn Prozent unter dem 2022er-Preis. Die Auswahl an Tageszulassungen und Vorführfahrzeugen ist etwas größer. Allerdings ist Vorsicht geboten ist: Etliche haben über 20.000 Kilometer auf dem Tacho und stammen aus dem Modelljahr 2021. Und viele Fahrzeuge werden als Erdgasautos ausgezeichnet, haben aber in Wirklichkeit einen LPG- beziehungsweise Autogasantrieb. Die Preise für Gebrauchtwagen dürften stabil bleiben. Denn billiger als mit Erdgas kann man auch in Zeiten des Elektro-Booms nicht fahren.