Oliver Blume steht vor dem E-Macan.

Bei PR-Auftritten von Porsche hat CEO Oliver Blume leichtes Spiel. Sorgen machen eher andere Marken im VW-Konzern. (Bild: Porsche)

Beim Arzt oder Psychologen wird eingangs stets gefragt: Was führt Sie zu mir? Im Falle der Volkswagen-Familie könnte man mit Fug und Recht von bedenklichen Anzeichen einer Schizophrenie antworten. Einerseits hagelt es immer wieder Kritik wegen der angeblich fehlenden Gesamtstrategie, mangelndem Knowhow in Sachen Software oder stillstehender Werke in Zwickau oder Emden wegen viel zu schwacher Nachfrage nach Elektroautos. Und dann gibt es da noch dieses ständige Schreckgespenst namens China. Andererseits stehen da auf dem Papier 22,5 Milliarden Euro operativer Gewinn im Geschäftsjahr 2023. Alle Familienmitglieder haben sich positiv entwickelt und protzen teilweise mit Wachstumsraten von mehr als 30 oder gar 50 Prozent. Das Ergebnis nach Steuern zog von 15,8 Milliarden Euro im Vorjahr auf 17,9 Milliarden Euro an. Doch der Familienname bleibt der Familienname und so assoziiert die Öffentlichkeit Volkswagen immer noch zuerst mit der gleichnamigen Marke.

Kommt der "Volksstromer" von VW zu spät?

Doch auch diese hat 2023 ihr Ergebnis um fast 34 Prozent gesteigert und so mehr als 3,5 Milliarden Euro operativen Gewinn erzielt. Objektiv und zahlentechnisch läuft es also wie das sprichwörtliche Länderspiel, wobei dieser Vergleich angesichts der unsicheren Zukunft der Partnerschaft zwischen VW und DFB zugegebenermaßen nicht ganz passend ist. Trotzdem steht gerade die Marke VW immer wieder in der Kritik. Ein Grund ist das bereits erwähnte Schreckgespenst China – und zwar in mehrfacher Hinsicht. Einerseits ist das asiatische Land nach wie vor der wichtigste Absatzmarkt für VW, andererseits, so die Befürchtungen, dürften verschiedene chinesische Autobauer perspektivisch eher dem Anspruch gleichkommen, Fahrzeuge für das gesamte Volk zu bauen und nicht nur für einkommensstärkere Bevölkerungsgruppen. In China selbst hat VW darauf bereits reagiert – beim ID.3 sorgten Preissenkungen und Sondereditionen für eine Steigerung der Verkaufszahlen. Hierzulande wird zwar bereits vom „Volksstromer“ gesprochen, doch auch 2024 wird es ihn – zumindest von VW – noch nicht geben. Selbst der ID.2, der für 2025 geplant ist, soll ab 25.000 Euro starten. Erst ein ID.1, so er denn überhaupt kommen wird, könnte den Wolfsburgern wieder dazu verhelfen, ihrem Namen alle Ehre zu machen. Bis Jahresende wolle man über das Projekt entscheiden, erklärt Oliver Blume. Eine Kooperation mit einem anderen Autobauer sei dabei nicht ausgeschlossen. Fernab solcher Diskussionen sank das anteilige operative Ergebnis der chinesischen Joint Ventures 2023 bereits um rund ein Fünftel auf 2,62 Milliarden Euro. Dieses Jahr steht mit der neuen Prognose ein weiterer Rückgang um bis zu gut 40 Prozent zu befürchten.

Es ist also eher der bange Blick in die Zukunft, der die schizophrenen Anzeichen beim Patienten Volkswagen erklärt. Denn die überaus positiven Zahlen sind vor allem dem Auftragsstau, mit dem VW in das Jahr gestartet war, zu verdanken. Wegen fehlender Teile wie Chips konnte der OEM lange nicht so viele Autos bauen, wie bestellt wurden, es kam zu langen Lieferzeiten. Diesen Auftragsbestand habe man nun weitgehend abgearbeitet, so Finanzvorstand Arno Antlitz. Den Rückenwind aus 2023 werde man 2024 nicht erneut haben. Laut Ausblick im Geschäftsbericht soll der Absatz gegenüber 2023 um drei Prozent steigen.

Porsche ist das Lieblingskind der VW-Familie

Blickt man auf die einzelnen Kinder der VW-Familie so sticht seit Jahren das Vorzeigekind namens Porsche heraus. Auch 2023 erzielten die Stuttgarter eine operative Umsatzrendite von gleichbleibenden 18,6 Prozent. Die Umsatzerlöse konnten um rund acht Prozent auf 37,3 Milliarden Euro gesteigert werden, was einen operativen Gewinn von 6,9 Milliarden Euro bedeutet – das sind mehr als 30 Prozent des Gesamtgewinns der gesamten Gruppe. Dabei bauten die Stuttgarter 2023 sogar etwas weniger Autos als im Jahr davor. Die Art und Weise, wie diese jedoch produziert werden, ist preisgekrönt. So sicherte sich das Leipziger Werk die Auszeichnung Fabrik des Jahres. 2023 ergänzte Porsche die Baureihe 911 um die neuen Modelle Carrera T und Dakar und der Cayenne erfuhr mit seiner dritten Generation ein Facelift. Ab 2024 läuft mit dem elektrischen Macan das erste Modell, was auf der PPE-Plattform basiert, in Sachsen vom Band.

PPE-Premiere sorgt bei Audi für Erleichterung

Eben jene PPE-Plattform ließ lange auf sich warten und sorgte damit insbesondere in Ingolstadt für schlaflose Nächte. Nicht zuletzt deshalb rollten Köpfe, und zwar der des Hauptverantwortlichen bei Audi. Auf Markus Duesmann folgte im Herbst 2023 Gernot Döllner, der erleichtert sein dürfte, dass Audis Pendant zum E-Macan, der Q6 e-tron mittlerweile vorgestellt wurde, womit zumindest diese Leidenszeit ein Ende hat. Zahlentechnisch lieferten die vier Ringe 2023 fast 1,9 Millionen Autos aus, was einen Anstieg von rund 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutete. Gemeinsam mit Bentley und Lamborghini, die im VW-Konzern ebenfalls zur Markengruppe Progressive zählen, erzielte man zwar einen Umsatz von 69,9 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis verschlechterte sich im Vergleich zum Vorjahr jedoch um fast 18 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro. Dies sei überwiegend auf höhere Materialkosten und negative Effekte aus Rohstoffsicherungen außerhalb des Hedge Accounting zurückzuführen, so der Konzern. 2023 brachte Audi den Q8 e-tron als Nachfolger des Audi e-tron auf den Markt. Die A6- und A7-Familie, inklusive der RS-Derivate, sowie der Q8 mit Verbrennungsmotor erhielten darüber hinaus Facelifts.

Die Ingolstädter stemmen eigenem Bekunden nach derzeit die größte Modelloffensive in der Historie und man treibe die grundlegende Transformation des Unternehmens voran, hört man von den Vorständen. Neben den Produkten zähle dazu auch eine Straffung der Prozesse. Für diesen Paradigmenwechsel rücke bei neuen Entwicklungen Software in den Mittelpunkt und man achte – sicherlich nicht zuletzt aufgrund der Verluste beim operativen Ergebnis – auf Prozessseite verstärkt auf die Themen Material- und Fixkosten. Eine Art Langer-Atem-Strategie dafür soll das sogenannte Performance Program 14 sein, quasi ein finanzielles Fundament innerhalb der Audi-Agenda. Laut CFO Jürgen Rittersberger schaffen solide Finanzen „den Rahmen für die kommenden Jahre, in denen wir unsere Transformation vorantreiben.“ Deshalb habe man das Programm ins Leben gerufen. „Es ist ein wirksames Programm zur Absicherung unserer Rentabilität. Langfristig wollen wir mit der Markengruppe Progressive 14 Prozent Rendite erreichen.“ Zu den kurz- und mittelfristigen Hebeln werde die Erlösseite zum einen von zahlreichen neuen Modellen profitieren. Einen weiteren großen Hebel sehe man in der Optimierung des Fertigungsverbundes.

Cupra hat Seat fast eingeholt

Aktuell wird beispielsweise der A1 im Seat-Werk im spanischen Martorell gefertigt. Aber nicht nur deshalb lohnt sich der Blick auf die iberische Halbinsel. Denn auch wenn Porsche zwar nach wie vor der Vorzeigeschüler innerhalb der VW-Familie ist, so entwickelt sich in Spanien seit wenigen Jahren das jüngste Mitglied der Familie derart beeindruckend, dass man es mittlerweile absolut berechtigt als zweites Lieblingskind bezeichnen darf. Die Rede ist von Cupra. Im Jahresvergleich konnte die Marke ihre Produktionszahlen um 50 Prozent steigern – von 170.000 auf 246.000. Besonders wichtig war auch, dass Seat die operative Umsatzrendite signifikant steigern konnte. Waren es 2022 unterirdische 0,3 Prozent, so erhöhte sich der Wert im letzten Jahr auf solide 4,4 Prozent. Haupttreiber des Erfolgs ist dabei zweifellos der kometenhafte Aufstieg Cupras, doch auch die Marke Seat konnte sich 2023 wieder erholen. Mit 286.000 produzierten Fahrzeugen behauptete Seat, wenn auch knapp, seine Große-Bruder-Rolle. Wie lange das allerdings noch so der Fall sein dürfte, bleibt abzuwarten. Die zwischenzeitliche Untergangsstimmung ist zunächst abgewendet.

Ruhepol Skoda liefert konstant ab

Zur Core-Markengruppe zählt neben VW, Seat und Cupra auch noch Skoda. Die Tschechen nehmen dabei die Rolle des unauffälligen Kindes ein. Seit Jahren erfreut es die Familie mit soliden Ergebnissen und einer angenehmen Unaufgeregtheit. Das Wachstum war 2023 dabei alles andere als gewöhnlich. Der Absatz konnte um 22 Prozent erhöht werden, was mit dem Überschreiten der Millionengrenze einherging. Vor allem der Octavia, von dem 2023 mehr als 200.000 Einheiten gebaut wurden, und der vollelektrische Enyaq iV, mehr als 86.000 Modelle, waren bei den Kunden sehr beliebt. 2023 enthüllte Skoda zudem die vierte Generation des Superb und die zweite Generation des Kodiaq. Die Umsatzerlöse konnten um 26,2 Prozent auf 26,5 Milliarden Euro zulegen. Das operative Ergebnis verbesserte sich volumen- und preisbedingt auf 1,8 Milliarden Euro.

Wie also lautet nun die genaue Diagnose und welche Handlungsempfehlungen kann man dem VW-Konzern geben? Zumindest der Chef blickt positiv in die Zukunft und will seine VW-Familie auch in stürmischen Zeiten auf Kurs halten. „Wir stehen zu unserer Strategie und sehen in der Elektromobilität ganz klar die Zukunft. Ich halte nichts davon, bei etwas Gegenwind sofort alles infrage zu stellen“, betont CEO Oliver Blume.

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