Re-Assembly Factory bei e.Volution.

Bei e.Volution arbeitet man an ganzheitlichen Ideen für modulare Autos und Re-Assembly-Factories zum Austausch einzelner Teile. (Bild: e.Volution)

Nach gut elf Jahren ist für die meisten Autos hierzulande Schluss: Endstation Schrottplatz. Zwar hat sich die durchschnittliche Nutzungsdauer im Laufe der letzten Jahre dezent erhöht, doch sonderlich nachhaltig sind 'Wegwerfautos', wie manche sagen, nicht.

Das soll sich mit modular aufgebauten Fahrzeugen ändern, die sich ohne allzu großen Aufwand technisch und optisch aktuell halten lassen. Die Idee ist nicht neu. Doch zarte Ansätze, wie bei der ersten Serie des Smart, bei dem Kunststoffkarosserieteile einfach ausgetauscht werden konnten, haben sich nicht durchgesetzt. Denn unter dem Fahrzeugkleid geht es derart komplex zu, dass lebenserhaltende Maßnahmen irgendwann zu aufwändig und zu teuer werden.

Das ändert sich mit E-Fahrzeugen, deren Elektromotoren langlebig sind und im Falle eines Defektes unkompliziert ausgetauscht werden können. Die Komplexität von Stromern hält sich in Grenzen. Kostspielige Verschleißteile wie Kupplung, Auspuffanlage und der gesamte Verbrennerantrieb fallen weg. Ist nun die Zeit für das Ewigkeits-Auto gekommen?

Modularer Aufbau soll Autos langlebiger machen

Forschende des DLR (Urban Modular Vehicle) und der Eindhoven University of Technology (Eterna) sowie Streetscooter- und e.Go-Erfinder Günther Schuh (e.Volution) haben erste Konzepte entwickelt, bei denen eine langlebig konstruierte Grundstruktur die maximale Nutzungsdauer eines Fahrzeuges definiert. Das wird durch seinen modularen Aufbau mit wiederkehrenden Updates frisch gehalten. Auf dem Weg dahin werden alle paar Jahre Verschleißteile rund um Antrieb, Fahrwerk und Elektronik ausgetauscht. Weiteres Momentum für solche Ideen: Viele Funktionen lassen sich heute schon mit Software-Updates Over-the-Air erneuern oder nachrüsten.

Bei allem muss die Basis solide sein. Daher ruht die Karosserie bei dem ausladenden Cross-Over der Aachener e.Volution GmbH auf einem Chassis aus Aluminiumprofilen. Das Team um Günther Schuh trennt wie zu den Anfängen des Automobilbaus Chassis und Aufbau, was bei entsprechender Auslegung der Grundstruktur (nicht rostend, solide gefügt) die hohe Lebensdauer des gesamten Fahrzeuges sichern soll. Produktionstechniker Schuh kalkuliert: Die Aluminiumprofilstruktur hält bis zu 50 Jahre, also könnten die E-Maschine und die Batterien immerhin noch ein gutes zweites Leben als Heimspeicher führen. Die Konstruktion des Fahrzeuges, wie auch die der Konzepte des DLR und der Uni Eindhoven, ist außerordentlich schrauberfreundlich.

Regulatorische Hürden stören die Entwicklung

Bei e.Volution geht man sogar noch einen Schritt weiter und denkt an weitgehend automatisiertes Austauschen verschlissener Komponenten in einer Re-Assembly-Factory, von der es bereits einen Demonstrator gibt. „Dazu braucht es eine überarbeitete Modularisierungsschnittstelle, die es denkbar macht, wie in der heutigen Hochzeit eine neue Hochzeit mit einem neuen Fahrwerk und Antriebsstrang durchzuführen“, sagt Marco Münster, Projekt- und Gruppenleiter im Bereich Leichtbaukonzepte und Methoden Straßenfahrzeug. Er hält das für machbar, betrachtet die hohen Investkosten jedoch als „herausfordernd“. Immerhin: Wechselakkus heutiger E-Fahrzeuge zeigten, dass es bereits funktionierende Modulschnittstellen und Wirtschaftsmodelle gebe. „Ganze Interieurs auszutauschen ist jedoch weit komplexer“, betont Münster.

Bei Exterieurteilen aus recycelbaren Thermoplasten wie bei der Re-Assembly-Factory mag das unproblematischer sein. Technisch geht viel, allerdings tauchen rechtliche Hürden auf, wenn durch Veränderungen eine neue Typgenehmigung hermuss. Darauf verweist Rodolfo Schöneburg, Vorsitzender des Fachbeirats Kraftfahrzeugtechnik im VDI: „Die Anforderungen an die Sicherheit von Kraftfahrzeugen sind weltweit sehr hoch und es müssen viele Gesetze und Ratingprogramme, wie etwa Euro-NCAP, erfüllt und durch Crashversuche belegt werden“, sagt der Experte, „Jede sicherheitsrelevante Änderung, die man in ein Fahrzeug einbringt, muss überprüft und freigegeben werden.“

Michael Riesener auf dem Automobil Produktion Kongress 2024

Michael Riesener, Automobil Produktion Kongress 2024

Am 16. und 17. Mai 2024 findet in München der Automobil Produktion Kongress 2024 statt. Einer der Sprecher ist Michael Riesener vom Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen. Er verbindet Theorie und Praxis und setzt sich seit über 12 Jahren aktiv für die konsortiale Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie ein. Riesener war maßgeblich an der Gründung von Unternehmen und Centern am RWTH Aachen Campus beteiligt. Informationen zum Automobil Produktion Kongress 2024 sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier.

Die Fahrzeugbranche sei aus guten Gründen stark reglementiert. Mitunter reichten schon veränderte Schweißnähte in hoch belasteten Strukturbauteilen aus, damit eine neue Zulassung nötig werde. Allein schon die Crashanforderungen stiegen kontinuierlich (und je nach Absatzmarkt unterschiedlich), was manchem Fahrzeugtyp bereits das vorzeitige Aus beschert hat. Mit Blick auf neue Regularien bedeuteten Update-fähige Fahrzeuge „einen Riesenaufwand“. Zukunft ungewiss: Denn möglicherweise werden disruptive Fortschritte dem Traum vom fast ewigen Auto-Leben ein frühes Ende bereiten. Oder was ist, wenn sich etwa Sensoren und Steuerungstechnik für vollautonomes Fahren nicht mehr ohne weiteres nachrüsten lassen? Münster fragt zudem, ob derartige Konzepte nicht an die Grenze wirtschaftlicher Interessen von Herstellern, Werkstätten und Händlern stoßen.

Besteht Kundeninteresse am Refurbished Car?

Bleibt der Kunde. Nicht ganz unwesentlich für den Erfolg nachhaltiger Update-Ideen. Im Gespräch mit den VDI Nachrichten äußert Thomas Hambrecht, Leiter Leichtbau und Karosserie bei Audi, leise Zweifel: „Akzeptiert es der Kunde, wenn man sein altes Auto aufpoliert, so wie ein aufbereitetes Handy?“ Wer heute im Drei-Jahres-Takt sein Fahrzeug wechselt, wird möglichweise von Refurbishing wenig begeistert sein. „Im Premiumsegment erwarten die Kunden neue Features und Top-Designs“, so Hambrecht. Denkbar sei Update-Fähigkeit allenfalls im kostengünstigen A-Segment, also bei Kleinwagen, eventuell bei Kompakten.

Attraktiv könnte das Konzept vor allem für Flottenbetreiber sein und dort, wo User- und nicht Ownership eine Rolle spielt, also beim Sharing, Leasing und der Vermietung. „Dann wird der Kunde mit erneuerbaren Fahrzeugen sehr gut zurechtkommen“, sagt Münster. Andernfalls müsse „die Qualität des Erneuerungsergebnisses stimmen“. Fraglich, so Münster, ob solche Kunden überhaupt ein „umweltfreundliches, recyceltes“ Auto wünschten.

Fazit: Wenn sich das Konsumentenverhalten tatsächlich eher in Richtung Usership verschieben würde, Kunden den Nachhaltigkeitsgedanken zum schlagenden Kaufargument machten und auch noch der Gesetzgeber mitspielte, dann könnte das ewige Auto eine Chance haben.

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