Mit Smart läuft es als Elektromarke noch nicht so richtig. Umso wichtiger ist für Mercedes der EQC, nicht das erste vollelektrische Auto des schwäbischen Autobauers; aber als erstes als Elektroauto ersonnen. Entsprechend sehnsüchtig wurde das Elektromodell erwartet und mit hohen Hoffnungen verknüpft. Schließlich lautet das werbewirksam postulierte Selbstverständnis der Premiummarke mit dem Stern: "Das Beste oder nichts". Also muss so ein Erstlingswerk auch den Maßstab setzen, wie das bei der S-Klasse seit Jahrzehnten der Fall ist.
Beim Mercedes EQC fällt das Fazit nicht so einhellig positiv aus, wie bei der luxuriösen Limousine und der Grund für das Licht-Schatten-Spiel liegt in der Architektur des BEV-Crossovers. Der EQC 400 4Matic hat einiges vom Mercedes GLC geerbt und läuft in Bremen vom gleichen Band. Statt des Verbrennungsmotors findet man beim EQC einen Hilfsrahmen inklusive Elektromotor und Elektrik unter der Haube. Das erleichtert die Montage und sorgt für ein geringes Vibrations- und Geräuschniveau. Eine der großen Stärken des EQC: Im Fahrgastraum geht es sehr leise zu; auch bei höheren Geschwindigkeiten stören kaum Reifenabroll- und Windgeräusche die Unterhaltung. Angetrieben wird der EQC von zwei Asynchron-Elektromaschinen, die es auf 300 kW / 408 PS und 760 Newtonmeter Drehmoment bringen. Dank des Allradantriebs hat der BEV-Crossover auch in schnellen Kurven Traktion, eine Sportskanone ist der dennoch nicht und soll er auch nicht sein.
Zumal beim Mercedes EQC bei 180 km/h Schluss mit dem Vortrieb ist. Da bieten der Audi E-tron mit und der Jaguar I-Pace mit jeweils 200 km/h oder Tesla deutlich mehr. Bei der Beschleunigung schneidet das 2.495 Tonnen schwere Sternen-Schiff mit 5,1 Sekunden von null auf 100 km/h ganz ordentlich ab. Eine für die Elektromobilisten maßgebliche Größe ist die Reichweite: Hier sind es bei Mercedes 374 bis 417 km. Dafür reicht dem Mercedes eine 80 Kilowattstunden-Batterie, während der Audi E-tron einen 95 kWh-Akku mit sich rumschleppt (soll für mehr als 400 Kilometer reichen), der Jaguar I-Pace mit der 90-kWh-Batterie 480 Kilometer weit kommt und das Tesla Modell X dank der 75 bis 100 kWh Batterie (je nach Konfiguration) 417 bis 542 Kilometer. Beim Verbrauch gibt Mercedes 22,3 bis 25,0 kWh/100 km an. Wir erreichten bei den ersten Testfahrten, die in der Stadt und mit zurückhaltendem Tempo auf Landstraßen stattfanden, einen Wert von 24,5 kWh/100 km.
Verbesserte Assistenzsysteme
Auf der Straße gibt sich der Mercedes EQC kaum eine Blöße und steht seinen Konkurrenten in nichts nach. Das Vorankommen ist komfortabel und nicht zuletzt wegen der kaum vorhandenen Geräuschkulisse sehr entspannt möglich. Das Einsetzen der Rekuperationsstärke zur Verzögerung per Wippen hinter dem Lenkrad (links stärker, rechts schwächer) geht schnell in Fleisch und Blut über. Wer die stärkste Stufe wählt, kommt mit dem Gaspedal aus (One Pedal). Allerdings kann man auch die Technik diesen Job erledigen lassen. Auch das verbrauchsmindernde Segeln beherrscht der EQC.
Die Verarbeitung ist gut, aber wo der Mercedes wirklich punktet, ist bei der Technik beziehungsweise den Fahrassistenzsystemen, die gut zusammenspielen und dem Piloten das Leben leichter machen. Stichwort: Reichweitenangst. Geht den Akkus so langsam der Saft aus, ist der Fahrmodus "Max Range" die Lösung. Zusammen mit dem Navigationssystem berechnet das System anhand des Streckenverlaufs, des Verkehrsflusses, den optimalen Weg zur nächsten Ladestation und hilft dem Fahrer haptisch, sie zu erreichen, indem ein deutlicher Druckpunkt im Gaspedal markiert, wie schnell man fahren darf, um auf der sicheren Seite zu sein. Dort angekommen, kann man mit einer Kapazität von bis zu 110 kW laden, dann sind die Akkus in etwa 40 Minuten zu 80 Prozent voll. Bei einer 7,4 kW-Wallbox beträgt die Ladezeit rund elf Stunden.
Geburtsfehler
Ebenfalls bemerkenswert sind die Assistenzsysteme, die mittlerweile auch kleine Fußgänger, die hinter parkenden Autos hervorspringen, erkennen und die Notbremsung einleiten. Auch Fahrradfahrer leben im Umfeld des Mercedes EQC deutlich sicherer. Das System erkennt die Radler - zum Beispiel beim Rechtsabbiegen - im toten Winkel und warnt den Fahrer. Dass der Mercedes über das neueste Infotainment mit zwei großen Monitoren verfügt, versteht sich von selbst. Allerdings sind die Helfer übereifrig. Wenn man im Gespräch "Mercedes" erwähnt, meldet sich "Siri Daimler" jedes Mal zu Wort. Auch bei einer gestikulierenden Unterhaltung meint die Technik, bisweilen irgendwelche Gesten-Befehle zu erkennen.
Beim Thema Platz ist beim Mercedes EQC nicht alles Eitel Sonnenschein. Das liegt an einem Geburtsfehler des Fahrzeugs. Der EQC teilt sich die Plattform mit dem Mercedes GLC und ist daher kein konsequent durchkonstruiertes Elektromobil, wie das beim Audi E-tron auch der Fall ist. Das macht sich in einer mächtigen Mittelkonsole und einem Kardantunnel bemerkbar, die man in einem Elektrofahrzeug nicht benötigt. Zumal beide Platz kosten - vor allem die Mittelkonsole vorne wirkt beengend. Beim Kofferraumvolumen reißt der EQC mit gut 500 Litern keine Bäume aus. Zum Vergleich: Beim Audi E-tron sind es 660 bis 1.725 Liter, beim Tesla Model X sind es bis zu 2.487 Liter und beim Jaguar I-Pace 656 bis 1.453 Liter. Bleibt nur noch der Preis. Auch da geben sich die Konkurrenten nicht viel: Das Tesla Model X ist ab 85.300 Euro zu haben, der Audi E-tron kostet mindestens 79.900 Euro, beim Jaguar I-Pace sind es 79.450 Euro und der Mercedes EQC sortiert sich mit einem Basispreis von 71.281 Euro am unteren Ende des Viergestirns ein.