Annette Winkler war wieder einmal in ihrem Element. Die energiegeladene Smart-Chefin rollte in einem Smart ed Cabrio auf die Veranstaltungsbühne und stimmte die Anwesenden mit einer launigen Rede auf die Smart Times 2017 ein. "Dieses Jahr lautet das Motto der Smart Times 'Electrify Your Life'", jubelte die Managerin am Strand von Salou, rund 100 Kilometer südlich der katalanischen Metropole Barcelona. Der Ort ist eine echte Touristenhochburg, wo sich Russen und Engländer in der Sonne brutzeln und abends rotverbrannt in den Karaoke-Bars feiern, bis der Arzt kommt.
Dieses Jahr fielen die Smart-Jünger ein und schlugen ihr Lager an dem langen Sandstrand auf. Bei mehr als 30 Grad Celsius polierten sie schon am ersten Tag ihre kleinen automobilen Schätze, unterbrochen von dem einen oder anderen Sprung ins kühle Nass, garniert mit dem einen oder anderen Kaltgetränk, das bisweilen mehr Umdrehungen hatte als der automobile Stadtfloh, um den sich im Kern alles drehte. Zum Auftakt präsentieren sich die einzelnen Smartclubs; die Italiener führten in klassischen Römer-Kostümen einen einstudierten Tanz auf, die Griechen hopsten einen Sirtaki und die Letten zelebrieren ihren Auftritt artig in der Ringelreihen-Formation. Alles wunderbar, doch die meisten "Ooooohs" gab es, als die Russen dran waren. Eine Frau erklärte, dass sie 8.000 Kilometer in dem Kleinstwagen heruntergerissen hat. Respekt, da braucht es mehr als normales Durchhaltevermögen. Die weißrussische Delegation nennt sich vielsagend "Smart Mafia", während sich die Spanier bei ihrem Heimspiel als "Smart Lovers" feierten.
Exakt 2.869 Fans aus 32 Ländern hatten den Weg ins hitzige Katalonien auf sich genommen. Etwas weniger als vergangenes Jahr in Hamburg, als über 3.000 "Smarties" an die Elbe kamen. Der Smart mag ein Auto sein, das unverändert polarisiert, dennoch ist die Begeisterung der Fans ungebrochen. Wenn man bedenkt, dass 2001 nur ein paar eingefleischte Smart-Anhänger sich im österreichischen Zell am See trafen, sind die Dimensionen heute gigantisch. Engländer, Dänen, Schweden und Deutsche, ganz Europa traf sich am Sandstrand. Die Spanier bemühen sich vor der Kulisse der Touristenburgen, gute Gastgeber zu sein und begeistern die Zuschauer mit einer sechsstöckigen menschlichen Pyramide.
Fast and Furious-Smart
Der Enthusiasmus und die Hingabe, mit der die Smart-Aficionados ihre Autos pflegen und zu einem Unikat gestalten, unterscheidet sich nicht von dem der anderen Fan-Treffen. Der härteste Smart stammt aus dem französischen Avignon. Der Kleinwagen sieht aus wie eine Mischung aus einem Vehikel der futuristischen Mad-Max-Filmreihe und einem Auto eines Mitglieds einer Death-Metall Rockband. Nieten-Totenköpfe zieren die Karosserie und wo bei anderen Smarts die Kopfstützen für Sicherheit und Bequemlichkeit sorgen, befinden sich grimmige Totenköpfe. Wenn Captain Jack Sparrow dem Fluch der Karibik entkommt, wäre das der passende fahrbare Untersatz. Das sinistre Cabrio ist das Werk von Mirielle, die das Auto in zwei Jahren zu einem rollenden Sensenmann verwandelt hat. Der Einsatz hat sich gelohnt. "Mich überholen sogar andere Autofahrer mehrmals, nur, um den Smart aus jedem Blickwinkel sehen", lacht die 52-jährige.
Thomas Backes ist ein weiterer Smart-Jünger, der keine Kosten und Mühen scheut: Sein oranger Smart Fortwo hat Flügeltüren und die Motorhaube ziert das Konterfei des tödlich verunglückten Fast and Furious-Filmstars Paul Walker. "Paul Walker ist in der Tuning-Szene wie Michael Schumacher in der Formel 1", sagt der 54-jährige Smart-Fan. Das Auto ist dem Toyota Supra aus dem ersten Fast and Furios-Streifen nachempfunden. Alleine der aufwendige Airbrush-Lack hat den Wert eines neuen Smarts. "Über Geld mache ich mir keine Gedanken", sagt der Saarländer, der insgesamt neun Smarts besitzt, von jedem Modell einen. Ein weiterer ist zum Vogelhäuschen umfunktioniert worden. Für den freundlichen Saarländer gehört viel Bling Bling einfach dazu. Knapp 500 LEDs zieren das Auto und die Stereoanlage nimmt es sogar mit der riesigen Festival-Anlage auf. "Ich schaffe 136 Dezibel", sagt Backes, der bei einem Motorradunfall ein Bein verloren hat. Die Prothese ist natürlich ebenfalls in der Wagenfarbe lackiert. "Meine Tochter hat gesagt, dass sie nicht mit in Urlaub fährt, wenn die Farbe so bleibt." Das Ergebnis dieser Eltern-Kind-Diskussion war von vorneherein klar.
Der Smart Forfour spielt auf dem Treffen eher eine Nebenrolle. Smart, das bedeutet hier Fortwo, ein paar Crossblades und das Verlangen nach einem Roadster. Den wird es aus wirtschaftlichen Gründen nicht geben, die vermutete Absatzmenge ist einfach zu gering. Der guten Stimmung unter der brennenden Sonne tut das keinen Abbruch: Überall wird in Liegestühlen gechillt, die wichtigsten Kleidungsstücke sind Flip-Flops und die gelben Smart-Hüte. Selbst der hartgesottenste Moskowiter streckt die Waffen angesichts der unbarmherzigen Kraft der iberischen Sonne. Ein Novum gab es dieses Mal: Zeitgleich fand in China ein weiteres Smart-Treffen statt. Beeindruckend auch die Toleranz der Kleinwagen-Fans: Während der gesamten Veranstaltung stand ein Mini Cooper Cabrio auf dem Festgelände und überstand den Trubel unbeschadet. Nicht auszumalen, was passiert, wenn ein Opel sich auf ein VW GTI-Treffen verirrt. Apropos: Die nächsten Smart Times finden im smart Produktionswerk im französischen Hambach statt. Dann wird schon der 20. Geburtstag der Kleinstwagen-Marke gefeiert.