"Für uns ist die Premiere des VW Atlas hier ein Neustart", leitet Volkswagen Nordamerika-CEO Hinrich J. Woebcken seine Rede zur Premiere ein. Nach Dieselskandal und schwachen Jahren wollen die Wolfsburger im Land der unbegrenzten automobilen Möglichkeiten endlich einmal in die Vollen gehen. Die Weltpremiere des neuen Hoffnungsträgers VW Atlas fand an traditionsreicher Stelle auf dem Santa Monica Pier statt. Dort, wo die legendäre Route 66 von Chicago in den glorreichen Westen der USA endet, begannen in den vergangenen Dekaden schon viele Erfolgsgeschichten. Volkswagen hofft auf ähnliches.
Die Erwartungen an den neuen VW Atlas waren schon vor knapp fünf Jahren hoch, als man die Entscheidung für einen amerikanischen Midsize-SUV nach einigem hin und her festgezurrt hatte. Damals ahnte kaum jemand etwas von dem Dieselskandal, der Volkswagen weltweit in einen einzigartigen Abwärtsstrudel zog. Doch bereits ohne Dieselgate und geschummelte Abgaswerte hing viel an dem 5,04 Meter langen SUV, der eindrucksvoll zeigt, wie variabel der modulare Querbaukasten ist. Technisch ist der Atlas eng mit dem Tiguan verwandt; optisch ist davon abgesehen vom Markengesicht kaum etwas zu erahnen. Doch auch ohne Dieselskandal lief es nicht gut für Volkswagen in den USA.
Obschon man ein modernes Werk in Chattanooga aus dem Boden stampfte, hörte man nicht auf die Kunden und Konkurrenten wie Honda, Toyota, Hyundai oder Chevrolet, die man in den meisten Ländern nur müde belächeln kann, sind zwischen New York und Los Angeles unerreichbar weit entfernt. Jetta, Tiguan, Golf und der eigens hier entwickelte US-Passat - so richtig gut läuft in den USA seit Jahren kaum etwas mit dem VW-Signet auf dem Kühlergrill. Die Amerikaner wissen den zunehmenden Premiumanspruch der Wolfsburger nicht zu schätzen und laufen lieber zu bisweilen recht lieblosen Konkurrenz.
Das soll der VW Atlas ändern. Er wurde speziell für den hiesigen US-Markt entwickelt und läuft in Chattanooga ebenso vom Band wie in China, wo er als VW Terramont leicht modifiziert ebenfalls ab Mitte 2017 den Markt aufmischen soll. "Dies ist der größte und markanteste Volkswagen, den wir jemals in den USA gebaut haben, mit unverwechselbaren Design und mit Platz für nunmehr sieben Personen", so Hinrich J. Woebcken. Ein paar Monate später soll er jedoch auch in Russland und dem Nahen Osten eingeführt werden. Für die europäischen Länder ist das mächtige SUV-Schiff nicht vorgesehen. Hier sollen es in der kompakten Mittelklasse Tiguan und später Tiguan XL richten, obwohl sich nicht nur kinderreiche Familien nach dem sehenswerten Geländewagen für bis zu sieben Personen die Finger lecken würden. Er soll preislich bei rund 30.000 Dollar starten und lässt schlappe Benzinmotorisierungen ebenso außen vor wie sparsame Diesel.
Der große Deutsche aus Tennessee ist wahlweise mit einem modernen, 238 PS starken Zweiliter-Turbo-Vierzylinder oder einem betagten 3,6 Liter großen V6-Sauger zu bekommen. Eine Achtgang-Automatik ist serienmäßig und der Kunde kann sich wahlweise für einen variablen Allradantrieb entscheiden. Der Volkswagen Atlas erschließt ein wichtiges Segment für die Marke: Midsize-SUV, wie die Amerikaner sie nennen, machten im Jahr 2015 bereits ein Zehntel aller Neuzulassungen in den USA aus. "Nach der Einführung des Atlas sind wir in rund zwei Drittel der Segmente vertreten und das überaus konkurrenzfähig", so Woebcken.
Angesichts der starken Konkurrenz aus den USA, Korea und Japan bietet der VW Atlas nicht nur ein selbstbewusstes Design und viel Platz im Innern, sondern auch eine umfangreiche Ausstattung. So gibt es neben einer kompletten Vernetzung unter andere ein digitales Cockpit, LED-Scheinwerfer rundum, ein 480 Watt Soundsystem, sowie Fahrerassistenzsysteme wie Abstandstempomat, Kollisionswarnung, Notbrems-, Spurhalte- und Parkassistent. Marktstart wird im kommenden Frühjahr sein. Erwartetes Volumenmodell soll das 3,6 Liter große und 280 PS starke Topmodell werden, der mit kompletter Ausstattung knapp 50.000 Dollar kosten dürfte.