Auf dem Siegertreppchen im Audi Forum Neckarsulm standen am Abend des 6. November 2017 neben Daimler Bremen, Magneti Marelli Bari und Conti Timisoara drei weitere Automotive Lean Production „Special Award“-Preisträger. Für seine „smart industrialization of new technologies“ ausgezeichnet wurde die CFK Produktion des BMW Werks Landshut, dem auch die CFK-Umfänge des Standorts Wackersdorf organisatorisch zugeordnet sind. Sie zeichnet verantwortlich für CFK-Strukturbauteile für die BMW M Fahrzeuge, die Premium-Limousine BMW 7er und die Fahrzeuge der BMW i Reihe. Der Special Award würdigt, dass hier in kurzer Zeit mit einer konsequenten Lean-Philosophie eine moderne Fertigung für technologisch komplexe Produkte wie die Herstellung von CFK-Bauteilen aufgebaut wurde.
Um die Wettbewerbsfähigkeit dieser Schlüsseltechnologie für die Zukunft zu gewährleisten, musste das Verständnis für die Prozesse geschärft werden. Dies war eine Grundlage, um die Verschwendung in den Produktionsabläufen zu reduzieren. Agamus-Chef Dr. Werner Geiger erläutert: „Es muss hierbei hervorgehoben werden, dass die Produktion der CFK-Bauteile noch im Anlaufmodus war. Neben der Erhöhung der technischen Erfahrung wurden die Material- und Fertigungssteuerung konsequent optimiert. Das führte zu einer deutlichen Erhöhung der Bestandsqualität und einer verbesserten Transparenz der Lieferantenperformance. Um die Durchlaufzeiten kontinuierlich zu reduzieren, wurden Workshops unter Anwendung der Wertstrommethodik durchgeführt. Durch die konsequente Einbindung der Mitarbeiter konnten hierbei wesentliche Erfolge erzielt werden.
Eine zusätzliche Stellschraube zur Optimierung des Werkes wurde durch die Verbindung der Lean Roadmap mit der Digitalisierungs Roadmap des M-Ressorts mit definierten use cases installiert. Für jeden use case ist ein business case hinterlegt. Die Roadmap erlaubt die Erprobung der abteilungsübergreifenden Aktivitäten auch bei unterschiedlichem Reifegrad. Die Interdisziplinarität, eindeutige Strukturen und die klare Konzentration auf Fokus-themen sind die Grundlagen für einen erfolgreichen Umgang mit den Chancen von Industrie 4.0. Ein Ergebnis der konsequenten Umsetzung: Die Overall Equipment Effectiveness (OEE) und die relevante technische Verfügbarkeit konnten in großen Schritten gesteigert werden, zudem hat sich die Auslieferqualität deutlich verbessert.
InTiCa: Erste Erfolge auf der Lean Journey
Ein weiterer Special Award, namentlich für „Lean Transformation“ ging an einen Lean-Newcomer: Das tschechische Werk am Standort Prachatice des InTiCa-Konzerns. Mit seinem Produktportfolio (Steuerungselemente und Sicherheitssysteme für Automobile oder induktive Bauelemente und Module für die Industrieelektronik) besitzt es eine Leitwerk-Funktion für den Fertigungsverbund EU / NAFTA. Die Technologiefabrik wurde im Laufe der Jahre mit hoher Fertigungstiefe in großen Schritten stetig erweitert.
Parallel zum ambitionierten Wachstum machten sich jedoch auch negative Begleiterscheinungen bemerkbar: Die vorherrschende Werkstattfertigung ging mit unterdurchschnittlich wertschöpfenden Tätigkeiten der Mitarbeiter, mit Platzproblemen in Produktion und Logistik sowie mit Rückständen in der Kundenbelieferung einher. Dem Werk fehlten Lean Tools, ein schlankes Produktionssystem und letztlich auch in Lean Praktiken erfahrene Mitarbeiter.
In diesem Bewusststein wurden alle Abläufe von Grund auf neu ausgerichtet. InTiCa setzte dabei auf eine gesteuerte Lean-Transformation mit fünf Umsetzungsmodulen, wobei die anfänglichen Fähigkeiten und Ressourcen der Organisation ein stark limitierender Faktor waren, den es auch zu überwinden galt. Zunächst wurde das Produkt-Portfolio mit werksinternen Kern- und Schlüsselprozessen nach Wertströmen ausgerichtet. Mittels ABC-xyz-Analysen, Produkt-Prozess-Matrizen und Austaktungsanalysen wurden wichtige Prämissen für ein Zukunftskonzept abgeleitet. Letztendlich führte die Segmentierung zu einer Kombination aus Fertigungslinien für Highrunner und einer auf die weiteren Produkte ausgerichteten flexiblen Mixed-Model-Fertigung. Bei laufender Produktion wurden mehr als 100 Maschinen und Anlagenkomponenten schrittweise in ein flussorientiertes Gesamtlayout verlagert. Im Sinne der bewährten Vorgehensweise von „Optimierung von innen nach außen“ galt es, das Material „fließen zu lassen“ und die Durchlaufzeiten signifikant zu verkürzen. Eine teamorientierte Organisation wurde eingeführt sowie die Aufbau- und Ablauforganisation mit klar geregelten Rollen und Verantwortlichkeiten den geänderten Erfordernissen angepasst. Auf dem ALP-Kongress wird zu erfahren sein, wie und mit welchen Zielen die „Lean Journey“ in Prachatice weiter geht.
Der dritte und letzte „Special Award“ – der für integriertes Shopfloor-Management – wurde dem letztjährigen OEM-Kategoriesieger, dem Audi Werk in Neckarsulm zuerkannt. Dort wird Shopfloor Management (SFM) definiert als „das Erkennen von Abweichungen und das Lösen der Probleme direkt vor Ort als tägliche Führungsaufgabe“. Näher betrachtet beruht das Shopfloor Management hier auf den Elementen Zielemanagement, Problemlösung / KVP, Standards, Kommunikation, Visualisierung und Qualifizierung. Seit 2014 ist SFM ein umfassendes Projekt, das jeden Winkel des Werkes durchdringt und jeden Mitarbeiter erfasst, getrieben durch einen Top-Down Ansatz des Managements. Inhaltlich baut es auf einem Sechs-Stufen-Plan auf.
Die Qualifizierung der Mitarbeiter beginnt mit einem Grundfertigkeiten-Training (Sicherheit, Qualität, Ergonomie), geht weiter über ein Grundverständnis für Lean Themen (Warum und Wie), wird fortgesetzt im Profiraum-Training (Manuelle Grundlagen für Problemlösung und Modellwechsel) und schließt ab am Arbeitsplatz mit der Perfektion durch Standards. Das Ganze ist ein lebendes, sich selbst steuerndes System: Erkennen der Prozessschwächen aus den SFM-Kaskaden, Zuordnung zur Trainingsstrategie, Entwicklung des Trainings, Durchführung des Trainings mit zertifizierten Trainern und Überprüfung der Nachhaltigkeit. „So wie das Shopfloor Management als Bestandteil der Führungs- und Qualifizierungskultur im Audi Werk Neckarsulm gelebt wird, ist es ein mächtiges Instrument, das in einem gut vorbereiteten Umfeld das leistet, was es verspricht: Exzellent werden in den Dimensionen Lean und Führung“, sagt Werner Geiger.