Für Boysen war 2010 ein gutes Jahr, das bisher beste in der Geschichte des Unternehmens, freut sich Rolf Geisel. "In diesem Jahr haben wir praktisch alle früheren Bestmarken übertroffen. Im Zuge des Downsizing haben wir 2010 wahrscheinlich so viel Abgastechnik für Vierzylindermotorisierungen produziert, wie nie zuvor", erklärt der Boysen-Geschäftsführer.
"Aber wir können auch mit den Volumina bei Sechs- und Achtzylindermotorisierungen sehr zufrieden sein. Den größten Teil unseres Umsatzes erwirtschaften wir mittlerweile mit hochleistungsfähigen Abgasreinigungssystemen, sprich Dreiwege-, DeNOx- und SCR-Katalysatoren sowie Dieselpartikelfiltern", fährt Geisel fort. 770 Millionen Euro setzten die Altensteiger um, nach 634 Millionen im Krisenjahr 2009. Damals ging eine Jahrzehnte währende Wachstumsphase des Lieferanten aus dem Nordschwarzwald zuende.
Doch das ist Vergangenheit, wenigstens für den Boysen-Chef: "Unsere Zukunft heißt Wachstum." 2011 soll der Umsatz der Gruppe laut Unternehmensprognose sogar 900 Millionen Euro erreichen. "Unser künftiges Umsatzwachstum wird zu großen Teilen aus dem Ausland kommen, namentlich aus China und den USA", so Geisel. "In 2011 trägt aber auch unsere inländische Produktion voraussichtlich etwa die Hälfte zum erwarteten Umsatzanstieg von 130 Millionen auf 900 Millionen Euro bei."
Größtes Projekt der Firmengeschichte
nd dafür investiert Geisel im laufenden Jahr nicht zu knapp: Nach 45 Millionen Euro im Jahr 2010 sollen aktuell rund 65 Millionen Euro in den Ausbau und die Modernisierung allein der sechs deutschen Boysen-Standorte fließen. Das Gros von 40 Millionen geht 2011 in das größte Bauprojekt der bisherigen Firmengeschichte des Stiftungsunternehmens: in die Erweiterung des Standortes Turmfeld. Dort werden die Produktion von Abgassystemen und Komponenten für Nutzfahrzeuge und weiteren Offhighway-Anwendungen konzentriert. Dafür wird das bisherige Komponentenwerk in Walddorf geschlossen.
Auf 20 000 Quadratmetern entstehen zum Beispiel eine weitere Produktionshalle sowie ein zentrales Hochregallager. "Spatenstich" auf dem Turmfeld war Ende Januar. Anfang 2012 soll das neue Werk die Produktion aufnehmen und nach seiner Fertigstellung alleine am Standort Turmfeld rund 530 Mitarbeiter beschäftigen.
Bereits 2010 hat Boysen 15 Millionen Euro in neue Fabrikgebäude und Produktionsanlagen in China und den USA investiert. "Boysen USA wird seinen Umsatz in 2011 verdoppeln, BES in Shenyang sogar verdreifachen", sagt Geisel. Die Arbeiten zum Ausbau der Fertigungskapazitäten in den Werken im chinesischen Shenyang und Gaffney, US-Bundesstaat South Carolina, seien inzwischen so gut wie abgeschlossen. Auch ein Tochteruntenehmen in Ägypten wurde erst im Dezember 2010 gegründet.
Der Aufwand hat seine Gründe: "In der Geschichte des Automobils hat die Abgastechnik noch nie eine so große Rolle gespielt wie heute", sagt Geisel. "Jedenfalls wurde noch nie zuvor ein höherer Aufwand für die Abgasnachbehandlung getrieben." Die Abgasreinigungstechnik hat im Zuge immer schärferer Emissionsgrenzwerte enorm an Bedeutung gewonnen.
Eine der Innovationen, auf die die Altensteiger setzen, heißt Niederdruck-Abgasrückführung, abgekürzt AGR. Damit lassen sich die strengen NOx-Grenzwerte der Emissionsnorm EU6 für den Dieselmotor erfüllen, sagt Michael Fischer, Bereichsleiter technische Entwicklung bei Boysen. Er ist überzeugt, dass mit einer gut abgestimmten Zwei-Wege-AGR die ab 2014 geltenden Stickoxid-Grenzwerte für Dieselmotoren in den meisten Pkw-Klassen zu erfüllen sind. Das AGR-System überzeuge durch einen guten Wirkungsgrad sowie seine einfache Konstruktion zu geringen Kosten. Während eine selektive katalytische Reduktion, kurz SCR, die Stickoxide erst nachträglich eliminiere, verhindere die AGR deren Bildung. Mit der Kombination aus Hochdruck- und Niederdruck-Abgasrückführung, sprich dem Zwei-Wege-AGR, können die Autobauer die EU6-Grenzwerte so mit erheblich geringerem technischen Aufwand erfüllen.
Ging es zu Gründungszeiten des Unternehmens noch ausschließlich um Lärmbekämpfung, entwickelte sich Boysen in der jüngeren Vergangenheit zum Systempartner für Abgastechnik bis hin zum Spezialisten für Abgasreinigung weiter. Geisel sinniert: "Womöglich beschäftigen wir uns als nächstes mit Fragen der Energieumwandlung, wer weiß?" Zumindest in den nächsten 20 Jahren sei genug Potenzial für kontinuierlich weiteres Wachstum gegeben, meint er zuversichtlich. Zumal nach Geisels Dafürhalten echte E-Mobilität noch in weiter Ferne sei: "Ich persönlich wette ja, dass frühestens in 40 Jahren genauso viel Fahrzeuge mit rein elektrischem Antrieb wie mit klassischem Verbrennungsmotor gefertigt werden", sagte er im Rahmen der Trends-2011-Umfrage von AUTOMOBIL PRODUKTION unter www.automobil-produktion.de/hopp-oder-topp-wie-wird-2011/.
"Als Mittelständler denken und handeln wir möglichst langfristig und nachhaltig. Gleichzeitig fahren wir immer auf Sicht", verdeutlicht Geisel. Und ergänzt pragmatisch: "Solange es Hybride gibt, braucht es auch konventionelle Abgasreinigungs- und Schalldämpfertechnik."