Produktion bei Rivian

Hersteller wie Rivian müssen nach wie vor auf den großen Durchbruch der Elektromobilität hoffen. (Bild: Rivian)

In das Jahr 2023 startete Rivian mehr oder weniger als verlängerte Werkbank für die Amazon-Warenlogistik. Der E-Commerce-Riese bestellte beim Autobauer, an dem Amazon auch eine Beteiligung hält, insgesamt 100.000 Elektrofahrzeuge für die eigene Logistik, über ein Zehntel davon sind bereits im Einsatz. Im November verkündete Rivian dann, mal wolle den eigenen Elektro-Lieferwagen auch an andere Interessenten verkaufen. Die Produktion für das Jahr 2023 gibt der Hersteller mit rund 57.000 Fahrzeugen an. Bei einem Umsatz von 4,4 Milliarden US-Dollar machte Rivian einen Verlust von 5,4 Milliarden Dollar.

Rivian kämpft mit der Expansion

Gleichzeitig hat der Autobauer mit Problemen bei der Skalierung der eigenen Produktion zu kämpfen: Der geplante Bau einer rund fünf Milliarden US-Dollar teuren Fabrik im US-Bundesstaat Georgia wurde bis auf Weiteres auf Eis gelegt, das geplante Modell R2 soll im bestehenden Werk in Illinois vom Band laufen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Abkühlung des Marktes für Elektrofahrzeuge verwundert die konservative Entscheidung von Rivian nur wenig: Der neue Produktionsstandort sollte eine Kapazität von stolzen 400.000 Fahrzeugen pro Jahr erreichen – ein immenses Risiko für den vergleichsweise kleinen OEM. Stattdessen möchte Rivian das Produktionsziel 2024 nun in etwa auf Vorjahresniveau stabilisieren. Für die Zukunft hat man bei Rivian dennoch große Pläne: Mit dem R2, R3 und R3X wurden drei Modellneuheiten auf Basis einer Mittelklasse-Plattform präsentiert, die 2026 und 2027 unterhalb der seit 2021 erhältlichen Modelle R1S und R1T auf den Markt kommen sollen – auch in Europa. 

Lucid Motors setzt auf Saudi-Arabien

Für einen anderen neuen Elektrohersteller – Lucid Motors – wäre die Reise ohne eine gewaltige Finanzspritze aus Saudi-Arabien 2024 vermutlich bereits zu Ende. Zentraler Geldgeber für den Autobauer ist der saudische Public Investment Fund (PIF), der bereits die Mehrheit an Lucid Motors hält. Wenig verwunderlich, dass sich die Aktivitäten des OEM aktuell zunehmend auf den Wüstenstaat konzentrieren. Denn was Amazon für Rivian ist, ist die saudische Regierung für Lucid: Insgesamt 50.000 Fahrzeuge orderte der Staat selbst, über einen Zeitraum von zehn Jahren besteht zudem die Option, die Menge der bestellten Einheiten zu verdoppeln. Vom Band laufen sollen die Fahrzeuge an einem neuen Produktionsstandort in der King Abdullah Economic City (KAEC) im Westen des Landes, der bei voller Auslastung rund 155.000 Autos pro Jahr fertigen soll. Damit ist das Werk in Saudi-Arabien nicht einmal der größte Standort in den Plänen des Herstellers. Im US-Werk Casa Grande im Bundesstaat Arizona sollen unter anderem Kits für die Montage in Saudi-Arabien gefertigt und zudem die saudischen Mitarbeiter qualifiziert werden.

Mit einer geplanten Fertigung von 365.000 Fahrzeugen pro Jahr in den USA würde Lucid Motors theoretisch eine globale Produktionskapazität von über einer halben Million Autos pro Jahr erreichen. Ähnlich wie bei Rivian klafft zwischen Wunsch und Wirklichkeit jedoch auch bei Lucid eine gewaltige Lücke: Im Jahr 2023 konnte der Hersteller die eigenen Auslieferungen zwar um 37 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern, in absoluten Zahlen entspricht dies jedoch immer noch nur etwa 6.000 Fahrzeugen. Produziert wurden rund 8.400 Einheiten – nachdem Lucid das eigene Fertigungsziel zuvor bereits nach unten korrigieren musste. Im Jahr 2024 möchte man nun 9.000 Einheiten fertigen – eine Zahl, die immer noch unter dem ursprünglich 2023 angestrebten Ziel von 10.000 Fahrzeugen liegt. Für die zukünftige Expansion verfügte Lucid Motors Ende des Jahres 2023 über Finanzmittel von rund 4,78 Milliarden US-Dollar bei einem Jahresumsatz von 595 Millionen Dollar. Um mit diesem Geld effektiv zu produzieren, hat Lucid zuletzt die Ausstattungsvielfalt des Modells Air entschlackt. Hoffnung setzt das Unternehmen zudem auf das siebensitzige SUV Gravity, das für die zweite Jahreshälfte angekündigt wurde. 

Europäische E-Startups scheitern 

Den 'jungen Wilden' der Autobranche ist eines gemeinsam: Sie setzen alles auf die Elektro-Mobilitätskarte und haben alle mit dem ausbleibenden Boom in diesem Marktsegment zu kämpfen. Auch an zwei deutschen Beispielen lässt sich dies deutlich erkennen. So stampfte etwa Sono Motors Anfang 2023 das geplante Solar-Fahrzeug Sion komplett ein. „Trotz der mehr als 45.000 Reservierungen und Vorbestellungen für den Sion waren wir gezwungen, auf die anhaltende Instabilität der Finanzmärkte zu reagieren und unser Geschäft zu verschlanken. Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen“, erklärte Laurin Hahn, Mitbegründer und CEO von Sono Motors, die Entscheidung. Statt auf die ursprünglich beim Auftragsfertiger Valmet Automotive geplante Produktion des eigenen Fahrzeugs wolle man sich nun auf die dahinterstehende Solartechnologie konzentrieren und diese auch anderen Herstellern anbieten.   

Auch für den hiesigen Elektroautobauer E.Go erscheinen die Aussichten derzeit mehr als fraglich. Bereits zum zweiten Mal in seiner jungen Firmengeschichte musste das Jungunternehmen aus dem Umfeld der RWTH Aachen im Frühjahr 2024 Insolvenz anmelden. Über die Zukunft soll nun ein Insolvenzverwalter entscheiden. Als Gründe für die wiederholte Pleite führt der Hersteller „die jüngsten Entwicklungen und Herausforderungen in der Elektrofahrzeugindustrie“ sowie die Volatilität der Finanzmärkte an. Wie schwach ausgeprägt der Optimismus der Shareholder gegenüber E.Go tatsächlich ausgeprägt ist, lässt sich aktuell am Aktienkurs des Unternehmens ablesen, der seit Herbst 2023 um 97 Prozent eingebrochen ist. Der Gegenwind wird rauer für die neuen Player in der Elektromobilität. 

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