AUTOMOBIL PRODUKTION: Die neue Baureihen-Aufstellung gilt seit April. Wie lange wird es dauern, bis sie in die untersten Ebenen ausgerollt ist?
Der Start der neuen Organisation hat etwa vier Monate gedauert. Wir haben jetzt begonnen, die wichtigsten Funktionen aus dem bisherigen Produktmanagement und aus der technischen Projektleitung zusammenzufassen und haben mit einem kleinen Teil der Leute aus der Produktion und der Beschaffung etc. eine Basis geschaffen. Bis die letzten Prozesse angepasst sind und ein Großteil der Mitarbeiter in die neuen Fachbereichs-übergreifenden Projekthäuser umgezogen ist, wird es bestimmt bis zum Ende des Jahres dauern. Ich glaube, das Wesentliche ist der Wechsel im Verständnis der Rollen, dieser Prozess wird sich sicherlich über zwei Jahre hinziehen. Porsche hat die Baureihensystematik bereits vor 20 Jahren eingeführt – und ebenfalls einige Zeit gebraucht, um die Baureihen zu implementieren und das Rollenverständnis zueinander zu finden.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ich hörte, die größte Hürde bei der Einführung der Baureihen-Organisation sind die gut 12.000 Entwickler, die in der Technischen Entwicklung sitzen. Diese werden durch die neue Struktur quasi entmachtet. Denn nun sagen die Baureihen, was sie für ihre Fahrzeuge gerne hätten, und gehen quasi in der T+E „shoppen“…  
Eine der wesentlichen Stärken von Volkswagen ist die Fachkompetenz aller Beteiligten. Und daran wird die Baureihe nichts ändern. Ganz im Gegenteil. Unser Ziel ist, dass die Baureihe den Fachbereichen noch stärker als bisher die Freiheit gibt, ihre Innovationskraft und ihre fachlichen Fähigkeiten zu entwickeln. Davon werden letztlich alle Beteiligten profitieren und dabei das Beste für den Kunden herauszuholen. Das steht für jeden Baureihen-Mitarbeiter im Fokus. Dass die neue Aufstellung ein Prozess ist, der Zeit braucht, ist klar. Aber klar ist auch, dass die Teams dadurch mehr Vorteile und Freiheiten gewinnen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Das dürfte aber nicht einfach sein….
Wir haben schon viel getan – und über alle Ebenen hinweg umfassend informiert und Workshops durchgeführt. Dort haben wir bereits begonnen, die Rollen zu definieren. Wir glauben, dass wir da gemeinsam auf einem guten Weg sind.

ZUR PERSON
Karlheinz Hell
seit Anfang 2016 verantwortet er die Baureihe für alle kompakten Fahrzeuge - kurz gesagt, nahezu das gesamte MQB-Portfolio. In dieser Aufgabe stimmt er sich auch eng mit den VW-Töchtern Audi, Skoda und Seat ab. Auch dort wir die neue Baureihen-Organisation gerade installiert.
Seit 1998 hatte er mehrere Aufgabe im Bereich Einkauf inne: Leiter Forward und Global Sourcing (Audi), Leiter Einkauf Exterieur, Projekteinkauf Karosserie, Leiter Einkauf bei VW Südafrika und zuletzt Vorstandsmitglied Beschaffung bei Skoda in Mlada Boleslav
Hell wurde am 3. August 1963 in Wolfratshausen geboren und studierte Maschinenbau an der FH in München

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie man hört hat bei Porsche die Implementierung zwei bis drei Jahre gedauert. Welches Fahrzeug wird das erste Auto sein, das von vorne bis hinten der neuen Struktur entspringt?
Wir sind als Baureihe für den gesamten Lifecycle verantwortlich und springen jetzt mehr oder weniger in alle laufenden Projekte hinein. Das Fahrzeug, das sich am Beginn seines Entwicklungszyklus befindet, also erstmalig mit sehr großem Anteil in der Baureihe entwickelt und umgesetzt wird, ist der neue Golf. Dort haben wir bereits mit unseren Sprint-Workshops aufgesetzt und Produktinhalte definiert. Wir haben unsere Partner aus Entwicklung, Beschaffung, Vertrieb, Produktion und Marketing sehr frühzeitig zu sehr intensiven Arbeitskreisen und Workshops zusammengeholt und gestalten aktuell den gesamten Prozess nach dem Prinzip der Baureihenorganisation.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Und – hat VW-Markenchef den Golf 8 schon abgenickt?
Interessante Frage! Darüber spreche ich mit Ihnen gern zu einem späteren Zeitpunkt. Klar ist ja: Unsere Aufgabe muss es sein, den Vorstand von bestimmten Tätigkeiten zu entlasten. Deshalb haben wir auch viele Meilensteine, die bisher im Vorstand präsentiert wurden, künftig in der Baureihe zu entscheiden. Der Vorstand bleibt über die  wesentlichen Meilensteine und den Projektfortschritt informiert und kann seinen Einfluss ausüben. Aber sehr viel Projektarbeit, sehr viele Detailentscheidungen treffen wir in der Baureihe. Das gibt uns wiederum Geschwindigkeit, weil wir dadurch wesentlich effizienter und schneller arbeiten können.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Der nächste Golf kommt angeblich 2019 – da bleiben Ihnen ja gar keine 48 Monate an Entwicklungszeit. Kriegen Sie den schon schneller fertig?
Seien Sie gespannt. Wir haben uns für den nächsten Golf einiges einfallen lassen. Wir reden über Dinge wie Virtualisierung von Designprozessen, Absicherung und Erprobung von Derivaten in der Simulation statt auf der Straße, und vieles mehr. Das sind die Entwickler hervorragend unterwegs und wir als Baureihe unterstützen das Projekt natürlich mit aller Kraft.

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