Heiko Weber, Partner bei Berylls Strategy Advisor wird am 16. Mai auf dem Automobil Produktion Kongress in München über generative KI sprechen.

Auf dem Automobil Produktion Kongress in München am 16. Mai wird Heiko Weber ausführlich über generative KI sprechen. (Bild: Berylls)

Herr Weber, in einer Ihrer Veröffentlichungen heißt es "true collaboration" sei der einzig gangbare Weg im Risikomanagement und nur so könne echte Innovation entstehen. Warum ist die Branche mehr denn je auf eine effektive Zusammenarbeit angewiesen?

Wir sehen uns in der Automobilindustrie immer mehr konfrontiert mit steigender Komplexität oder sagen wir besser Vernetztheit. Unsere Fahrzeuge weisen mittlerweile einen bemerkenswerten Anteil an vernetzten Technologien auf - denken Sie an Elektromobilität mit all ihren erforderlichen Komponenten, oder ADAS. Damit einher geht eine immense Auswirkung auf die automobile Wertschöpfungskette. Jeder ist in dieser Vernetzung von jedem abhängig. Fahrzeuge können nicht mehr im gleichzeitigen „simultaneous engineering“, sondern nur im vernetzten „collaborational engineering“ entstehen. Bezüglich notwendiger Kompetenzen bewegen wir uns hin zu einem massiven Anteil an Software- und Elektronikentwicklung und benötigen dafür Kollaborationspartner nicht nur aus anderen Branchen, sondern erweitern den Kultur-Aspekt um einen starken Anteil an asiatischen Zulieferern. Allein in den Jahren von 2017 bis 2021 ist das Wachstum bei chinesischen Zulieferern um 34 Prozent gestiegen. Hinzu kommt, dass wir Ressourcenknappheit erfahren und Rohmaterialien verwenden, die wiederum stark an geopolitische Entwicklungen gekoppelt sind. Wir sind an einem Punkt, an dem die Supply Chain der Industrie keine Kette mehr ist in dem Sinne, dass ein OEM die Spitze bildet und alles darauf hinläuft. Im Rahmen der neuen Ordnung von Zusammenarbeit müssen wir noch viel mehr von einem wirklichen Supply-Network sprechen. Wenn man sich diese Vielschichtigkeit der Herausforderungen in der Automobilindustrie ansieht, wird klar: Die Art und Weise der Zusammenarbeit war nie erfolgsentscheidender.

Ihr Vortrag auf dem Automobil Produktion Kongress wird sich mit der generativen KI im Produktionsumfeld beschäftigen. Welche konkreten Anwendungsfälle sind aus Ihrer Sicht in naher Zukunft möglich?

Die Anwendung von generativer KI eröffnet eine unermessliche Anwendungsbreite - auch in der Automobilindustrie. Wir haben dieses Potential anhand sieben konkreter Anwendungsfälle beleuchtet, von der Konzeptphase über OEE-Analyse bis hin zur Kundenzufriedenheit. Anknüpfend an unseren Kollaborationsgedanken ergeben sich mittels KI Möglichkeiten, die Zusammenarbeit effizienter zu gestalten. Diese ist bisher geprägt durch ein umfangreiches Set von Anforderungen des OEM an den Zulieferer. Festgehalten in mehreren Lastenheften und historisch gewachsenen Vorschriften, die der OEM an den Zulieferer übergibt, um die Beschreibung des Produkts und alle Eventualitäten der Zusammenarbeit abzudecken. Aus oft langwährenden Kundenbeziehungen entsteht eine schier unendliche Liste an Anforderungen, die beständig wächst und sich schlimmstenfalls widerspricht, statt geschärft zu werden. An dieser Stelle lässt sich mit künstlicher Intelligenz eine gezielte Auswertung der Lastenheftflut durchführen, von der beide Kollaborationspartner durch ein präzises, verständliches Set von Requirements profitieren – und somit das Konfliktpotential reduziert wird.

Und wie sieht es mit der Anwendung direkt auf dem Shopfloor aus?

Hier lässt sich KI ganz konkret zur Fehleranalyse einsetzen. Dahinter steht meine Hypothese, dass jeder Fehler in der Produktion eigentlich in der Organisation schon mindestens einmal vorgekommen ist: Sei es in der Entwicklungsphase der bestreffenden Baureihe, beim Aufbau von Prototypen, bei Erprobungsfahrten, in der digitalen Phase im CAD, im Prozessplanungstool, in anderen Werken, an anderen Baureihen, vor einem Monat am gleichen Ort, et cetera. Sie verstehen sicherlich, worauf das hinausläuft: Der Mitarbeiter, der gerade jetzt mit dem Problem konfrontiert ist, benötigt Zugriff auf alle Datenmodelle, Fehlerprotokolle, Abstellmaßnahmen, Schichtübergabebücher und so weiter, die der Produzent über 100 Jahre angehäuft hat. Diese Informationen liegen zumeist in fließender Sprache vor. Die erste und einzige Lösung, diesen Datenschatz zu heben, bilden Large Language Modelle, von denen ChatGPT nur gerade das prominenteste Beispiel bildet. Für mich als ehemaligen Qualitätsverantwortlichem stellt das sowas wie das Paradies eines schnellen, effizienten und nachhaltigen Fehlerabstellprozess dar.

Logo Automobil Produktion Kongress, blaues stilisiertes Zahnrad, daneben in drei Zeilen der Kongressname, eine blaue Linie zwischen Automobil und Produktion

Am 16. Mai treffen sich auf dem APK in München auch in diesem Jahr wieder Fach- und Führungskräfte, um über die Automobilproduktion der Zukunft zu sprechen. Gemeinsam streben die Hersteller, Ausrüster und Zulieferer eine smarte, flexible und nachhaltige Produktion mit transparenter Lieferkette an. Seien Sie dabei und profitieren Sie vom kollektiven Fachwissen.

 

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Das Thema ChatGPT wird noch immer heiß diskutiert. Und mittlerweile sind auch kritische Stimmen laut geworden. Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Anwendung von generativer KI?

Genauso wie in unserem Alltag sehen wir Chancen und Risiken beim Einsatz von KI im Produktionsumfeld. Man sollte sich immer wieder vor Augen führen, dass die KI ein daten-gefüttertes Tool ist, und damit nicht originär Gedankengut schafft. Verzeihen Sie mir die Ausdrucksweise: „Shit in – shit out“. Und selbst, wenn alle einzelnen Daten, mit denen wir die Tools füttern, für sich genommen korrekt sind, können durch Assoziationen des Modells Fehler auftreten. Leider sind diese Fehler eingebettet in perfekte Sprache und somit nicht leicht erkennbar. Unter uns gesprochen ist das eine Herausforderung, der man auch im Umgang mit Menschen begegnen kann.

Zusätzlich ist einer der validen Kritikpunkte in der öffentlichen Nutzung generativer KI der Daten- beziehungsweise Urheberrechtsschutz der Quellen. In einem betrieblichen Anwendungsszenario werden solche Herausforderungen dadurch entschärft, dass zwar die öffentlich verfügbaren Large Language Models angewandt werden, aber auf Daten zurückgreifen, die dem anwendenden Betrieb gehören. Eine weitere zentrale Herausforderung ist jene der (Daten-)Sicherheit, wodurch für Unternehmen ein erhebliches Risiko entstehen kann. Zugriffsbeschränkungen im herkömmlichen Sinne laufen dem Prinzip der notwendigen Datendemokratisierung für LLM zuwider. Hierfür brauchen wir weiterreichende öffentliche und rechtliche Debatten, um Lösungen zu erarbeiten.

Warum haben Sie sich für eine Teilnahme am Automobil Produktion Kongress 2023 entschieden?

Der Automobil Produktionskongress ist für mich seit Jahren eine beständige Plattform für Austausch unter Entscheidungsträgern der Produktionswelt. Wertvolle Impulse und Netzwerkpflege bilden hier erfahrungsgemäß einen tollen Mehrwert für die tägliche Arbeit aller Besucher. Ich freue ich darauf, in diesem professionellen Umfeld innovative Impulse liefern zu können.

Zur Person:

Heiko Weber, Partner bei Berylls Strategy Advisor wird am 16. Mai auf dem Automobil Produktion Kongress in München über generative KI sprechen.
Auf dem Automobil Produktion Kongress in München am 16. Mai wird Heiko Weber ausführlich über generative KI sprechen. (Bild: Berylls)

Heiko Weber (1972), seit 2021 Partner bei Berylls Strategy Advisors, ist Automobilexperte in Operations. Er startete seine berufliche Laufbahn bei der damaligen DaimlerChrysler AG, für die er sieben Jahre tätig war und zuletzt die Qualitätssicherung und Produktion einer Motorenlinie verantwortete. Seit seinem Wechsel 2006 in die Beratung bringt er seine Erfahrung und Expertise in Projekte für Automobilhersteller sowie Zulieferer in Entwicklung, Einkauf, Produktion und Supply Chain ein.

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