Was musste man in den vergangenen 20 Jahren nicht für extravagante Honda-Modelle bestaunen? Die einst so coolen Japaner verloren sich orientierungslos zwischen Sportlichkeit, Designeskapaden und hybrider Extravaganz. Mit der aktuellen Modellgeneration kehrt Honda wieder zurück zu alter Stärke und zeigt mit dem e-Prototype, wie lässig ein Elektroauto wirklich sein kann. Denn Honda hat Zweifel daran, ob es sinnvoll ist, einen Luxus-SUV oder eine Mittelklasselimousine mit einem Elektroantrieb auf die Straße zu schicken. "Wir denken, dass ein Elektroantrieb in einem Kleinwagen deutlich mehr Sinn macht", so Kohei Hitomi, Projektmanager des Honda e, "die Leute fahren am Tag durchschnittlich kaum mehr als 40 Kilometer." Und für solche Strecken ist der Honda e genau der Richtige.
Die Reichweite von 200 Kilometer ist zwar alles andere als üppig; dürfte für die meisten Kunden aber ausreichen. Und seine Stärken hat der knapp vier Meter lange Japaner allemal in der City. Er hat den Coolheitsfaktor des ersten Minis, bietet Retro-Charme wie eine Toyota Celica und bietet im Alltag jede Menge Fahrspaß. 110 kW / 150 PS reichen allemal aus, um in der Innenstadt und wohl nicht nur dort mit dem kleinen Elektroflitzer flott und munter unterwegs zu sein. Dabei kann der elektrische Honda e seine üppigen 1,5 Tonnen Leergewicht überraschend geschickt überspielen. Dazu trägt die gute Gewichtsverteilung von 50:50 sowie der niedrige Schwerpunkt und der Hinterradantrieb bei. Die Motorleistung wird aus dem 35,5-kWh-Batteriepaket zwischen den Achsen direkt an die Hinterachse gebracht. 300 Nm maximales Drehmoment tun ihr Übriges, um mit dem Honda e bereits als Prototyp sehr flott unterwegs zu sein. Aus dem Stand spurtet der Hecktriebler nahezu lautlos bis auf Tempo 70, ehe auf dem Handlingkurs die ersten Kurven weiteren Geschwindigkeitsdrang stoppen. Eingelenkt wird ebenso flott wie beschleunigt. Das Fahrwerk ist komfortabel, aber nicht weich und die Wankbewegungen bleiben auch bei flotten Tempi überschaubar.
Der Fahrer kann für seine Tour die beiden Modi Normal und Sport anwählen, wobei sich der kleine Japaner im Normalmodus nahezu komplett mit dem Gaspedal fahren lässt. Die Fußbremse wird nur für starke Verzögerungen oder Notbremsungen gebraucht. Die Lenkung ist für ein Citymodell nicht zu leichtgängig und ein Wendekreis von 8,60 Metern macht den Honda in überfüllten Innenstädten nicht nur flott, sondern auch überaus wendig. "Dadurch, dass der Motor die Hinterachse antreibt, haben wir nicht nur eine bessere Traktion, sondern können die Räder auch um bis zu 45 Grad einschlagen", erklärt Techniker Takahiro Shinya. Schwupp eingeparkt oder schnell einmal gedreht. Klappt problemlos.
Plattform für mehr Elektromodelle
Das knuffige Äußere des Honda e soll mit der angedeuteten Kühlergrillbrille an die erste Generation des Honda Civic erinnern. Die kugelrunden Augen bringen viel Sympathie, die durch die coole Kühlermaske, das Designgegenüber am Heck und die knackigen Proportionen noch gesteigert wird. Für Hightech-Charme sorgen die fehlenden Außenspiegel, die durch kleine Digitalkameras ersetzt wurden und die schwarze Klappe auf der Fronthaube, wodurch sich der erste elektrische Serien-Honda in Nashornoptik laden lässt. "In einer halben Stunde lädt sich das Akkupaket bei entsprechender Schnellladung zu rund 80 Prozent wieder auf", legt Projektmanager Kohei Hitomi nach, "jeder will krampfhaft Reichweite haben, aber das macht die Autos nur größer und schwerer. Wir wollen diesem Trend entgegenwirken." Die letzten 20 Prozent dauern wie bei allen Elektromodellen dann allerdings deutlich länger.
Der Innenraum ist puristisch und chic zugleich. Es gibt neben einem durchgehenden Panel in Holzoptik drei übersichtliche Displays und einfache Bedienfunktionen per Touchfunktion. So gibt es auch für den Beifahrer und die Passagiere im Fond einiges zu sehen. Per Fingerstreich lassen sich über Apps in Kacheloptik die wichtigsten Funktionen steuern. Fahrprogramm und Feststellbremse lassen sich auf einer kleinen Insel zwischen den Frontsitzen bedienen - ebenfalls mit Holzumrandung. Die Sitze sind bequem, aber recht konturlos und zu groß sollte man schon wegen der Oberschenkelauflage nicht sein. Trotz der überschaubaren Dimensionen gibt es ausreichend Platz für vier Personen; auch weil der fehlende Kardantunnel nach hinten keinerlei Raum wegnimmt. Das Auto steht auf einer neuen Elektroplattform, die eigens für Modelle wie den Honda e entwickelt wurde. Und der Honda e ist erst der Anfang, denn ein kleiner SUV ist ebenso in Vorbereitung wie ein Roadster.
Ein Schnäppchen wir der Honda e nach seiner Weltpremiere auf der Frankfurter IAA im September und dem Marktstart im März 2020 nicht werden. Aktuell ist davon auszugehen, dass es je nach Ausstattungsvariante zwischen 30.000 und 35.000 Euro losgeht. Damit tritt der Honda e gegen Modelle wie Opel Corsa, Peugeot 2008 oder den VW ID 3 an. "Für Technologie sind die Menschen auch bereit, Geld auszugeben. Aber das Preis-Leistungsverhältnis muss stimmen", sagt Chefdesigner Ken Sahara.