Mit den Black Badge-Modellen will Rolls-Royce weg vom gediegen antiquierten Image und ein jüngeres Publikum ansprechen. Einen Touch von Bad Boy sollen sie vermitteln: Hochglänzend schwarz verchromter Kühlergrill, schwarze Emily, das doppelte R auf schwarzem Grund, das Symbol für Unendlichkeit als Logo eingestickt auf Rückenlehnen und eingraviert in den Türschwellern - ein Alter Ego von Rolls-Royce, sagt Torsten Müller-Ötvös, Chef der britischen Edelmarke.
Nach Wraith, Ghost und dem Cabriolet Dawn macht künftig auch der Cullinan auf böser Junge. Der Edel-SUV, der ansonsten eher wirkt wie eine rollende Burg, kommt als Black Badge-Version überraschend cool und relaxt daher. Dabei liegen zwischen der Kühlerfigur "Spirit of Ecstasy" und den aufrecht stehenden Heckleuchten nach wie vor fast 5,4 Meter Auto - und was für ein Auto. Hinter dem traditionell steil aufragenden Kühlergrill arbeitet sich ein V12-BiTurbo-Triebwerk mit Direkteinspritzung souverän an den knapp 2,7 Tonnen Lebendgewicht ab. Seine 6.749 Kubikzentimeter Hubraum reichen sonst locker für sechs Kleinwagenmotoren und liefern 441 kW/600 PS Leistung sowie ein maximales Drehmoment von 900 Nm. Das sind 29 PS und 50 Newtonmeter mehr als beim Cullinan sonst üblich.
In den üppigen Radkästen laufen geschmiedete 22-Zoll-Räder, zwischen deren Speichen - erstmals in der Unternehmensgeschichte - knallrote Bremssättel hervorleuchten. Deren roter Lack wurde eigens entwickelt, um den hohen Temperaturen standzuhalten. Mit 1,84 Metern Höhe überragt der Cullinan problemlos einen durchschnittlich gewachsenen Mitteleuropäer. Zumindest darin allerdings täuscht der Name: Schwarz ist keineswegs die einzige Farbe, in der man den Cullinan Black Badge bestellen kann - es gibt ihn in allen 44.000 Lackfarben, die Rolls-Royce auch sonst anbietet. Und wer es sich leisten kann, der bekommt sogar eine eigene Farbe nur für sich - alles in mehreren Farbschichten aufgetragen und zehn Mal sorgsam von Hand poliert. Wem das immer noch nicht reicht, der kann als Kontrast die Coach Line ordern. Diese leicht erhabene Linie wird im Werk Goodwood von zwei eigens dafür drei Jahre lang geschulten Mitarbeitern entlang der beiden Fahrzeugseiten aufgetragen.
Innen der gewohnte Luxus, gepaart mit cleveren Ideen. Beispiel Sitze: Sie sind so weit in Richtung Tür gerückt, dass man besonders bequem ein- und aussteigen kann. Und die wie gewohnt gegenläufigen Türen selbst reichen so weit nach unten über die Schweller hinweg, dass man sich auch nach einer Ausfahrt ins Gelände die Hose nicht schmutzig machen kann. Innen herrscht die Atmosphäre eines britischen Clubs: breite und bequeme Sitze, ein gut gekühltes Fach für den Champagner samt Gläsern, weiches, handschmeichelndes Leder rundum, analoge Uhr und Anzeigen. Der Navigationsbildschirm verschwindet hinter einer Klappe im Armaturenbrett, wenn er nicht gebraucht wird, in den Rücklehnen der vorderen Sitze verbergen sich elektrisch ausfahrbare Tischchen und Tablet-Computer. Und Platz ist natürlich mehr als reichlich.
Da wo kein Leder ist, setzen die Designer auf Carbon-Furniere - jedes mit sechs Lackschichten überzogen, 72 Stunden ausgehärtet und sorgsam von Hand poliert. 21 Tage dauere das, erklärt Rolls-Royce und alle 23 Carbonteile im Fahrzeug würden anschließend von Spezialisten auf gleichmäßige Reflexion geprüft. Ein besonderes Highlight ist der "Starlight Headliner". 1.344 Glasfaserlichter sorgen für die Illusion eines nächtlichen Sternenhimmels. Beim Start des Motors huschen sogar ein knappes Dutzend Sternschnuppen über die Köpfe der vorderen Passagiere hinweg. Klingt kitschig - hat aber real einen hohen Suchtfaktor und ist vor allem bei Fahrten in der Dunkelheit einfach grandios.
Der Laderaum fällt mit einem Fassungsvermögen von 526 bis 1.930 Liter angesichts der sonstigen Dimensionen des Cullinan groß, aber nicht gerade üppig aus. Aber er kann im Luxussegment mithalten. Bentleys Bentayga etwa ist mit 427 bis 1.770 Liter deutlich kleiner. Cadillacs Escalade dagegen schluckt 1.113 bis 3.424 Liter. Dafür bietet der Cullinan gegen rund 14.000 Euro Aufpreis ein ganz besonderes Gimmick fürs Heck: Auf Knopfdruck lassen sich zwei Ledersitze und ein kleiner Tisch ausfahren - perfekt für Picknick und Polo.
Beliebig aufstockbar
Wer Rolls-Royce früher nach der Leistung des Motors fragte, bekam als lapidare Antwort stets ein "Genügend". Nun stehen die Zahlen schwarz auf weiß im Leistungsheft - und genügend sind sie allemal. Wer den Startknopf drückt, der vernimmt zunächst ein leises, sehr leises dunkles Grollen. Zwölf Zylinder arbeiten da, akustisch perfekt gedimmt. Selbst, wenn man Vollgas gibt, wird es innen nicht mehr sehr viel lauter. Und Vollgas heißt: In 4,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h - ohne Rücksicht auf 2,7 Tonnen Gewicht und den Luftwiderstand einer Wohnzimmeranrichte. Der offizielle Verbrauch im Drittelmix: 15,1 Liter auf 100 Kilometer. Mit einer Zwei vorne muss man im realen Fahrbetrieb allerdings immer rechnen - Super Plus, versteht sich.
Der Cullinan liefert beim Fahren genau die Leichtigkeit und Agilität, die er verspricht. Überholen schien bei unserer Testfahrt auf den Straßen der Emilia-Romagna fast unmöglich - erst recht, drei Sattelzüge auf einmal. Der Cullinan schafft das souverän, selbst bergaufwärts. Und dank Hinterradlenkung wieselt er locker-flockig durch die Serpentinen. Man vergisst schnell, dass man da den Gegenwert eines freistehenden Einfamilienhauses um die Kurven jagt. Die speziell abgestimmte 8-Stufen-Automatik von ZF kommt bestens mit dem Drehmoment von bis zu 900 Nm klar und hat mit "Low"-Taste sogar so etwas ähnliches wie einen Sportmodus: Die Gänge wechseln etwas später und aus dem Auspuff grollt es noch einen Tick tiefer.
Wer "einen Rolls" neu kauft, den beeindruckt kaum einmal der Preis. Entsprechend werden für den Cullinan Black Badge mindestens 374.255 Euro fällig - als Basispreis und nach Art des Hauses beliebig aufstockbar. Aber auch so sind das schon rund 60.000 Euro mehr als ein Cullinan ohne Black Badge.