2016 veröffentlichte das Start-up Uniti erste Computerretuschen eines als revolutionär angepriesenen E-Autos, von dem am Ende wenig mehr als heiße Luft übrig bliebt

2016 veröffentlichte das Start-up Uniti erste Computerretuschen eines als revolutionär angepriesenen E-Autos, von dem am Ende wenig mehr als heiße Luft übrig bliebt (Bild: Uniti)

Blickt man zurück, erscheint der Hype um die zahlreichen Startups im Mobilitätssektor vor allem während der 10er-Jahre wie ein großer kollektiver Rausch voll realitätsfremder Zuversicht. In den Jahren nach der Lehman-Krise stieg die Zahl der Firmenneugründungen im Automotive-Bereich, oft mit Weltverbesser-Agenda, sprunghaft an. Motiviert und charismatisch auftretende Jungunternehmer verkauften die Idee, in irgendeiner Weise dem Beispiel von Tesla folgen zu können. Das Medienecho war in einigen Fällen riesig und rückblickend oftmals übertrieben euphorisch. Doch angesichts der sich anbahnenden Elektro-Revolution sowie den Erwartungen an eine tiefgreifende Mobilitätswende schienen sich damals viele neue Chancen zu eröffnen.

Auch aufgrund dieser Stimmung waren Investorengelder während dieser Zeit vergleichsweise leicht verfügbar. Mittlerweile ist allerdings klar, dass sich allzu viele viel zu viel zugetraut haben. Gerade in der jüngeren Vergangenheit mehrten sich die Beispiele von Newcomern, die über Jahre zäh darum gerungen haben, ein vielleicht zukunftsweisendes Auto zumindest in die Nähe einer potenziellen Serienreife zu bringen, um letztlich doch weit vor diesem Punkt zu scheitern. Vor dem Scheitern ging es oft über Jahre hinweg nur noch ums Hinhalten der Investoren mit teilweise halbseidenen Wasserstandsmeldungen und um das Ringen weiterer Gelder. Als dann Corona, Lieferkettendrama und Zinswende kamen, ging selbst den als hoffnungsvoll eingestuften Projekten allmählich die Luft aus.

Einige der in jüngster Zeit gescheiterten Projekte umweht ein gewisses Geschmäckle, dass zu blauäugig den Verheißungen Glauben geschenkt und dieses von den Machern ausgenutzt wurde. Die Grenzen zwischen aufschneiderischem Anpreisen einer im Ursprung vielleicht guten Idee gegenüber potenziellen Kunden und Geldgebern, Scharlatanerie oder schon betrügerischen Verhalten verschwimmen im Rückblick. Wenn der vermeintliche Hoffnungsträger beginnt, mit Blendwerk zu täuschen, dieses falsche Spiel jedoch enttarnt wird, kann das junge Unternehmen von einen auf den nächsten Augenblick implodieren, wie etwa der Fall des schwedischen Startups Uniti zeigt.

So lief der Fall Uniti

One hieß der 2017 erstmals öffentlich vorgestellte Budget-Stromer, der mit einigen interessanten Innovationen aufwarten konnte. Nach den aus heutiger Sicht pompös erscheinenden Ankündigungen hätte Uniti das nächste große Ding nach Tesla werden sollen. Über mehrere Jahre hinweg blieb es bei faszinierenden, doch letztlich substanzlosen Shows des charismatischen wie redegewandten Gründers Lewis Horne. Ein ehemaliger PR-Mitarbeiter von Uniti wendete sich Ende 2021 mit internen Einblicken an die Presse und plauderte über die vielen Luftschlösser, die Horne baute. Anfang 2022 folgte eine Enthüllungsstory des schwedischen Magazins Filter, die unter anderem davon berichtete, dass unter der Blechhaut vorgeblicher One-Prototypen in Wirklichkeit der chinesische Billigstromer Zhidou D3 steckte.

Als das Blendwerk publik wurde, wurde es schlagartig still um Uniti. Im Frühjahr 2022 folgten Pleite und Liquidierung. Horne segelte in die Karibik auf einem Boot, von wo aus er im Mai 2022 ein erstes Video einer als Serie angedachten Enthüllungsgeschichte auf Youtube postete, um der Öffentlichkeit seine Sicht zu den Ereignissen der Uniti-Pleite zu schildern. Die angekündigten weiteren Teile blieb Horne bis heute schuldig, auch sein Twitter-Kanal ist seither verstummt, die Webseite und der Linkedin-Account von Uniti sind verschwunden. Den damals übertriebenen Hype um das Startup erklärte der ehemalige PR-Manager von Uniti mit dem Charisma des Firmengründers: „Lewis könnte Ihnen einen Bleistift für eine Million Dollar verkaufen.“

Auch das Anfang 2023 endgültig gescheiterte Solar-Elektroauto Sion der 2016 in München gegründeten Firma Sono Motors hat neben Verkehrswende-Apologeten, Investoren und potenziellen Käufern auch Aktionäre ernüchtert und zudem um einige Euro ärmer zurückgelassen. 2016 kündigte das Start-up an, einen lediglich 12.000 Euro teuren E-Van mit einer Solar-Außenhaut für eine autarke Stromversorgung 2019 auf den Markt bringen zu wollen. Zur Finanzierung wurden zunächst per Crowdfunding-Aktion auf Indiegogo aus heutiger Sicht bescheiden anmutende 200.000 Euro eingesammelt. Danach folgte über Jahre hinweg ein Schlingerkurs, in dessen Verlauf der Produktionsstart des Sion immer weiter verschoben wurde, während der Kaufpreis für das Fahrzeug auf erst 16.000 bis zuletzt 30.000 Euro stieg. Sono Motors, mit seiner zwischenzeitlich auf über 400 Mitarbeiter angewachsenen Belegschaft, benötigte immer wieder frisches Geld in immer größeren Mengen.

2019 kam es zum ersten publik gemachten finanziellen Engpass. Damals rettete eine weitere, 53 Millionen Euro schwere Crowdfunding-Aktion das Unternehmen. Ende 2021 folgte dann sogar ein Börsengang an der US-Technologiebörse Nasdaq, bei der Sono Motors 135 Millionen US-Dollar einsammelte. Im Geschäftsjahr 2022 wies das Unternehmen nach bereits drei Quartalen allerdings Verluste von mehr als 100 Millionen Euro aus. Eine Ende 2022 gestartete Geldsammel-Kampagne zur „Rettung“ des Solarmobil-Projekts brachte nochmals 48 Million Euro zusammen, 105 Millionen wurden allerdings gebraucht. Im Februar 2023 wurde das Auto-Projekt endgültig begraben. Im Mai 2023 folgte ein Insolvenzantrag. Ob und wieviel die zahlreichen Geldgeber am Ende von ihren Investitionen zurückbekommen werden, bleibt abzuwarten. Die Aktie wurde 2021 mit 15 Dollar ausgegeben, kurzzeitig stieg ihr Kurs auf über 20 Dollar. Seit März 2023 dümpelt sie um 30 Cent vor sich hin. Noch bleibt die Hoffnung, das Sono Motors seine Kompetenz im Bereich Automotive-Solarzellen als einen zukunftsträchtigen Geschäftszweig etablieren kann.

Unu ist ein positives Beispiel

Die Gründe für das Scheitern von E-Auto-Startups sind vielfältig, in vielen Fällen wohl auch in ihrer Dynamik individuell zu betrachten. Pascal Blum hat es hingegen geschafft, mit der E-Rollermarke Unu einen 2012 neugegründeten Fahrzeughersteller im New-Energy-Sektor nachhaltig am Markt zu etablieren. Allerdings kostete der Versuch, in der Coronazeit ein selbstentwickeltes Rollermodell auf den Markt zu bringen, seiner Firma viel Kraft. Blum war dabei auch mit Problemen konfrontiert, die auch das Scheitern einiger Startups im Automotive-Bereich begünstigt haben. In einem Interview im April 2023 nannte Blum einige Gründe für deren Probleme: „Wir haben selbst gesehen, wie teuer und aufwendig es ist, Fahrzeuge selber zu entwickeln. Als kleines Unternehmen hat man kaum Vorteile gegenüber einem großen Anbieter. Während Start-ups im Software-Bereich oftmals Vorteile haben, weil sie viel agiler sein und außerdem viel günstiger und schneller entwickeln können, ist das im Fahrzeugbereich überhaupt nicht der Fall. Dort ist es vielmehr so, dass man als kleiner Anbieter Mehrkosten hat, weil man nicht die Stückzahlen hat. Oder einfach auch langsamer agiert, weil gewisse Zulieferer einen depriorisieren, oder gewisse Komplexitäten eine Kompetenz erfordern, die man erst mit einem Team von mehreren hundert Leuten erreichen kann. Der Agilitäts- und Kostenvorteil ist bei Fahrzeugentwicklung bei kleinen Unternehmen gleich null.“

Tesla hat es im Mobilitätsbereich als erste Firma seit über 50 Jahren geschafft, von einem kleinen, experimentierfreudigen Startup zum relevanten Player aufzusteigen und die als unangreifbar geltenden, etablierten Konzerne zu düpieren. Dieser Erfolg hat eine Zeit lang die Fantasie vieler beflügelt. Doch mittlerweile dürfte vielen klar geworden sein, dass für die Entwicklung von Autos weit mehr als nur ein paar gute Ideen und selbstbewusste Ideenverkäufer nötig sind. Ein Aufstieg wie der von Tesla dürfte sich jedenfalls nicht so schnell wiederholen. Und selbst Tesla konnte erst ab 2021 Gewinne verbuchen.

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