Luftaufnahme der Giga-Factory in Berlin-Brandenburg, großer Hallenkomplex in mitten von Laubbäumen

Noch ist die neue Giga-Factory in Berlin nicht komplett ausgelastet - das soll sich im nächsten Jahr ändern. (Bild: Tesla)

Wenn der Chef eines Automobilkonzerns gleichzeitig zu den drei reichsten Menschen der Welt zählt, ist weltweites Dauerrampenlicht vorprogrammiert. Wenn dieser Mensch dann – anders als seine Tabellennachbarn im Reichen-Ranking – nicht besonders zurückhaltend oder seriös wirkt, sondern Elon Musk heißt und die wohl am stärksten polarisierende Person ist, die zurzeit auf der Erde wandelt, wundert es nicht, dass seine Automarke viel Gegenwind ertragen muss. Insbesondere dann, wenn das Unternehmen nach Jahren des extremen Wachstums plötzlich nicht mehr nur mit angegriffenen Werken oder zurückgerufenen Modellen in den Schlagzeilen steht, sondern erstmals tatsächlich aufgrund rückläufiger Zahlen. Immer, wenn es um Tesla geht, explodiert das Internet voller Meinungen, Analysen und Einordnungen. Fans der ersten Stunde verteidigen den OEM gegen jede Kritik, während die andere Seite in den 386.810 ausgelieferten Autos im ersten Quartal 2024 den Anfang vom Ende der Tesla-Ära zu verstehen glaubt.

Tesla zwischen Rekordjahr und Stellenstreichungen

Versuchen wir es also zur Abwechslung mal mit ein wenig Neutralität und nüchterner Betrachtungsweise. Tesla baut das beliebteste Auto der Welt. Das Model Y war 2023 nach Zählungen von Jato mit 1,23 Millionen Einheiten Weltmeister. Inmitten der Flut an Rekordmeldungen, die das US-Unternehmen in den vergangenen Jahren produziert hat, droht diese Nachricht fast unterzugehen, dabei ist sie kaum hoch genug einzuordnen. Gleichzeitig könnte sie vorläufig eine der letzten Rekordmeldungen bleiben. Zwar schrieb Tesla 2023 abermals herausragende Zahlen – die Produktionszahlen stiegen im Jahresvergleich um 35 Prozent, die Auslieferungszahlen sogar um 38 Prozent. Im vergangenen Jahr hatte Tesla nach mehreren Preissenkungen das Auslieferungsziel von 1,8 Millionen Elektroautos geschafft. Der Umsatz stieg im Jahresvergleich um drei Prozent auf 25,17 Milliarden Dollar, wobei Analysten im Schnitt eher mit Erlösen von fast 25,9 Milliarden Dollar gerechnet hatten. 2024 ist bis dato jedoch von Negativschlagzeilen geprägt. Hierzulande stand der Angriff auf die Stromversorgung des Werks in Grünheide besonders im Fokus, wodurch Tesla Milliardenverluste verzeichnen wird. Die jüngste Hiobsbotschaft betrifft die weltweite Belegschaft des Elektroautobauers. Firmenchef Musk verkündete per Rundschreiben, dass zehn Prozent aller Mitarbeiter entlassen werden müssten – das wären rund 14.000 Stellen. Offiziell bestätigt ist das zwar noch nicht, dennoch passt die Meldung ins aktuelle Bild.

Tesla Semi-Truck an Ladesäule, Foto auf leerem Parkplatz in der Wüste
Tesla's neuer Semi-LKW soll Gütertransporte über weite Strecken elektrifizieren. (Bild: Tesla)

BYD kratzt an Teslas Thron

Anfang des Jahres musste Tesla bei Fahrzeugen in China nachjustieren. Bei mehr als 1,6 Millionen importierten Autos der Serie Model S, Model X und Model 3 sowie in China produzierte Model-3- und Model-Y-Fahrzeugen gab es ein Problem mit der automatischen Lenkfunktion. Ohnehin gibt es für Tesla zunehmend Konkurrenz auf dem Markt der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt – vor allem durch den heimischen Autobauer BYD. Die Chinesen verkauften im vierten Quartal 2023 mehr als 526.000 E-Autos und zogen an Tesla vorbei auf den Spitzenplatz. Im gesamten Jahr 2023 lag Tesla mit 1,81 Millionen Fahrzeugen zwar noch vorn – aber es ist absehbar, dass BYD die Nummer eins werden wird. Wie groß Musk die Bedrohung durch die chinesischen Player erachtet, wurde auch in einer Telefonkonferenz mit Analysten im Januar deutlich. Chinesische Autohersteller sind nach seiner Einschätzung so stark, dass der Großteil der Branche ohne Handelsbarrieren keine Chance gegen sie hätte. „Wenn es keine Handelsschranken gibt, werden sie die meisten anderen Autofirmen in der Welt so ziemlich zerstören", prognostizierte der Tech-Milliardär.

Bereits im vierten Quartal verfehlte der Elektroautohersteller die Erwartungen der Anleger, ein Absatzziel für dieses Jahr gibt es nicht - aber das Eingeständnis, dass die Auslieferungen merklich langsamer wachsen werden. Doch Musk zeichnet weiter ein rosiges Bild für die Zukunft: Tesla sei nur zwischen zwei Wachstumswellen, entwickele ein revolutionäres Produktionssystem und könne zum wertvollsten Unternehmen der Welt werden. Mit dem neuen Produktionsverfahren soll unter anderem ein günstigeres Kompaktmodell gebaut werden. Die Fertigung solle nach aktueller Planung im zweiten Halbjahr 2025 im texanischen Austin beginnen, sagte Musk. Zugleich schränkte er ein: "Ich bin oft optimistisch, was die Zeit angeht."

Nun soll es ausgerechnet der Autopilot richten

Auf der gleichen technischen Basis wie das günstigere Modell will Musk nach früheren Angaben auch ein Robotaxi ohne Lenkrad und Pedale bauen. Dafür müsste Tesla aber zunächst einmal die von Musk schon seit Jahren in Aussicht gestellte Technologie zum autonomen Fahren entwickeln. Tesla hat zwar eine fortgeschrittene Version seines Assistenzsystems Autopilot mit der Bezeichnung „Full Self-Driving“ (FSD). Anders als der Name verspricht, macht die Technik einen Tesla aber nicht zum wirklich autonomen Auto: Der Fahrer trägt immer noch die Verantwortung und muss jederzeit bereit sein, die Kontrolle zu übernehmen. Aber FSD ist immerhin darauf trainiert, etwa Ampeln und Vorfahrt-Regeln zu beachten. Allerdings ist die Software weiterhin in einer Testphase und macht Fehler – während Musk immer wieder verspricht, dass sie bald fertig sein werde – typisch Tesla.

Trotz all dieser Widersprüche und negativen Meldungen, gibt es Gründe, die Hoffnung auf Besserung mit sich bringen, wenn auch nicht unbedingt kurzfristig. Zwar gab es jüngst Berichte, die den Plan, den Tesla unterhalb von 25.000 Dollar zu bauen, schon wieder für beendet erklärt haben. Wie es wirklich darum steht, weiß am Ende nur einer. Und so exzentrisch und unberechenbar dieser Mann auch ist, so ist er gleichzeitig nach wie vor das größte Ass im Ärmel seiner eigenen Firma. Denn anders als die meisten seiner CEO-Kollegen, ist Musk nicht nur Manager, sondern gleichzeitig Visionär und Kommunikator.  So sorgt er regelmäßig selbst dafür, dass negative Gerüchte schnellstmöglich im Keim erstickt werden. In diesem Falle dadurch, dass er die Premiere von Teslas Robotaxi für den 8. August 2024 per X (ehemals Twitter) ankündigte.

Tesla Cybertruck, SUV mit spitzem Dach auf Landstraße in Wüstengegend
Bei dem amerikanischen Automobilhersteller soll es in Bereichen wie Rendite oder Produktions- und Absatzzahlen stetig nach oben gehen. (Bild: Tesla)

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