Gerd Rupp, seit 2017 Geschäftsführer der Porsche Leipzig GmbH, in einer Gesprächssituation.

Gerd Rupp ist seit 2017 Geschäftsführer der Porsche Leipzig GmbH und damit auch Werkleiter des Standorts. (Bild: Porsche)

Automobil Produktion Kongress 2024

Automobil Produktion Kongress 2024

Am 16. und 17. Mai 2024 treffen sich auf dem Automobil Produktion Kongress in München auch in diesem Jahr wieder Fach- und Führungskräfte, um über die Automobilfertigung der Zukunft zu sprechen. Gemeinsam streben Hersteller, Zulieferer und Dienstleister eine smarte, flexible sowie nachhaltige Produktion mit transparenter Lieferkette an. Seien Sie dabei und profitieren Sie von kollektiven Branchenwissen. 🎫 Jetzt Ticket sichern!

Herr Rupp, beim Blick ins Porsche Werk in Leipzig wird schnell deutlich: Sie wappnen sich für die Produktion von Elektromodellen. Welche Anpassungen waren in der Fabrik dafür nötig?

Eine gewisse Erfahrung im Bereich Elektromobilität haben wir bereits in den vergangenen 14 Jahren durch die Fertigung von Hybridfahrzeugen gesammelt. Der Weg in die Vollelektrifizierung war allerdings noch einmal eine große Transformation für den Standort. Wir haben vor etwa drei Jahren mit einer umfassenden Qualifikations- und Kommunikationsoffensive gestartet. Ziel war es, alle Mitarbeiter hier im Werk frühzeitig mitzunehmen und ihnen zu erklären, was die E-Mobilität für jeden einzelnen bedeutet. Schließlich sprechen wir über große Veränderungen und ganz neue Anforderungen an das Team.

Die Menschen hier im Werk sind ein Aspekt, über den wir später noch sprechen werden. Es waren doch aber sicherlich auch technische Anpassungen am Standort notwendig…

Mit der fünften Werkserweiterung haben wir den Standort E-ready gemacht. Porsche hat rund 600 Millionen Euro investiert, damit wir mit dem elektrischen Macan ein E-Fahrzeug auf der neuen PPE (Premium Platform Electric, Anm. d. Red.) hier in Leipzig fertigen können. Dazu gehört unter anderem ein neuer Karosseriebau. Der neue Macan hat eine komplexe Mischbauweise, mit allen Verbindungstechniken, die derzeit State of the Art sind. Außerdem haben wir in die Lackiererei sowie in der Montage Anpassungen für das neue Fahrzeug vorgenommen. Vor allem im Bereich der Fahrwerksaufrüstung und der Hochzeit waren einige Umbauten notwendig, damit wir drei unterschiedliche Antriebsarten flexibel auf einer Linie fertigen können.

Sie sprechen es an: Die Fertigung auf einer gemeinsamen Linie ist sehr komplex. Wieso haben Sie sich dafür entschieden?

Unser Ziel war es, die Montage maximal flexibel aufzustellen. 2024 startet das Werk in den Anlauf des elektrischen Macan. Der Verbrenner-Macan wird parallel temporär weiter produziert. Den Panamera produzieren wir in seiner dritten Generation als Verbrenner- und Hybridvariante in Leipzig.

Was man auf den ersten Blick nicht sieht: Auch der zunehmende Umfang an Fahrzeugsoftware stellt einen Produktioner vor Herausforderungen. Eine Inbetriebnahme der Fahrzeuge nach der Fertigung kommt aufgrund der langen Aktivierungszeiten der Softwareumfänge nicht mehr infrage. Wie gehen Sie damit um?

Die Abläufe der Inbetriebnahme sind komplexer geworden. Die Fahrzeuge werden in der Linie sukzessiv in Betrieb genommen. Die Steuergeräte im Fahrzeug kommen mit den maximal möglichen Softwareumfängen vorinstalliert bei uns an und werden dann schrittweise aktiviert. In diesem Zusammenhang war wichtig, die Mitarbeiter in den Themenfeldern Fahrzeugkonnektivität und Software zu qualifizieren. Wir sind vor rund drei Jahren sehr umfassend in das Thema Elektrik/Elektronik/Software eingestiegen.

Die Qualifizierung der Menschen hier im Werk ist jetzt mehrfach angeklungen. Wie genau sieht Ihre Roadmap aus?

Wir haben uns in einem ersten Schritt intensiv darüber informiert, was in Punkto elektrischer Fahrzeugplattform und neuer Elektronik-Architektur überhaupt auf uns zukommt. Die PPE ist schließlich eine Neuentwicklung im Konzern und wir mussten bewerten, welche Anforderungen diese Plattform an uns als Werk stellt. So waren zum Beispiel Mitarbeiter temporär bei der Technischen Entwicklung in Stuttgart vor Ort, um die neuen Anforderungen des Fahrzeugs zu verstehen. Anschließend haben wir uns organisatorisch entsprechend aufgestellt. Abteilungen wurden umstrukturiert, Know-how aufgebaut. Ich würde sagen: Heute ist jeder, der mit dem neuen Fahrzeug im Werk in Berührung kommt, sehr gut vorbereitet.

Vor allem die umfangreiche und transparente Kommunikation hat dazu beigetragen, dass das Porsche Werk Leipzig die renommierte Auszeichnung „Fabrik des Jahres“ gewinnen konnte. Was macht für Sie den besonderen Spirit am Standort aus?

Mit 22 Jahren Produktion in Leipzig sind wir noch ein sehr junges Werk – mit einer noch recht jungen Mannschaft. In den vergangenen Jahren durften wir uns immer wieder bewähren, haben uns kontinuierlich neuen Aufgaben gestellt. Wir haben im Jahr 2002 mit der Endmontage des Cayenne klein angefangen. Schrittweise haben wir uns als Team bewiesen, neue Herausforderungen haben uns angespornt. Das sorgt für eine enorme Eigenmotivation der Belegschaft, die ich versuche, permanent hochzuhalten.

Wie gelingt Ihnen das?

Viele Innovationen hier im Werk sind komplette Eigenentwicklungen. Es gibt eine hohe Dynamik in den Teams, die mich sehr begeistert. Projekte werden zum Beispiel über Innovationskreise oder das Porsche Ideenmanagement gesteuert und prämiert. Es gibt klare Prozesse und Verantwortlichkeiten, welche die Teams fordern - und ihnen zugleich Raum für Wertschätzung eröffnen. Ich habe bereits viele Werke auf dieser Welt gesehen, aber die Eigenmotivation hier in Leipzig ist schon etwas Besonderes. Herausforderungen sehen wir nicht als Problem, sondern als Ansporn. Das macht das Team hier aus.

Ist das auch einer der Gründe dafür, warum das Werk in Sachen Smart Factory besonders affin scheint?

Definitiv! Wie gesagt, wir sind noch ein recht junger Standort. Die permanente Weiterentwicklung liegt uns im Blut. Als ich 2017 in Leipzig als Werkleiter gestartet bin, hatten wir noch viele analoge Prozesse im Werk. Das wollte ich mit dem Team ändern. Damals sind wir die vielversprechendsten Projekte angegangen, um die Fabrik weiter zu digitalisieren. Das Thema Nachhaltigkeit kam später als Imperativ hinzu und hat der Transformation zur Smart Factory einen zusätzlichen Boost gegeben. Aber der erste Anstoß war tatsächlich die Frage: Wie können wir noch effizienter fertigen. Auch in diesem Bereich hat sich dann eine tolle Eigendynamik eingestellt. Heute definieren wir jährlich Kernprojekte. Da haben wir einen hohen Anspruch an uns. Wir wollen die Themen angehen, die direkt einen spürbaren Impact haben.

Wo steht denn derzeit der Ladebalken auf dem Weg zu einer volldigitalisierten Fabrik?

Wir sind weit gekommen in den vergangenen sechs Jahren. Luft nach oben gibt es immer. Mit der Digitalen Produktionsplattform, die Porsche auch in Zuffenhausen nutzt und die darüber hinaus auch Konzern-weit implementiert wurde, haben wir beispielsweise ein wesentliches Tool zur zentralen Fabriksteuerung und Enabler der Industrie 4.0

Welche Rolle spielt das virtuelle Spiegelbild eines Werks? Beim Blick ins Werk scheint man an einigen Stellen schon recht weit zu sein…

Wir haben die klare Vision einer komplett digitalen Spiegelung des gesamten Werks. Wie Sie schon sagen, ist das an einigen Stellen bereits der Fall. Aber insgesamt ist noch ein Weg zu gehen. Das virtuelle Spiegelbild ist ein enorm wichtiger Aspekt in der Smart Factory. Die Smart Factory steht für durchgängig verfügbare, sichere und gut aufbereitete Daten und eine schlanke, End-to-End geplante Produktion. Mit ihr verfolgt die Porsche Produktion die Vision einer intelligent vernetzten Fabrik. Bei der Fabrik-Vernetzung beziehen wir auch unsere Partner mit ein wie etwa das Joint Venture ‚Smart Press Shop‘, wo wir die Karosserie-Teile für unsere Modelle fertigen.

Nach unserer Wahrnehmung erfährt der Lean-Begriff eine gewisse Renaissance. Wie schlank ist Ihr Standort?

Wir haben klare Produktivitätsziele. Diese verfolgen wir stringent. Die Basis für Lean Management ist für mich Ordnung und Sauberkeit. Erst in einer organisierten und sauberen Umgebung gibt es Raum, um produktiv und schlank arbeiten zu können. Wichtig ist für mich aber auch, dass wir die Produktivität nicht um jeden Preis erhöhen. Wenn unser Qualitätsanspruch darunter leidet, hat Lean Production keinen Mehrwert. Produktivität und Qualität müssen Hand in Hand gehen.

Gemeinsam mit „Lean“ und „Digital“ vervollständigt „Green“ den Strategiedreiklang. Welche Nachhaltigkeitsmaßnahmen verfolgen Sie in Leipzig?

Langfristig ist das Ziel klar die „Zero Impact Factory“. Wir arbeiten kontinuierlich daran, den CO2-Fußabdruck entlang der Wertschöpfungskette so weit wie möglich zu reduzieren. In den vergangenen Jahren haben wir zum Beispiel zahlreiche neue Messpunkte in der Fertigung etabliert, um das Energiemanagement noch effizienter gestalten zu können. Ein Biomassekraftwerk sowie Photovoltaikanlagen auf unseren Karosseriebauten sind nur einige der Puzzleteile der Vision der Zero Impact Factory.

Zum Abschluss: Wir haben über den Award „Fabrik des Jahres“ bereits gesprochen. Wie wichtig ist Ihnen persönliche eine solche Auszeichnung?

Es ist eine tolle Bestätigung für das gesamte Team hier am Standort. Wir haben in den vergangenen 22 Jahren sehr viel erreicht, haben zahlreiche Werkserweiterungen gemeistert. Wir haben uns zum Vollwerk für Verbrenner-, Hybrid und Elektrofahrzeuge entwickelt. Ich sehe uns sehr gut aufgestellt für die Zukunft.

Zur Person:

Gerd Rupp

Gerd Rupp hat sich zu einer führenden Persönlichkeit in der Automobilindustrie entwickelt. Seit Juli 2017 bekleidet er die Position des Vorsitzenden der Geschäftsführer bei der Porsche Leipzig GmbH. Davor war Rupp bei Volkswagen in Wolfsburg als Leiter des Werkzeugbaus tätig, eine Position, die er seit Juni 2010 innehatte, nachdem er verschiedene leitende Funktionen bei Audi in Ingolstadt und Barcelona ausgeübt hatte. Seine Laufbahn begann nach dem Abschluss als Diplom-Ingenieur in Elektrotechnik an der Fachhochschule Coburg im Jahr 1995. Rupp startete im Modell- und Formenbau bei Misselbeck, bevor er schnell in Führungspositionen aufstieg, zunächst bei Expert Comp. und später in verschiedenen Schlüsselpositionen innerhalb der Audi AG.

Fabrik des Jahres: Kongress im März

Fabrik des Jahres

Die Fabrik des Jahres zählt zu den renommiertesten Industrie-Wettbewerben Europas. Auf dem gleichnamigen Kongress werden jedes Jahr die Sieger des Benchmarks ausgezeichnet. Der nächste Kongress findet am 14. und 15. März in Leipzig statt.

 

In einer Sonderfolge von Industry Insights sprechen Anja Ringel und Julia Dusold mit Prof. Günther Schuh über die Fabrik des Jahres und nachhaltige Produktion.

 

Weitere Informationen zur Fabrik des Jahres finden Sie auf der Website des Wettbewerbs.

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