BMW Batteriezellenfertigung Wickeln der Jelly Roll

Das Wickeln der sogenannten Jelly Rolls - BMW-Mitarbeiter mit Anodencoil in BMWs neuem Kompetenzzentrum für Batteriezellfertigung in Parsdorf. (Bild: BMW)

Die 6 Schritte der Batteriezellproduktion

  1. Dosieren & Mischen
  2. Beschichten & Trocknen
  3. Kalandrieren & Schneiden
  4. Wickeln & Assemblierung
  5. Elektrolytbefüllung & Formierung
  6. Alterung

Reichweite, Fahrleistung und Ladezeit: Das sind die zentralen Eigenschaften eines Elektroautos – verantwortlich dafür ist die Batteriezelle. Ein fachlich tiefes Verständnis rund um die Batteriezellproduktion zu haben, ist ein entscheidender Erfolgsfaktor in der Elektromobilität. Denn der Hochvoltspeicher allein macht rund 40 Prozent der Fahrzeugkosten aus und bietet daher einen enormen Hebel zur Kostenreduzierung. Und die Batteriezelle wiederum ist mit 80 Prozent die kostenintensivste Komponente und das Herzstück des Speichers. „Im Wettbewerb wird neben Qualität und Reichweite der Kostenfaktor entscheidend sein, der sich für die Batteriezelle aus 80 Prozent Materialkosten und 20 Prozent Prozesskosten zusammensetzt", betont Bernd Wächtershäuser, Planungs- und Betriebsleiter in Parsdorf.

Mit der Investition in ein Cell Manufacturing Competence Center (CMCC) in Parsdorf bei München setzt der bayerische Premiumhersteller nun zum technologischen Weitsprung an und treibt die Entwicklungsgeschwindigkeit am Standort Deutschland voran. 200 Patente meldete der Münchner Autobauer rund um die neue Batterietechnologie bereits an und ist damit im Branchenvergleich im Spitzenbereich. „Die eine beste Zelle gibt es dabei gar nicht, da es auf eine Ausgewogenheit zwischen Schnellladefähigkeit, Sicherheit, Reichweite und Energiefluss ankommt", kommentiert Wächtershäuser. Je nach Fahrzeug müsse die Zelle andere Attribute mitbringen, um am Ende des Tages ein individuellen Gesamtpaket zu ermöglichen.

Bereits 2008 hatte sich die BMW Group auf den Weg gemacht, Batteriezellen zu erforschen und gründete 2017 eigens das Kompetenzzentrum BCCC in der Lemgostraße München. Im Gegensatz zum Standort in München beschäftigt man sich dort hauptsächlich mit Prototypen sowie dessen Rezeptentwicklung und Post Mortem Analyse. Gemeinsam mit über 300 Kontakten – darunter unter anderem Institute, Akademien und Startups – arbeitet das BCCC derzeit an rund 43 Einzelprojekten im Rahmen der Produktinnovation. Vom Materialeinkauf über die Vorprodukte, die verschiedensten Zellentypen und -formate bis hin zum Test unter Extrembedingungen. Hier bündelt der bayerische Autobauer seine Experten aus Einkauf, Entwicklung und Produktion. Gemeinsam schufen sie die Grundlage für eine industrielle Anwendung, wie sie jetzt an der Pilotlinie im CMCC nachvollziehbar ist.

BMW errichtet fünf neue Standorte für die Batteriemontage

Rund 8ß0 Beschäftigte in Parsdorf übernehmen unterdessen den Bereich der Prozessinnovation zur Verbesserung der Wertschöpfungsprozesse. Gemeinsam mit ihren Zulieferern führt die BMW Group die Batteriezelle hier zur Serienreife, um sie schließlich auch von ihnen produzieren zu lassen. Die Philosophie dahinter: „Es kommt nicht darauf an, dass BMW eine eigene Zellproduktion aufbaut. Dazu gibt es bereits einige etablierte Batteriehersteller, die über eine entsprechende globale Infrastruktur verfügen“, betont BMW-Produktionsvorstand Milan Nedeljkovic. „Für uns ist es sehr wichtig zu wissen, was genau wir von unseren Lieferanten wollen.“ Dazu geht der Blick auch schon in Richtung Zukunft: Neben den aktuellen Lithium-Ionen-Batterien entwickelt BMW mit seinen Partnern bereits an Feststoffbatterien (All-Solid-State-Batteries, ASSB), die als zukünftige Meilensteine in der Batterietechnologie gelten. Zudem plant der OEM die Implementierung der Batteriemontage der sechsten Generation an fünf weiteren Standorten: Woodruff, San Luis Potosí, Irlbach-Straßkirchen, Debrecen und Shenyang.  Dieser Ansatz soll die Produktion auch bei unvorhergesehenen politischen und wirtschaftlichen Ereignissen absichern.

Impressionen aus dem CMCC in Parsdorf

Wie entstehen Batteriezellen bei BMW?

Im 15.000 Quadratmeter großen CMCC beginnt die Zellfertigung mit der Produktion der Elektroden. Hier wird das Grundmaterial, bestehend aus Graphit für die Anode und Nickeloxiden für die Kathode, mit Bindern und Lösemitteln in einem exakt bemessenen Verhältnis zueinander dosiert und gemischt. Dabei ist äußerste Vorsicht geboten, denn das Material mit dem man im Batteriekompetenzzentrum arbeitet ist laut Planungs- und Betriebsleiter „nicht ganz ungefährlich" – einige Stoffe seien gar krebserregend, weshalb ein ausgeklügeltes Arbeitssicherheitskonzept unverzichtbar ist.

Das erzeugte Gemisch namens Slurry wird auf Metallfolien mit einer Dicke von 6 µ aufgetragen, wobei besonderes Augenmerk auf gleichmäßigem Flächengewicht liegt, um die Funktionalität der Batterie am Ende der Produktion gewährleisten zu können. Im Anschluss erfolgen Trocknung und Verdichtung durch mehrere Walzen, die mit einem Gewicht von bis zu 500 Tonnen pro Quadratzentimeter arbeiten. Dieser Prozess, der für die Energiedichte und eine homogene Beschichtung verantwortlich ist, heißt in der Fachsprache Kalandrieren und beeindruckt durch eine Presskraft vom Gewicht eines Airbus A380.

Aus den beschichteten Folien entstehen gewickelte, sogenannte Jelly Rolls, die sich in einem Zellgehäuse positionieren. Mit Elektrolyth befüllt, werden diese nun erstmals geladen und abschließend auf ihre Funktion und Qualität geprüft. Was so simpel klingt, ist in der Praxis durchaus herausfordernd: Mit über 3.000 Ursache-Wirkzusammenhängen ist kaum ein Bauteil komplexer als die Batteriezelle.

Inzwischen ist das Musterbeispiel einer BMW-Batteriezelle klar definiert: Sie ist zylinderförmig, exakt 422 Gramm schwer, hat einen Durchmesser von 46 Millimetern und es gibt sie in den beiden Höhen 95 und 120 Millimeter. Ab dem Jahr 2025 wird sie in den Modellen der Neuen Klasse eingesetzt. Die Batteriezelle soll – abhängig vom Modell – bis zu 30 Prozent mehr Reichweite einbringen als bisher.

Batteriekompetenzzentrum erforscht nachhaltigere Prozesse

Das CMCC Parsdorf verfügt über hohe ökologische Standards: Es wird fossilfrei über regenerativ erzeugten Strom betrieben, unter anderem mithilfe von Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach des Gebäudes. Auch die Wärme wird regenerativ erzeugt: mit Grundwasser- und Luftwärmepumpen. Auch in der Lieferkette wird darauf geachtet, dass der CO2-Footprint und der Verbrauch an Ressourcen für die Herstellung so niedrig wie möglich sind. Für die Serienproduktion der Batteriezellen liefern die Zellersteller bereits heute Batteriezellen mit Anteilen von Sekundärrohstoffen wie Nickel, die aus verschiedenen Altbatterie-Quellen, unter anderem Produktionsabfällen, stammen. Langfristig strebt BMW den umfassenden Wiedereinsatz der verwendeten Rohstoffe in kreislauffähige Hochvoltbatterien an.

Zusammen mit den Verpflichtungen ihrer Zelllieferanten, für die Produktion ausschließlich Grünstrom aus erneuerbaren Energien zu verwenden, will die BMW Group den CO2-Footprint in der Batteriezellproduktion um bis zu 60 Prozent gegenüber der aktuellen Generation von Batteriezellen reduzieren. Derzeit forscht das CMCC zudem im Bereich der Trockenbeschichtung: Durch die Umstellung von Feucht- auf Trockenbeschichtung könnte man sich den Einsatz sowie das Recycling  von Lösungsmittel sparen und sich von der 25 Meter langen Trockenstraße trennen.

Was leistet die neue Rundzelle?

BMW Rundzelle
Die neue Rundzelle wird in allen Modellen der Neuen Klasse ab 2025 eingesetzt. (Bild: BMW)

Bezogen auf die prismatischen Zellen der aktuell noch verbauten fünften BMW-Batteriezellengeneration wird in den Rundzellen der sechsten Generation (ab Oktober 2025) kathodenseitig der Nickelgehalt erhöht sowie gleichzeitig der Kobaltanteil reduziert. Anodenseitig erhöht sich der Siliziumanteil. Damit soll im Ergebnis die volumetrische Energiedichte in der Zelle um 20 Prozent steigen.
Energiespeicher, Antrieb und Ladetechnologie der Neuen Klasse werden über eine auf 800 Volt erhöhte Spannung verfügen, um die Ladegeschwindigkeit an Schnellladestationen zu optimieren.

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