Produktion der Ford F-Series

In Dearborn (Michigan) produziert US-Autobauer Ford mit dem F-150 sein wichtigstes Modell für den amerikanischen Markt – auch die Elektrovariante entsteht hier. (Bild: Ford)

Im Jahr des 120-jährigen Bestehens des US-Autobauers Ford feiern die Verantwortlichen ihr Erbe und betonen zugleich den raschen Wandel ihrer Produkte und Prozesse in Richtung Elektrifizierung und Digitalisierung. Ein Standort, der diesen vermeintlichen Zwiespalt besser als die meisten anderen repräsentiert – und der dem Unternehmen Grund zum Optimismus gibt –, ist das Pickup-Truck-Werk in Dearborn, im US-Bundesstaat Michigan.

In der Nähe des Ford-Hauptsitzes gelegen, ist es eines der beiden Hauptproduktionszentren für den F-150, der seit mehr als 45 Jahren das wichtigste Fahrzeug des Unternehmens ist. Obwohl das Werk Dearborn, das sich auf dem Gelände des ursprünglichen River Rouge Complex befindet, immer noch einen Anteil veralteter Systeme und Prozesse hat, ist der Standort keinesfalls in der Vergangenheit steckengeblieben.

In Dearborn rollt alle 53 Sekunden ein Fahrzeug vom Band

Dearborn verkörpert die Kulmination einer hochindividualisierten Großserienproduktion, bei der alle 53 Sekunden ein F-150-Derivat vom Band rollt, darunter Raptor- und Tremor-Varianten sowie Versionen mit Verbrennungsmotor und Hybridantrieb. Im September zeigte Ford die neueste Version des F-150, die fortschrittliche Vernetzungsfeatures, digitale Systeme über das ganze Fahrzeug hinweg und höhere Hybridleistung verspricht. In dem Werk arbeiten fast 6.000 Menschen. Die Produktion zeichnet sich durch fortschrittliche IT- und digitale Steuersysteme für die Planung von Abläufen und virtuelle Arbeitsstationen aus, die jedes Teil vor der Eingabe validieren. Am Fließband tanzt nach wie vor ein Ballett von Arbeitern, die Teile und Module an verschiedenen Arbeitsplätzen einbauen, das wird aber zunehmend durch hochentwickelte Prüf- und Messsysteme und Softwarediagnosen sowie Rad- und Lichteinstellungen für unterstützte Fahrfunktionen unterbrochen. Die Mitarbeiter nutzen zunehmend Datenanalysen und künstliche Intelligenz, um Fehler zu erkennen und die Entscheidungsfindung in der Fertigung und Wartung zu unterstützen.

Und das zeigt sich im Output: Laut Werkleiter Corey Williams steht Dearborn weltweit an der Spitze der Wartungsintervalle und hat für den aktuellen F-150 im Vergleich zu allen vorherigen Generationen höchste Qualitätswerte erzielt. In den vergangenen zwei Jahren hat Ford weitere Schritte zur Verbesserung der Produktion unternommen. Letztes Jahr wurde eine neue Montagehalle für den Bau des elektrischen F-150 Lightning eröffnet, das so genannte Rouge Electric Vehicle Center (REVC). Wenn die Verbrennerproduktion in Dearborn die Quintessenz von Henry Fords Idee eines Massenproduktionssystems aus mehr als einem Jahrhundert ist, dann bietet das Rouge Electric Vehicle Center einen Ausblick auf Fords Produktion der Zukunft.

Anstelle von Förderanlagen am Boden gleiten die Fahrzeuge im REVC beispielsweise auf fahrerlosen Transportsystemen (FTS) zwischen den Stationen. Ford hat Papierträger abgeschafft, die Mitarbeiter nutzen an jeder Station intelligente Tablets und große Monitore, um Aufträge zu prüfen und Daten zu lesen. Es gibt weniger Teilenummern und Module am Band, da Ford derzeit nur vier Ausstattungsstufen für zwei Lightning-Varianten herstellt: ein Standardmodell und ein Modell mit erweiterter Reichweite.

Elektro-Pickups mit dem Codenamen Project T3 starten ab 2025

Die Weiterentwicklung des Werks ist vor dem Hintergrund von Fords umfassenderer Produktionsstrategie für E-Fahrzeuge von noch größerer Bedeutung. Eine neue Generation des Lightning soll bis 2025 in Produktion gehen. In der Zwischenzeit hat der OEM angekündigt, dass beim Bau der nächsten Generation des Elektro-Pickups mit dem Codenamen Project T3, der auf einer neuen, kleineren Plattform als der F-150 basieren soll, erhebliche Effizienzsteigerungen erzielt werden sollen. Ford wird den T3 ab 2025 in seinem neuen Batterie- und Elektrofahrzeugwerk BlueOval City in Stanton (Tennessee) bauen, wo der Automobilhersteller die seltene Gelegenheit hat, das Fahrzeug, die Lieferkette und eine Produktionsanlage parallel zu entwickeln. Werkleiter Williams zufolge wird die Lightning-Produktion dazu beitragen, die bedienergeführte Fertigung auch in den neuen Werken neu zu definieren. Laut Ford werden die F-Serien-Trucks zu einhundert Prozent in Amerika gefertigt, und in sämtlichen Werken von Dearborn bis Kansas beschäftigt das Unternehmen mehr gewerbliche Mitarbeiter als jeder andere OEM in den USA.

Während die REVC-Montage stärker automatisiert und digitalisiert ist als die alte Werkshalle, setzt die Verbrenner- und Hybridproduktion im Hauptwerk hohe Maßstäbe in Sachen Komplexitätsmanagement, schlanker Prozesse und Personalentwicklung. Digitalisierung, Robotik und Diagnostik werden verstärkt in verschiedenen Teilen der Produktionslinie eingesetzt. Laut Tony Serra, stellvertretender Werkleiter in Dearborn, der eng mit Corey Williams zusammenarbeitet, müssen die Mitarbeiter an der Linie mit immer mehr Software und Elektronik zurechtkommen. Im gesamten Werk ist eine Reihe von Computer- und Robotersystemen installiert, die den Arbeitern helfen, Probleme in den verschiedenen Montagestufen zu erkennen. „Darauf sind wir sehr stolz, denn wir testen die Fahrzeuge genau nach den Vorgaben, die die Kunden bestellt haben und erwarten“, sagt Serra.

Fahrzeuge werden exakt nach Kundenvorgaben getestet

Für die jüngste F-150-Generation hat Ford Portale für ein Achsvermessungs- und Scheinwerfereinstellsystem installiert, mit dem die Bediener über das Lenkrad sicherstellen können, dass der Sturzwinkel gemäß den Kundenspezifikationen kalibriert ist, und die Scheinwerfereinstellungen prüfen. Das Werk verwendet computergestützte Systeme, um das 360-Grad-Kamerasystem des Fahrzeugs sowie andere Sicherheitsmerkmale zu kalibrieren. Im weiteren Verlauf der Fertigungslinie misst ein Roboter den Rand und die Bündigkeit der Türen und Fenster des Fahrzeugs, um sicherzustellen, dass sie luft- und wasserdicht sind.

Kurz vor dem Linienende werden die Fahrzeuge an einen Prüfstand angeschlossen, der dynamische und statische Checks durchführt und die Motoren bis zu einer Geschwindigkeit von 130 km/h laufen lässt, um die Leistung und etwaige Probleme mit der Fahrzeugelektrik und -software sowie mit anderen Teilen, wie etwa Scheinwerfern und Hupen, zu bewerten. Bei einem der letzten Checks wird das Fahrzeug unter raueren Bedingungen getestet, wobei Erschütterungen und Straßenverhältnisse im Gelände simuliert werden. Der Computer zeigt an, ob etwas nicht in Ordnung sein könnte, und wenn ja, wird das Fahrzeug zur weiteren Diagnose in eine Elektrowerkstatt geschickt.

Laut Corey Williams haben diese neuen Systeme dazu geführt, dass sich die Shopfloor-Ausbildung von der Mechanik auf Fähigkeiten in den Bereichen Elektrik, IT und Softwarevalidierung verlagert hat. „Unsere Mitarbeiter benötigen jetzt eine etwa dreijährige Ausbildung, die sie durch die regelmäßige Teilnahme an Kursen absolvieren, um den Umgang mit den Computern und Prüfsystemen zu erlernen“, erklärt Williams. „Wir haben uns vom Fahrzeugschrauben und dem Austausch von Motoren hin zur Diagnose von Software- und Elektrikproblemen entwickelt.“

Kommandozentrale hilft bei der Sammlung und Analyse von Daten

Aufgrund der hohen Variantenvielfalt und des hohen Produktionsvolumens nutzt das Ford-Werk in Dearborn zunehmend Datenanalysen, um potenzielle Fertigungs- und Qualitätsprobleme vorherzusagen und zu ermitteln, Prozesse zu steuern und die Arbeitsabläufe mit den Bedienern zu verbessern. Eine zentrale Kommandozentrale im Werk hilft bei der Sammlung und Analyse von Daten. „Während wir an den Workstations etwas tun – sei es der Einbau eines Teils oder das Verbinden eines Steckers –, können wir diese Daten nutzen, um vorherzusagen, wo wir Fehler machen könnten, und den Bedienern direktes Feedback geben“, sagt Corey Williams. „Das hilft uns, schneller bessere Entscheidungen zu treffen.“ An einigen Arbeitsplätzen führt Ford beispielsweise zusätzliche vorausschauende Qualitätskontrollen durch, um Zeitpunkte für mögliche Fehler zu ermitteln. Corey Williams und sein Team geben den Bedienern auch direkt datengesteuertes Feedback, manchmal sogar stündlich. Wie andere Autobauer setzt auch Ford in Dearborn mehr und mehr KI-Anwendungen in der Fertigung ein, um beispielsweise Fehler, Risse und andere Qualitätsprobleme im Karosseriebau und der Lackiererei zu erkennen.

Die Grundsätze der schlanken Produktion sind im gesamten Werk von grundlegender Bedeutung, von der Bestandsverwaltung bis zur Gestaltung der Arbeitsplätze. Werksverantwortlicher Corey Williams ist bestrebt, eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung in seinen Teams zu etablieren. Er führt regelmäßig sogenannte Gemba Walks durch das Werk durch, besucht den Shopfloor und veranstaltet regelmäßige Feedback-Workshops. Die Mitarbeiter werden ermutigt, alle Verbesserungsideen und -probleme mitzuteilen, auch solche, die zu einer vorübergehenden Verlangsamung oder zum Stillstand der Produktion führen könnten.

Im Mittelpunkt des Konzepts steht die Transparenz von Daten und Leistung. Ein Stockwerk über dem Fließband befindet sich das Produktionskontrollzentrum des Werks, in dem die Endmontage Einblicke in die Abläufe des Werks erhält. Die Wand vor dem Werksbüro ist mit Ausdrucken der wichtigsten Kennzahlen und KPIs unter anderem für Qualität, Wartung, Mitarbeiter, Kosten oder Lieferungen versehen. Die Statistiken zeigen den Status nach einem Ampelsystem an. Jeden Tag treffen sich die Werksteams, um die Zahlen zu überprüfen, wobei die Ergebnisse für jeden einsehbar sind.

Weitere Elemente der Produktion sollen vereinfacht werden

Es steckt viel Potenzial im Werk Dearborn, von Innovationen an der Fertigungsstraße bis hin zur Steigerung des Outputs im REVC. Auch wenn die Lightning-Montage in Bezug auf Teilevielfalt und Komplexität nicht mit den Verbrenner-Vettern mithalten kann, so wird sie doch an Volumen und Geschwindigkeit zulegen und einen neuen Fokus auf Qualität und Prozessverbesserungen erfordern. Im Zuge der jüngsten Erweiterung hat Ford die Kapazität für die Lightning-XLT-Ausstattung erhöht, die zusätzliche Features wie charakteristisches Licht oder eine 360-Grad-Kamera umfasst. Dazu kommen Erweiterungen durch den neuen F-150 Lightning Flash wie zum Beispiel eine verbesserte Batterie mit einer neuen Reichweite von 200 Kilometern. Darüber hinaus will Ford weitere Elemente der Verbrenner- und Hybridproduktion vereinfachen oder standardisieren und überprüft zudem den Ausbau der Fertigung entsprechender Antriebsvarianten – eine Steigerung, die räumlich und prozesstechnisch nicht so einfach zu bewerkstelligen sein wird wie in der neuen E-Auto-Montagehalle.

 

Dieser Artikel erschien ursprünglich in englischer Sprache bei unseren Kollegen von automotive manufacturing solutions.

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