Sant‘Agata Bolognese-Werk von Lamborghini / Lamborghinis Farm der Stiere wird elektrisch

Im italienischen Sant‘Agata Bolognese, dem Stammwerk von Lamborghini, stehen die Zeichen derzeit auf Strom. (Bild: Lamborghini)

Mit der Enthüllung des bläulich schimmernden Lanzador, einem fünf Meter langen Elektro-SUV, begann auf der Monterey Car Week Ende August ein neues Zeitalter für Lamborghini. Die zweitürige Symbiose aus SUV und Gran Turismo soll ab dem Jahre 2028 als vierte Baureihe neue Kunden für den Traumwagenhersteller gewinnen. Die Norditaliener haben in den kommenden Jahren viel vor und wollen sich mit aktuellen Rekordverkäufen nicht zufriedengeben. Ab Ende 2024 ist das gesamte Portfolio elektrifiziert. Der Revuelto als Supersportwagen macht Ende des Jahres den Anfang mit Stecker. Der Nachfolger des Aventador wird er das erste Lamborghini-Modell mit einem Elektromodul sein, denn der V12-Saugmotor wird durch eine elektrische Vorderachse zum ersten Plug-in-Hybriden. „Der neue Revuelto ist ein Meilenstein in der Geschichte von Lamborghini und ein wichtiger Pfeiler in unserer Elektrifizierungsstrategie", unterstreicht Stephan Winkelmann, Vorstandsvorsitzender von Lamborghini.

Wie die E-Mobilität Lamborghinis Produktion verändert

Lamborghini fertigt am Standort Sant’Agata Bolognese aktuell alle seine drei Modelle Huracan, Urus und den neuen Supersportler Revuelto, einen über 1.000 PS starken Plug-in-Hybriden. Dieser ist noch vor seinem offiziellen Start zwei Jahre ausverkauft. „Für seine Produktion haben wir die Messlatte noch einmal höher gelegt und die sogenannte Manifattura Lamborghini Next Level ins Leben gerufen – ein Produktionssystem, bei dem stets der Menschen im Mittelpunkt steht“, erläutert Ranieri Niccoli, Chief Manufacturing Officer von Automobili Lamborghini. „Wir haben es jedoch so angepasst, dass wir ein wesentlich komplexeres Produkt als bisher ausliefern und neue Prozesse integrieren können, die wir zuvor nicht genutzt haben. Mit der Einführung des Revuelto haben wir die Werksfläche auf 172.000 Quadratmeter erweitert und 150 Millionen Euro in die Region investiert.“ Mit dem Revuelto beginnt für Lamborghini die zweite Phase des ambitionierten Projekts Direzione Cor Tauri. Es umfasst eine Gesamtinvestition von 1,9 Milliarden Euro – die größte in der Geschichte des Unternehmens.

So profitiert die Beschaffung Lamborghinis vom VW-Konzern

Die Modelle von Lamborghini profitieren von der Teileversorgung des gesamten Volkswagen-Zuliefernetzwerks. Gerade in den vergangenen fünfzehn Jahren hat Lamborghini seine Beschaffungsstrategie weiterentwickelt. Zum einen sind da die gut organisierten Großlieferanten mit Verbindungen zum VW-Konzern, die es ermöglichen, bestimmte Technologien bei solch kleinen Serien anzubieten.

Demgegenüber liefert eine Reihe kleinerer, hochspezialisierter Lieferanten spezifische Produkte für die einzigartigen Fertigungssysteme der Norditaliener. „Lamborghini hat einen der höchsten Deckungsbeiträge innerhalb des Konzerns und wird deshalb bei der Belieferung priorisiert. Darüber hinaus verschafft uns der Konzern Zugang zu zahlreichen Technologien, die eine entscheidende Rolle in unserer Entwicklung spielen“, erklärt Silvano Michieli, bei Lamborghini für den Einkauf verantwortlich, „sie ermöglichen uns den exklusiven Zugriff auf innovative Lösungen und damit einen klaren Vorteil gegenüber unseren Mitbewerbern.“

Sant’Agata ist bereit für neue Modelle

Doch nicht nur die Beschaffung hat sich bei Lamborghini in den Jahren massiv gewandelt. Mehr denn je gilt das auch für die Fertigung der verschiedenen Modelle an sich. Insbesondere mit dem Luxus-SUV Urus wurden neue Prozesse eingeführt. Mit dem Lamborghini Production System hat das Unternehmen aus Sant’Agata die grundlegenden Aspekte einer Lean Production übernommen und an die eigene Kleinserienproduktion angepasst. Das Ergebnis ist eine hochmoderne Produktionsstätte, in der dank einer Kombination aus höchster Handwerkskunst, Präzisionsanlagen und qualifizierten Mitarbeitern begehrte Supersportwagen erschaffen werden.

Mit dem Urus wurde die Werksfläche von 80.000 auf mehr als 160.000 Quadratmeter erweitert. Der noch junge Bereich umfasst eine eigene Montagelinie ausschließlich für den Urus, eine neue Finish-Abteilung für sämtliche Modelle sowie ein neues Bürogebäude mit LEED-Platinum-Zertifizierung. Für kurze Fertigungszeiten sorgt zudem ein neues Logistiklager, eine zweite Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung und der neue Energy Hub, das zentrale Produktionszentrum für sämtliche Energieträger. Nachdem diese Grundlagen bis 2019 gelegt wurden, geht es jetzt um neue Modelle. „Bis Ende kommenden Jahres elektrifizieren wir unsere gesamte Palette“, erklärt Stephan Winkelmann, „denn neben dem Plug-in-Hybrid, den der Urus mit seiner Modellpflege bekommt, wird auch der Nachfolger des Huracan einen Hybridantrieb bekommen.“ Da Audi seinen R8 auslaufen lässt, hat der Huracan-Nachfolger keinen Bruder mehr mit vier Ringen, sondern ist eng mit dem Supersportwagen Lamborghini Revuelto verwandt.

Was vom neuen Lamborghini-MES zu erwarten ist

Doch bereits jetzt wird die Produktion auf den Lanzador vorbereitet, der eng mit dem kommenden Urus verwoben sein wird. Mit knapp fünf Metern Länge etwas kürzer als der aktuelle SUV, der sich bei den Kunden nach wie vor einer gigantischen Nachfrage erfreut. Anzunehmen ist, dass der Urus-Nachfolger ebenso wie die internationale Konkurrenz zukünftig noch ein paar Zentimeter wachsen wird, um die gesteigerten Sicherheits- und Komfortvorgaben zu erfüllen.

Die Fertigung selbst wird aktuell auf das neue Manufacturing Executive System umgestellt. Das für die mechanischen und technologischen Abläufe verantwortliche MES soll dafür Sorge tragen, dass der Bediener in jedem Schritt von der Maschine unterstützt wird. Dennoch kann er jederzeit mit der Maschine interagieren, um bestimmte Aktionen zu ändern oder den Betrieb anhalten, um manuell einzugreifen. Die Beschäftigten an den verschiedenen Arbeitsstationen verfügen über persönliche Armbänder, mit denen sie auf das System zugreifen und per Touchscreen-Monitor oder Tablet arbeiten können. Das MES steuert dabei Cobots, mitarbeitenden Roboter, die auf jenen Linien zum Einsatz kommen, die zum Beispiel in der Montage sich wiederholende Abläufe erfordern. Der größte Vorteil: Fehler in den Produktionsabläufen werden nahezu eliminiert.

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