Wiener Hofburg

Auf dem diesjährigen Wiener Motorensymposium wurde von Branchenexperten eine der drängendsten Frage der Autowelt diskutiert: Quo vadis Fahrzeugantrieb? (Bild: ÖKV, Doris Kucera)

Der Vorstandsvorsitzende des Österreichischen Vereins für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK) Bernhard Geringer, eröffnete das 44. Internationale Wiener Motorensymposium mit ernster Miene und einem Nachruf auf Hans Peter Lenz. Der im Dezember verstorbene Maschinenbauingenieur und Universitätsprofessor war Ehrenvorsitzender des ÖKV, den er im Jahr 1985 gründete und gilt daher als Wegbereiter des Wiener Motorensymposiums. Nach der Schweigeminute hellt sich die Stimmung auf. In Gedenken an den Ehrenvorsitzenden scheinen ÖKV, Referenten sowie Teilnehmer mit besonders viel Engagement in die Plenar-Eröffnungssektion zu starten, um schnellstmöglich in die Antriebsdiskussion starten zu können.

Am Anfang steht wie so oft das Stichwort Elektromobilität. Thomas Schmall, Technikvorstand des Volkswagen-Konzerns, spricht im ersten Vortrag des Tages über den Wandel von der klassischen Verbrennungstechnologie hin zum Elektroantrieb. Um sich dabei eine Vorreiterrolle zu sichern, setze Volkswagen in vielen Bereichen auf eigene Technologiekompetenz. Von der Batteriezelle über den Elektromotor bis hin zu großen Speichersystemen für das Stromnetz - der Automobilhersteller denke Elektromobilität ganzheitlich und richte sich mit Group Technology als Powerhouse des Konzerns strategisch neu aus.

Diese klare Ausrichtung stößt im Publikum auf Kritik: „Es gibt Anzeichen dafür, dass ein Hochlauf der Elektromobilität nicht stattfinden wird. Was passiert, wenn die Kunden sich weigern, eine so große Zahl von Elektrofahrzeugen zu kaufen?“, lautet eine Frage aus dem Publikum. Schmall hingegen betont, dass die Ausrollgeschwindigkeit der einzelnen Antriebe in den Händen der Automobilhersteller liege und solche Zweifel einem Blick in die Glaskugel gleichkämen.

Bosch investiert massiv in Wasserstoffherstellung

Nach weiteren Keynotes, die thematisch im Feld der Elektrifizierung bewegen, beendet Stefan Hartung, CEO bei Bosch die Eröffnungssektion, indem er das Fass der Antriebsvielfalt öffnet.  „Die Antriebe der Zukunft müssen und werden klimaneutral sein. Aber sie werden nicht überall gleich sein“, betont Hartung. „Trotz aller Krisen blicke ich zuversichtlich in die Zukunft. Denn die Krisen der Vergangenheit haben uns gezeigt, dass Wegducken keine Lösung ist. Druck muss in Energie umgewandelt werden. Und gerade in unserer Branche haben wir eine Vielzahl an Lösungen, um eine nachhaltige Zukunft der Mobilität zu gestalten.“

Es werde weiterhin Verbrennungsmotoren geben, die aber mit effizienteren Antrieben und synthetischen Kraftstoffen einen ebenso wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten könnten. Derzeit investiere der Zulieferer massiv - bis zu 500 Millionen Euro sind bis Ende des Jahrzehnts geplant - in Wasserstofftechnologien und die Entwicklung von Subsystemen für Elektrolyseure. Die entsprechende Markteinführung sei bereits für 2025 geplant. Große Herausforderungen sehe Hartung zum einen im Transport vom Erzeugungs- zum Verbrauchsort und der zugehörigen Infrastruktur, bei dessen Aufbau Europa bislang nicht das Tempo anderer Weltregionen erreiche.

Produktspezifische Antriebslösungen sind das Gebot

Mit seinem Vortrag Das Antriebsportfolio der Zukunft: Brennstoffzellen, E-Fuels, Batterien - die Anwendung entscheidet schloss sich Lukas Mauler, Senior Manager bei Porsche Consulting, nahtlos dem Gedanken der Antriebsvielfalt an. Wer die Frage nach der richtigen Technologie für die Zukunft falsch oder gar nicht beantworte, verliere seine Wettbewerbsfähigkeit, so Mauler. Der Diplom-Wirtschaftsingenieur erläutert, dass ein unternehmens- und produktspezifischer Analyseprozess notwendig ist, um die jeweils geeignete Antriebsform zu ermitteln. Dabei müssten Faktoren wie die spezifischen Stärken und Schwächen der Antriebslösungen berücksichtigt werden.

So würden Batteriezellen zwar einen hohen Wirkungsgrad ermöglichen, gleichzeitig aber hohe Investitionen und ein hohes Gewicht mit sich bringen. Demgegenüber würden E-Fuels große Vorteile hinsichtlich Volumen, Gewicht und Investitionskosten bieten, jedoch gewisse Einschränkungen bei den Betriebskosten mit sich bringen. Darüber hinaus müsse auch das technische Entwicklungspotenzial der jeweiligen Antriebsart berücksichtigt werden, um eine sinnvolle Entscheidung treffen zu können, die auch im Jahr 2050 noch einen nachhaltigen Erfolg ermöglicht.

Was steckt hinter erneuerbarem Diesel?

Zu guter Letzt skizziert auch Mats Hultman, Head of OEM Partnerships beim finnischen Kraftstoffhersteller Neste, einen Fahrplan in Richtung eines defossilierten Verkehrs, der sich aus mehreren Komponenten zusammensetzt. Angesichts der aktuellen Energie- und Klimapolitik werde der Verkehrssektor die globale Ölnachfrage auch weiterhin deutlich über das Niveau treiben, das erforderlich wäre, um das Ziel der Netto-Null-Emissionen weltweit bis 2050 zu erreichen. Selbst wenn die optimistischsten Prognosen zur Elektrifizierung des Verkehrs eintreffen würden, bestünde noch immer ein anhaltender Bedarf an flüssigen Kraftstoffen – insbesondere für den Fernverkehr, Non-Road-Fahrzeuge sowie im Luft- und Schiffsverkehr, wo das Potenzial der Elektrifizierung deutlich begrenzter ist.

Neste setzt daher auf Renewable Diesel (auch HVO): Ein hydriertes Pflanzenöl, das die Treibhausgasemissionen des Straßenverkehrs deutlich senken soll. Bestehend aus unterschiedlichsten Ölen, Fetten sowie Abfall- und Reststoffen biete der erneuerbare Diesel einige Vorteile. Beispielsweise ein beliebiges Mischverhältnis mit fossilem Diesel und optimale Lagereigenschaften. Die Diversität der verwendeten Rohstoffe ermögliche zudem eine gewisse Versorgungssicherheit, die auch von krisenanfälligen Transportketten verschont bliebe.

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