Die Brennstoffzelle sorgt in der Autoindustrie seit Jahren für ein Wechselbad der Gefühle. Auf euphorische Visionen folgte rasch die Ernüchterung. Die Nachteile schienen den Nutzen zu überschatten. Die emissionsfreie Alternative zum Verbrenner verkam zu einer Nischentechnologie für den Schwerlastverkehr. Abgeschrieben ist sie jedoch nicht. Im Gegenteil: BMW vernimmt eine neuerliche Aufbruchstimmung, die sich laut Entwicklungsvorstand Frank Weber mit den Impulsen bei der Elektromobilität vor über zehn Jahren vergleichen lässt.
Es stünde BMW gut zu Gesicht, das technologisch Mögliche im Blick zu behalten und systemische Veränderungen zu antizipieren, so Weber. Anstatt ein Nachzügler zu werden, will der Premiumhersteller den Wandel aktiv gestalten – als wären die Herausforderungen der Elektromobilität nicht genug. „Wir wollen damit keineswegs von unserem BEV-Commitment ablenken“, betont Weber den komplementären Aspekt. Elektro- und Wasserstoffautos müssen sich künftig ergänzen. Davon scheinen die Münchener im Gegensatz zu vielen Konkurrenten überzeugt.
Knapp acht Jahre ist es her, dass BMW einen 5er-Versuchsträger mit Brennstoffzelle präsentierte. Seither wurden lediglich Konzeptideen sowie Prototypen auf der IAA gezeigt. Der Fahrtermin mit dem neuen BMW iX5 Hydrogen fühlt sich gerade deshalb wie ein Durchbruch an. „Wir haben die volle Alltagstauglichkeit dieses Autos und speziell dieses Antriebes unter allen extremen Witterungsbedingungen in Europa nachgewiesen“, erklärt Robert Halas, Project Manager BMW iX5 Hydrogen. Im Prinzip wurde in den vier Jahren Entwicklungszeit ein kompletter Serienerprobungsprozess durchlaufen, so Halas weiter. Eine weltweite Pilotflotte von unter hundert Einheiten soll nun weitere Erkenntnisse für die Serie bringen.
Wasserstoff ist die Alternative für Vielfahrer
Der BMW iX5 Hydrogen vermittelt schon jetzt einen reifen Ersteindruck, auch wenn seine Markteinführung frühestens in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts vorgesehen ist. Die Basis bildet der aktuelle BMW X5 aus dem US-Werk in Spartanburg. Im Münchener Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ) erhält er eine neue Bodengruppe für zwei 700-bar-Tanks aus carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK). Der größere Tank im Mitteltunnel und der kleinere unter der Rücksitzbank fassen gemeinsam sechs Kilogramm an gasförmigem Wasserstoff – genug für eine Reichweite von rund 500 Kilometern nach WLTP.
Die Vorteile für Vielfahrer werden damit vor allem an der Tankstelle offensichtlich. Auch bei Minustemperaturen soll die Reichweite konstant und der Tankvorgang gleich schnell bleiben. In drei bis vier Minuten ist die Druckbetankung abgeschlossen. Und selbst der Preis lässt sich bereits grob mit dem von Benzin vergleichen. Es ist ein Fahrzeug für Kunden, die „nicht das Leben um die Steckdose planen wollen“ oder schlichtweg keine Lademöglichkeit zu Hause haben, beschreibt es Jürgen Guldner, General Program Manager Hydrogen Technology bei BMW, treffend.
„Die leistungsstärkste Brennstoffzelle der Welt“
Das Kernstück des neuen Pilotfahrzeugs ist logischerweise die Brennstoffzelle. Im Vergleich zur ersten Generation wurden unter anderem Leistungsdichte und Dauerhaltbarkeit verbessert. Für ihre kontinuierliche Leistung von 125 kW/170 PS wird die Membran in der Zelle gleichmäßig mit dem gasförmigen Wasserstoff sowie dem komprimierten, gekühlten und entfeuchteten Sauerstoff aus der Umgebungsluft versorgt. Die beiden Elemente reagieren innerhalb der 400 Zellen des Stacks und produzieren dadurch elektrischen Strom, der anschließend umgewandelt und über Hochvoltleitungen an den Heckantrieb weitergeleitet wird. Als Ausstoß kommt Wasserdampf hervor.
„Es handelt sich um die derzeit leistungsstärkste Brennstoffzelle der Welt“, verkündet Projektmanager Robert Halas. Er hebt einerseits die technologischen Analogien zum Verbrennungsmotor wie Ladeluftkühler, Luftfilter, Steuergeräte und Sensorik hervor, erläutert aber auch, welche Komponenten eigens entwickelt wurden. So kommen etwa ein neuer, hochdrehender Kompressor mit Turbine sowie eine Hochvolt-Kühlmittelpumpe zum Einsatz.
Die Zellen stellt BMW jedoch nicht selbst her. „Die eigentliche Zelle kommt von Toyota, das ganze System von uns“, erläutert Entwicklungsvorstand Weber. Die Zusammenarbeit mit den Japanern reicht bei dieser Antriebsform bis in das Jahr 2013 zurück. Im Kompetenzzentrum für Wasserstoff in Garching werden die einzelnen Zellen schließlich zu einem Stack gestapelt und alle weiteren Komponenten montiert. Das Gehäuse wird mittels Sandgussverfahren in der Leichtmetallgießerei des Werks Landshut gefertigt. Die Mediendruckplatte, die das Gehäuse abschließt sowie dem Stack den notwendigen Wasserstoff und Sauerstoff zuführt, besteht ebenfalls aus Kunststoff- und Leichtmetallgussteilen des Standorts.
Brennstoffzelle vereint das Beste aus zwei Welten
In der Montage vereint der BMW iX5 Hydrogen das Beste aus zwei Welten. Die Architektur ähnelt einem E-Auto, die Brennstoffzelle ersetzt den tradierten Verbrenner unter der Motorhaube. Der Elektromotor an der Hinterachse ist ein komplettes Übernahmeteil. Er basiert auf der fünften eDrive-Generation, vereint E-Maschine, Getriebe sowie Leistungselektronik und bringt maximal 295 kW / 401 PS auf die Straße.
Über ihm sitzt die eigens entwickelte Lithium-Ionen-Batterie, die nur ein Zehntel so groß ist wie bei einem entsprechenden BEV. Sie kommt auf eine Maximalleistung von 170 kW / 231 PS und wird von der Brennstoffzelle oder durch Rekuperation aufgeladen. Mit ihrer Unterstützung lässt sich die Maximalgeschwindigkeit kurzzeitig von 180 auf 205 km/h erhöhen. Gewicht und Beschleunigung entsprechen zirka dem eines X5 Plug-in-Hybrid, sodass die Marke von 100 km/h in sechs Sekunden erreicht wird. Dabei fährt sich der BMW iX5 Hydrogen wie ein rein elektrisches Pendant – ruhig aber dynamisch. Das Fahrgefühl wirkt vertraut, Überraschungen bleiben aus. BMW erfindet eben nicht das Rad, sondern den Antrieb neu.