Der Porsche 911 Turbo S ist in absehbarer Zeit nicht von der Elektrifizierung betroffen. E-Fuels könnten die Lebenszeit der Ikone jedoch erheblich verlängern.

Ikonen wie der Porsche 911 könnten durch E-Fuels einen Teil ihrer Faszination bewahren. (Bild: Porsche)

E-Fuels sind wieder in aller Munde, seit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) gegen ihr drohendes Verbot ab 2035 poltert. Obwohl viele Akteure der Autoindustrie ein Veto bei der EU-Kommission begrüßen würden, haben nur wenige die synthetischen Kraftstoffe in den vergangenen Jahren vorangetrieben. Es sei schwer verständlich, dass nur Porsche über E-Fuels spricht, monierte Frank-Steffen Walliser, Leiter Gesamtfahrzeug Architektur & Eigenschaften bei Porsche, auf dem Internationalen Motorenkongress 2023.

Der Sportwagenhersteller betont seit geraumer Zeit, dass E-Fuels und Elektromobilität sich ergänzen sollten. Die Emissionen der Bestandsflotte wären geringer, der Verbrenner könnte weiterhin seine Vorteile bei Langstreckenfahrten ausspielen und ein Teil der Faszination Sportwagen bliebe bewahrt. Doch die Schwaben standen mit dieser Vision selbst im eigenen Konzern allein auf weiter Flur. Einzig Audi wagte sich mit dem regenerativen Kraftstoff HVO etwas aus der Deckung.

„Die E-Fuel-Strategie wurde weiter nördlich durchaus kontrovers diskutiert. Diese Diskussion gibt es nicht mehr“, erklärt Walliser den seit Juli 2022 eingeschlagenen Kurswechsel bei Volkswagen. Direkt im Anschluss an seinen Vortrag stimmt ein Abgesandter der Vier Ringe die gleichen Töne an. E-Fuels seien in den kommenden Jahrzehnten zwingend notwendig, um bei den CO2-Emissionen mehr als Makulatur zu betreiben. Die bestehende Infrastruktur wäre jedenfalls auf einen solchen Wandel ausgelegt.

Was sind E-Fuels?

E-Fuels ist ein Sammelbegriff für synthetische Kraftstoffe, die mittels Strom aus Wasser und Kohlenstoffdioxid hergestellt werden. Der Prozess wird als Power-to-Fuel bezeichnet. E-Fuels können dem konventionellen Kraftstoff beigemischt oder in reiner Form in Verbrennungsmotoren verwendet werden.

Porsche skaliert E-Fuels in Chile

Welche Faktoren entscheidend für den Siegeszug synthetischer Kraftstoffe sind, erläuterte Michael Steiner, Entwicklungsvorstand bei Porsche, bereits im Jahr 2020: Erstens müssten alle Motoren dafür geeignet sein. Probleme wie bei der Einführung von E10 würden die Zukunftsvision erheblich torpedieren. Zweitens müsse genügend Grünstrom existieren. „Erst wenn ich nachhaltige Energie im Überschuss habe und die Energie zwischenspeichern muss, lohnt sich die Wandlung zum synthetischen Kraftstoff“, so Steiner. Drittens könne der Treibstoff nur dann wettbewerbsfähig sein, wenn er in größerem Maßstab skaliert wird. Anvisiert werde ein Literpreis von etwa zwei US-Dollar.

Angesichts dieser Voraussetzungen erwog Porsche schon früh den Bau einer Pilotanlage, um die Skalierbarkeit von E-Fuels unter Beweis zu stellen. Bereits 2018 sei ein Kontakt zum chilenischen Unternehmen Andes Mining & Energie (AME) zustande gekommen, erinnert sich Karl Dums, Senior Manager eFuels bei Porsche, auf dem Motorenkongress. Drei Jahre später erfolgte – unter anderem mit Unterstützung von Siemens Energy – der Spatenstich in Punta Arenas, einer Stadt im äußersten Süden des Landes. Seit Dezember 2022 ist die Anlage Haru Oni nun in Betrieb.

Die Porsche-Pilotanlage zur Produktion von E-Fuels befindet im Süden von Chile.
Die Pilotanlage befindet sich in der Nähe der chilenischen Stadt Punta Arenas. (Bild: Porsche)

Wie werden E-Fuels produziert?

Den Grünstrom für die Produktion des synthetischen Kraftstoffs erzeugt ein Windrad mit einer Leistung von 3,4 Megawatt. Konstante und hohe Windgeschwindigkeiten liefern den notwendigen Ertrag für die komplette Anlage. Mit Hilfe des gewonnenen Stroms spaltet der PEM-Elektrolyseur (Proton Exchange Membrane) von Siemens anschließend Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Im Pilotbetrieb werde dafür noch Trinkwasser verwendet, erläutert Dums. Der Aufwand für die Entsalzung wäre zu groß gewesen. Im industriellen Maßstab würde sich dies ändern.

In einem weiteren Schritt wird der Wasserstoff mit Kohlenstoffdioxid zu E-Methanol kombiniert. Da hierfür keine Punktquelle vorhanden ist, gewinnt Porsche das CO2 unter anderem aus der Luft. „Energiedichte und Menschen schließen sich aus“, bringt Karl Dums es auf den Punkt. Kurzum: Die Vorteile bei Stromertrag, Energiepreis und Bevölkerungsdichte gehen Hand in Hand mit dem Mangel an industriellen Punktquellen. Deshalb sei es wichtig, die Skalierung des Direct Air Capture (DAC) voranzutreiben, so der Porsche-Experte. Der finale Schritt, um den synthetischen Energieträger in ein E-Fuel für Pkw umzuwandeln, leistet die von ExxonMobil lizenzierte MTG-Technologie (Methanol-to-Gasoline). Ein Vorgang, den perspektivisch auch eine europäische Raffinerie übernehmen könnte.

Wie viel E-Fuels kann Porsche herstellen?

In der Pilotphase sollen in Punta Arenas jährlich rund 130.000 Liter an E-Fuel produziert werden. Vom Hafen Cabo Negro wird der Sprit dann über die herkömmlichen Wege verteilt. Zum Einsatz kommt er zunächst in Leuchtturmprojekten im Motorsport sowie den Porsche Experience Centern. Bis Mitte des Jahrzehnts soll die Skalierung auf rund 55 Millionen, zwei Jahre später auf rund 550 Millionen Liter erfolgen. „Energieimport ist in Zukunft existenziell für unsere Wirtschaft“, betont Karl Dums mit Blick auf die signifikanten Kostenvorteile. Als größte Hürde identifiziert er die europäischen Regularien, die sich stärker am US-amerikanischen Inflation Reduction Act orientieren sollten.

Aber auch in Stuttgart hatte das Projekt nicht nur Rückenwind. „Die Pilotanlage war nicht ganz frei von Kritik – auch im eigenen Haus“, gestand Dums auf dem Kongress. Immerhin flossen bislang über 100 Millionen US-Dollar in die Entwicklung und Bereitstellung von E-Fuels. Allein die Beteiligung an der Betreibergesellschaft HIF Global ließ Porsche sich im Vorfeld stolze 75 Millionen US-Dollar kosten. Das Engagement in Chile ist jedoch nur der Startschuss: Weitere HIF-Projekte in den USA und Australien befinden sich derzeit in Planung und Aufbau. Sie sollen die jährlichen Kapazitäten mit 100 und 625 Millionen Litern bereits in der ersten Phase bei weitem übertreffen.

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