Kunden haben hohe Erwartungen an Elektrofahrzeuge: Die Stromer sollen gleichzeitig möglichst reichweitenstark und günstig auf den Markt kommen, zudem erwarten Käufer und Regulatoren ethische Standards in der Lieferkette. Eine Herausforderung für die Hersteller – schließlich entfallen rund ein Drittel der Fahrzeugkosten auf die Batterie. Um die Herstellungskosten niedrig zu halten, setzen viele Hersteller auf möglichst günstige Rohstoffe und machen sich damit unter anderem von Exporten aus Nationen wie dem Kongo (Kobalt) oder China (Graphit) abhängig. Die genaue Lage am globalen Markt für Batterierohstoffe haben Experten von Berylls Strategy Advisors gemeinsam mit Forschern der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB in einer Studie untersucht, deren Ergebnisse Automobil Produktion exklusiv vorliegen.
LFP-Technologie könnte zum Erfolgsmodell werden
Bei der Herstellung von Kathodenmaterialien für Batterien dominieren derzeit Lithium-Nickel-Mangan-Kobaltoxide (NMC) sowie Lithium-Eisen-Phosphat (LFP) den Weltmarkt. Der Studie zufolge sei hier ein Trend zu erkennen, in dem sich Volumenhersteller stärker auf LFP-Batterien, Premiumhersteller eher auf NMC-Batterien konzentrieren. Grund hierfür seien der niedrigere Preis der LFP-Technologie beziehungsweise die höhere Leistung von NMC-Batterien. Die genutzten Kathoden machen bei NMC-Batterien rund 60 Prozent, bei LFP-Batterien rund 25 Prozent der Gesamtkosten der Batteriezellen aus. Begründet liegt dies vor allem im Preis der benötigten Materialen Lithium, Nickel und Kobalt.
Vergleichswerte LFP- und NMC-Batterien
Doch auf dem Markt ist Bewegung zu erkennen: So sind laut den Studienautoren die Preise für Batteriematerialien im Verlauf des letzten Jahres deutlich gesunken: Nickel ist demnach rund 29 Prozent günstiger geworden, bei Kobalt gab der Preis um 16 Prozent nach. Beim Kauf von Lithium werden sogar 56 Prozent weniger Kosten fällig. Grund hierfür sei das hohe Fördervolumen bei einem gleichzeitig stockenden Markt für Elektrofahrzeuge, was Angebot und Nachfrage außer Gleichgewicht gebracht habe, so die Analysten. Insbesondere bei Lithium erwarten etwa die Analysten von J.P. Morgan in einer eigenen Studie, dass das Überangebot für weitere drei bis vier Jahre anhalten wird. Etwa ab dem Jahr 2027 sei jedoch wieder mit steigenden Preisen für die kritischen Materialien zu rechnen.
Als zentralen Hebel zur Senkung der entstehenden Kosten betrachten die Studienautoren vor allem die Herstellungskosten für Batterien. Durch die steigende Effizienz entsprechender Maschinen und Anlagen oder die Reduzierung von Ausschuss könne bis zum Jahr 2035 mit Kosteneinsparungen von rund 30 Prozent gerechnet werden. Weitere Möglichkeiten könnten unter anderem durch neue Bauweisen entstehen, etwa im Rahmen von Cell-to-Pack oder Cell-to-Chassis-Modellen, die Batteriemodule überflüssig machen könnten.
Lieferketten für Batteriematerialien sind anfällig
Abgesehen von den Materialkosten identifizieren die Analysten zwei große Herausforderungen in der künftigen Wertschöpfungskette für Batterien: Die Resilienz der Lieferketten sowie neue Regularien. In die erste Gruppe zählen etwa politische Faktoren wie Handelsschranken oder Sanktionen, Gefahren rund um die Minen selbst (etwa Streiks, fehlende Arbeitskräfte oder Naturkatastrophen) sowie deren Betreiberfirmen (etwa Insolvenzen, Sanktionen oder Akquisitionen). Im ESG-Bereich seien vor allem die Verletzung des Arbeitsrechts oder der Impact auf die Umwelt mögliche Risikofaktoren. Durch die starke Lokalisierung einzelner Rohstoffe verschärfe sich die Lage zunehmend: Während rund 48 Prozent des Lithiums aktuell aus Australien stammen, kommt rund die Hälfte der globalen Nickelproduktion aus Indonesien. Die globale Kobalt-Förderung findet sogar zu 74 Prozent im Kongo statt. Im Falle von Lithium weisen die Autoren bereits auf bestehende Initiativen der Autohersteller hin, die Rohmaterialien näher an die eigene Einflusssphäre zu bringen, im Falle von Nickel und Kobalt gestalte sich dies jedoch schwieriger.
Hersteller arbeiten an Lokalisierung und Tracing
Um die Sicherheit der Lieferketten sicherzustellen, beobachte man derzeit mehrere Trends in den Strategien der Autohersteller, heißt es seitens der Analysten von Berylls und Fraunhofer: Zum einen setzen die meisten betrachteten Autobauer (etwa BMW, Volkswagen und Tesla) auf den eigenen Bezug von Rohmaterialien statt auf Zellhersteller zu vertrauen. Dies erhöhe unter anderem die Traceability innerhalb der Lieferkette. Weiterhin sei ein Hang zur Lokalisierung zu beobachten. Dies betreffe die Bereiche Mining, Refining, Manufacturing und Recycling gleichermaßen mit dem Ziel, entsprechende Kreislaufwirtschaft-Systeme aufzubauen. Alle Autohersteller betonen gleichermaßen die hohe Relevanz von Recycling-Prozessen als künftiger Lieferant von Rohstoffen. Die Analysten betonen hierbei jedoch, dass sich ein Erfolg entsprechender Strategien erst langfristig einstellen könnte. Zuletzt sei zu beobachten, dass viele Autounternehmen auf Akquisitionen, Investments, Insourcing oder Joint Ventures setzen, um die eigene Position zu stärken.
Neue Technologien verbessern die Bilanz von Batterien
Alleine aufgrund des Drucks durch regulatorische Maßnahmen sei in Zukunft damit zu rechnen, dass die Autoindustrie den Weg zum nachhaltigen Sourcing von Rohstoffen fortsetzen werde. Einen größeren Schub werde man jedoch durch technologische Neuerungen erleben. Zum einen sei mit einer stärkeren Marktdurchdringung von LFP-Zellen zu rechnen, die ohne Nickel und Kobalt auskommen und deren Energiedichte künftig das Niveau der NMC-Zellen erreichen dürfte. Aber auch bei der Weiterentwicklung von NMC-Zellen könne von einem niedrigeren Kobalt-Gehalt ausgegangen werden. Auch neue Energiespeicher wie Sodium-Ion-Batterien könnten die Rohstofffrage künftig entschärfen. Weitere Gamechanger seien neue Mining-Methoden wie die Direct Lithium Extraction (DLE), bei der Lithium direkt aus Gestein ohne den Umweg über Evaporation Ponds gewonnen werden könnte sowie der künftig höhere Grad an Recycling-Materialien. Insbesondere durch die Wiederverwertung von Materialien sei es möglich, den Rohstoffkreislauf stärker zu lokalisieren und somit sowohl mehr Nachhaltigkeit als auch mehr Sicherheit in den eigenen Lieferketten zu erreichen.