Das Konzeptfahrzeug EVbet von ZF baut auf einem Porsche Taycan auf.

Das Konzeptfahrzeug EVbet von ZF baut auf einem Porsche Taycan auf. (Bild: ZF)

Auf dem Global Technology Day präsentierte ZF Innovationen, die die eigene Systemkompetenz in Sachen E-Mobilität unterstreichen soll, wie es Vorstandsboss Holger Klein formulierte. Integriert wurden die neuen Technologien im elektrischen Konzeptfahrzeug EVbeat, das auf Kompaktheit, geringes Gewicht und maximale Effizienz im Realbetrieb ausgelegt ist. Die Komponenten eines E-Antriebstrangs seien optimiert und zu einem ganzheitlichen System zusammengefasst, so der süddeutsche Zulieferer. Dazu zählen der 74 Kilogramm leichte und mit 70 Nm/kg Drehmomentdichte kompakte Antrieb, ein ganzheitliches Thermomanagement sowie Cloud-vernetzte Antriebssoftware. Bei kalten Temperaturen um den Gefrierpunkt soll die Reichweite im Realbetrieb um bis zu einem Drittel im Vergleich zu heute gängiger Technik reichen.

„Nachhaltige Mobilität ist Kern unserer Unternehmensstrategie“, erklärt ZF-Vorstand Stephan von Schuckmann, unter anderem verantwortlich für elektrifizierte Antriebssysteme. „Auf der Grundlage eines heute schon effizienten Serienfahrzeugs zeigen wir, welche Potenziale künftige E-Antriebskomponenten bieten, wenn wir sie zu einem noch effizienteren Gesamtsystem kombinieren.“

Das ZF-Konzeptfahrzeug EVbeat baut auf einem Porsche Taycan auf und nimmt führende Serientechnologie von ZF und anderen Marktteilnehmern als Maßstab. Bei der Drehmomentdichte stehe man ganz oben auf dem Treppchen, wenn man sich mit derzeit auf dem Markt erhältlichen E-Antrieben für Pkw vergleiche. Ein weiteres Merkmal: Der E-Motor kommt ohne schwere Seltene Erden und das Thermomanagementsystem ohne fluorhaltiges Kältemittel aus. Die geringere Anzahl von Bauteilen und das um rund ein Drittel reduzierte Systemgewicht bei E-Antrieb und Thermomanagement sollen gleich doppelt zu mehr Nachhaltigkeit beitragen – bei der Herstellung wie auch im Betrieb.

EVSys800 von ZF ist kompakt und leicht

Der EVSys800 ist ein modular aufgebauter 800-Volt-Antrieb und besteht aus einer Siliziumkarbid-Leistungselektronik, dem E-Motor und einem Reduziergetriebe. Dem Konzeptfahrzeug steht an der Hinterachse ein maximales Drehmoment von 5.200 Newtonmetern zur Verfügung – mit einer Drehmomentdichte von 70 Newtonmetern pro Kilogramm Antriebsgewicht. Die Dauer- und Spitzenleistung des E-Motors liegen bei 206 bzw. 275 Kilowatt – ZF erziele somit Dauerleistungen von rund 75 Prozent der Spitzenleistung.

Bei den Abmessungen spart der Antrieb durch das kompakte Reduziergetriebe und die von ZF patentierte Braided-Winding-Wicklungstechnologie des E-Motors 50 Millimeter Bauraum in der Breite ein und ermöglicht so einen platzsparenden, koaxialen Einbau auf der Antriebsachse. Mit einem Gesamtgewicht von 74 Kilogramm ist EVSys800, normiert auf die gleiche Leistung wie der neueste ZF-800-Volt-Serienantrieb, rund 40 Kilogramm oder ein Drittel leichter und trägt damit deutlich zu den Gewichtseinsparungen des Konzeptfahrzeugs bei.

Der Wechselrichter des E-Antriebs wurde grundlegend neugestaltet. Dabei wurden alle wesentlichen Baugruppen grundlegend überarbeitet. Ein neues, koaxiales Reduziergetriebe überträgt die Antriebskräfte der E-Maschine über zwei Planetensätze. Sie erzeugen nicht nur die gewünschte Achsübersetzung, sondern übernehmen auch die voll integrierte Differenzialfunktion. Im Vergleich zu gängigen Offset-Konzepten, bei denen sich Antrieb- und Abtriebswelle nicht in der gleichen Achse befinden, sinken bei der koaxialen Lösung Gewicht und Bauraumbedarf. In Kombination mit der Braided-Winding-Technologie kann dieser Antrieb deutlich kürzer gebaut werden, was die Installation in fast alle Fahrzeugbauräume ermöglicht.

ZF verspricht ein Drittel mehr Reichweite

Das Temperieren eines Fahrzeugs kann im Winter einen signifikanten Anteil des Leistungsbedarfs ausmachen, der insbesondere beim Aufheizen zwischen drei bis sechs Kilowatt liegen kann. Kühle im Sommer und Wärme im Winter sind ein großer Komfortfaktor für die Insassen. Auch für die Performance des E-Motors, der Leistungselektronik und der Batterie ist die richtige Temperatur ein wesentlicher Faktor.

In das EVbeat-Konzeptfahrzeug ist das erste von ZF entwickelte zentrale Thermomanagementsystem (TherMaS) für E-Fahrzeuge integriert. TherMaS steuert mit einer zentralen Einheit und intelligenter Software alle thermischen Vorgänge für Antrieb, Batterie und Fahrgastraum. Aufgrund einer propanbasierten 800-Volt-Wärmepumpe benötigt man zudem weniger Energie. Weil es kompakt und einfach aufgebaut ist, lässt es sich leicht in Fahrzeuge integrieren.

Das TherMaS-Konzept verfügt erstmals über drei ausgewiesene Kreisläufe: Im Zentrum befindet sich der kleine Kältemittelkreislauf. Dieser sei vorbefüllt und hermetisch geschlossen und deshalb wartungsfrei. Zudem besitzt das Konzept keine Schnittstellen zu anderen Fahrzeugbereichen wie dem Innenraum. ZF nutzt das fluorfreie, natürliche Kältemittel Propan. Obwohl nur die Hälfte des bisherigen Kältemittelvolumens eingesetzt werde, steige die Kühlleistung um den Faktor zwei im Vergleich zu heute gängigen Kältemitteln. Der zentrale Kältemittelkreislauf bedient bei Bedarf zwei separat steuerbare Kühlkreisläufe, in denen wie üblich frostgeschütztes Wasser fließt: Der erste ist auf die vergleichsweise hohen Temperaturen der E-Maschine ausgelegt, der zweite temperiert die Leistungs- und Ladeelektronik. Die Steuerungssoftware regelt die bedarfsgerechte Kühlleistung. Dank dieses Thermomanagements soll die Reichweite des EVbeat im anspruchsvollen Winterbetrieb um bis zu einem Drittel steigen.

Antriebssoftware von ZF soll vom Fahrer lernen

Die Eigenschaften der Hardwaresysteme legen einen wichtigen Grundstein für den nachhaltigen Betrieb des Fahrzeugs, deren Orchestrierung erfolgt über die Software. ZF hat eine Antriebssoftware entwickelt, die alle relevanten Fahrzeugsysteme untereinander vernetzt und die Verbindung in die ZF-Cloud herstellt.

Weil die Effizienz eines E-Motors von seinen thermischen Betriebspunkten abhängt, ist es wichtig, diese stets im optimalen Bereich zu halten: Bei niedrigen Geschwindigkeiten und hohem Drehmomentbedarf liegt der optimale thermische Betriebspunkt sehr niedrig, während bei hohen Geschwindigkeiten mit niedrigem Drehmomentbedarf hohe Temperaturen kein Problem darstellen. Die thermischen Verhältnisse lassen sich allerdings nicht kurzfristig herstellen. Die Antriebssoftware von ZF kann aus den individuellen Fahrprofilen vorausschauend die optimalen Betriebspunkte ableiten und das System entsprechend darauf vorbereiten. Sie „lernt“ das Verhalten der Fahrerinnen und Fahrer und kann durch einen KI-basierten Cloudservice die Wahrscheinlichkeit für individuelle Fahrprofile vorwegnehmen. So werden zum Beispiel bei erkannter Kurzstrecke die Klimatisierung und Systemkühlung reduziert.

Auf dieser Grundlage kann das Assistenzsystem den Fahrern auch direkte Hinweise für eine effiziente Nutzung des Elektrofahrzeugs geben. Angezeigt werden beispielsweise effizientes Beschleunigen und Verzögern sowie eine optimierte Maximalgeschwindigkeit. Das ist insbesondere wertvoll, wenn es darum geht, vor der Fahrt eine ebenso genaue wie praxisnahe Reichweite zu errechnen, die dann auch verlässlich eingehalten wird.

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