Sven Schuwirth

Sven Schuwirth besetzte zum 01. März 2023 den Posten des Chief Operating Officers bei Cupra. (Bild: Seat)

Was macht Cupra zur Besonderheit im Volkswagen-Konzern?

Einen klaren Fokus auf die Themen Erlebnis und Experience zu setzen, im Design sehr extrem emotional zu sein und das Thema Performance nach vorne zu stellen. Wir fokussieren uns auf eine spitze Zielgruppe, die Bock hat, Auto zu fahren. Ich glaube, das ist ein Unterschied und natürlich hilft uns dabei auch die Größe des Konzerns, indem wir auf viele Dinge zurückgreifen und uns auf Alleinstellungsmerkmale konzentrieren. Wir wollen nicht jeden erreichen, sondern, dass uns ein paar Menschen lieben, aber nicht alle müssen uns mögen. Wir wollen kein Massenhersteller werden.

Jetzt haben Sie es gerade schon selbst gesagt, dass ihre Zielgruppe sehr spitz ist. Können Sie sie noch ein bisschen klarer definieren ?

Wenn wir uns den Automobil- und Neuwagenmarkt in Europa angucken, dann sind wir zwischen zehn und 15 Jahren unter dem Durchschnitt. Damit haben wir die jüngste Zielgruppe von allen – mit einer anderen Marke gemeinsam. Das sind Menschen, die einfach sagen, ich möchte nicht immer das gleiche Auto fahren, ich möchte mal was anderes haben. Wenn ich aber heute etwas Neues oder Anderes haben will, dann bin ich weitgehend gezwungen eine neue Marke aus Amerika oder Asien zu nehmen und ich glaube, da sollten wir nicht aufgeben, sondern dort auch etwas anbieten. Und das funktioniert mittlerweile sehr gut, wenn man den Erfolg der Marke Cupra anschaut.

Aber wie sollen sich jungen Menschen Ihre Autos leisten können?

Das Durchschnittsalter unserer Neuwagenkäufer liegt zwischen 40 und 45, die Konkurrenz liegt bei 55 bis 60. Das ist Realität in Westeuropa. Dass wir nicht jeden erreichen können – Fair Point, das geht nicht. Wir haben unser eigenes Segment gefunden, doch es ist klar, dass wir nicht jeden erreichen werden. Jede Marke muss ihren Platz im Markt finden, und unser Zielfeld ist einzigartig. Es gibt diese Kunden und wir reden über einen Durchschnitt.

Würden Sie zustimmen, dass die Marke Seat dem Untergang geweiht ist?

Nein. Seat lebt und wird weiterleben. Die Annahme, dass Seat vernachlässigt wurde, kann auf den Halbleitermangel im letzten Jahr zurückgeführt werden. Wenn es nur begrenzte Ressourcen gibt, werden diese in rentablere Projekte investiert. Seat hat seine letzten Produktlinien 2020 veröffentlicht, dann kam die Covid-Pandemie. Diese Produkte sind aus unserer Perspektive immer noch aktuell, und wir planen sie erneut auf den Markt zu bringen. Es gibt keinen Plan, Seat und Cupra zu fusionieren oder Seat zu ersetzen. Seat als Marke ist stärker denn je und die Auftragsbücher sind voll. Seat und Cupra haben verschiedene Aufträge und Zielgruppen. Seat ist der automobile Einstieg und wird sich stärker in Richtung Mobilität im weitesten Sinne positionieren. Cupra ist eine eigenständige Marke innerhalb der Seat S.A. - positioniert als Contemporary Brand und preislich deutlich über Seat. Wir sind Teil des Volkswagen-Konzerns und haben genauso viel Handlungsfreiheit wie Skoda, VW oder Audi. Nur weil Cupra und Seat zusammengehören, bedeutet das nicht, dass sie überschneidende Strategien haben. Frühere Modelle wie der Leon oder der Ateca hatten vielleicht ein Doppel-Branding, aber alle neuen Modelle sind zu 100% Cupra. Seat und Cupra haben verschiedene Missionen.

Wo ist denn Cupra aktuell am stärksten und wo sehen Sie die größten Chancen?

In Europa, insbesondere in Deutschland, haben wir unseren Marktanteil beträchtlich gesteigert und im ersten Halbjahr um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugelegt. Wir streben einen Korridor von drei bis 3,5% Marktanteil an, um als relevante Marke wahrgenommen zu werden. Parallel dazu haben wir unsere Präsenz in globalen Märkten wie Israel, Mexiko und Marokko ausgeweitet. Unsere Expansion nach Australien verlief besser als erwartet, und wir haben bereits den Break-Even erreicht. Der nächste Schritt in unserer globalen Strategie ist der Sprung nach Nordamerika, wobei dieser Schritt mittel- bis langfristig geplant ist.

Wie sieht es mit China aus?

Es gibt derzeit keine Pläne, in den chinesischen Markt einzutreten. Unsere Hauptpriorität bleibt Europa und einigen anderen strategisch wichtigen Märkten wie Mexico, Israel oder Australien, gefolgt von Amerika, während andere Märkte noch in weiter Ferne liegen.

Können Sie den Markteintritt in Australien näher beschreiben?

Wir haben uns sowohl ein Volumenziel als auch einen Businessplan gesetzt. Angefangen ohne Grundlage, haben wir die Marke im Greenfield neu aufgebaut. Unsere Zielsetzung war es, vom Launch im Juli bis Weihnachten zwischen 1400 und 1600 Kunden zu gewinnen, was uns auch gelungen ist. Mit der Einführung des Born Anfang des Jahres streben wir nun Verkaufszahlen von 3500 bis 4000 Einheiten an. Unser Ziel ist es, kontinuierlich und profitabel zu wachsen, wobei wir stets den Business Case berücksichtigen und die Marke sauber positionieren wollen.

Stichwort Cupra Dark Rebel: Vielleicht können Sie da noch mal ein bisschen was zur Entstehungsgeschichte sagen und auch die Frage klären, inwiefern sich dahinter ein Fahrzeug versteckt, was tatsächlich irgendwann in Serie gefertigt werden kann?

Wenn man als Marke für Performance und Emotionen stehen möchte, kommt unweigerlich der Moment, in dem man den nächsten Schritt in Erwägung ziehen sollte. Dies spiegelt der Dark Rebel wider, der für uns ein Sinnbild dessen ist, was Cupra in der Zukunft darstellen soll – ein Leuchtturm unserer Marke. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob er tatsächlich auf den Markt kommt. Wenn man sich den Raval und unsere weiteren Modelle ansieht, erkennt man eine konsistente Design-Sprache. Jedes Fahrzeug hat seinen eigenen Charakter, aber alle folgen einer gemeinsamen Richtung.  Persönlich hoffe ich natürlich, dass dieses Auto Realität wird. Die Studie wurde nicht über Nacht erstellt; wir haben intensiv daran gearbeitet. Seit April haben wir über 270.000 Kundenkonfigurationen und das dazugehörige Feedback gesammelt, um sie in diese Studie einfließen zu lassen. Der nächste Schritt wird sein, die Umsetzbarkeit zu prüfen.  Wir glauben an das Potenzial des Fahrzeuges und schauen wir mal, ob es am Ende Realität werden kann. In jedem Fall werden Sie viele Designelemente in künftigen Autos wiederfinden.

Aber das heißt, Sie haben kein konkretes Ziel damit verbunden, wann dieses Fahrzeug wirklich kommt?

Wir haben unsere Vorstellungen, aber um diese zu verwirklichen, müsste Cupra einmal weiter wachsen und mehr Geld verdienen. Das und der weitere Aufbau der Marke haben absolute Priorität.

Das Thema autonomes Fahren ist extrem im Fokus aktuell. Wenn ich Sie am Anfang richtig verstanden habe, ist das etwas, womit man bei Cupra bisher nichts zu tun haben möchte, oder?

Ich würde nicht behaupten, dass es unser Hauptfokus ist. Bei Cupra steht der Fahrer und das Fahrerlebnis im Zentrum. Sollte die Technologie verfügbar sein und der Konzern sie nutzen, werden auch wir sie einsetzen, aber dann wohl mit einer anderen Ausrichtung. Eher im Sinne des Unterstützens des Fahrerlebnisses und des Fahrers und nicht in Richtung Entspannen oder Ruhen während der Fahrt. Unsere Prioritäten konzentrieren sich aber eindeutig auf Exterior Design, Interior Materialität, Nachhaltigkeit, Performance und Usability.

Volkswagen selbst hat auch ein GTI-Konzept-Car vorgestellt. Wenn man sich das so anguckt, ähnelt das sehr dem, was man hier sieht. Inwiefern sehen Sie das als Konkurrenz?

Der VW GTI hat eine Historie, die über Jahrzehnte reicht. Es ist verständlich, dass sie diese Tradition fortsetzen. Dennoch denke ich nicht, dass sich Marken wie Audi mit ihren S- und RS-Modellen, Skoda mit RS oder der GTI gegenseitig in die Quere kamen, bevor es Cupra gab. Letztendlich steht immer die jeweilige Marke im Vordergrund und erst danach die Motorisierung. Während VW sein eigenes Thema mit dem GTI verfolgt, repräsentiert Cupra pure Sportlichkeit und das mit einer deutlichen Differenzierung gegenüber anderen, so auch anders als beispielsweise der GTI.

Wen sehen Sie als größten Wettbewerber?

Tatsächlich gibt es für uns keine direkte Vergleichsgröße. Ich sehe uns in einer einmaligen Marktposition zwischen Volumen und dem Premium-Luxussegment. Wir tragen keine geschichtliche Last mit uns, haben keine historischen Altlasten. Sicher, wenn man an traditionelle Hersteller denkt, könnte man vielleicht an Mini oder Alfa Romeo denken, aber in Wirklichkeit sind es die neuen Marken aus Asien und Amerika, mit denen wir uns eher vergleichen.

E-Autos können sich momentan die wenigsten Verbraucher leisten. Gibt es Überlegungen, auch mit Cupra perspektivisch ein Auto zu entwickeln, was in Richtung ID.2 geht?

Ja, der Raval: Tatsächlich basiert er auf derselben Plattform, der Small BEV-Plattform, welche wir bei Seat S.A. maßgeblich leiten und auch für andere Marken des Konzerns bereitstellen. Dieses Fahrzeug, der Cupra Raval, wird das erste auf dieser Plattform sein, jedoch mit einem eigenen Konzept, einem individuellen Design und speziellen Materialien. Das stellt unsere Antwort auf die Anforderungen dar.

Und das wird dann auch für, perspektivisch unter 25.000 Euro zu haben sein?

Mit unserem Small BEV, dem Cupra Raval, werden wir die Elektromobilität demokratisieren, für unter 25.000 Euro wird es bei uns aber kein Angebot geben, dafür bei anderen Marken in der Volkswagen Gruppe. Oft steht der Listenpreis im Mittelpunkt, aber die Mehrheit der Kunden entscheidet sich für Leasing oder Finanzierung. Daher ist eher die monatliche Rate entscheidend. Selbstverständlich spielt auch der Ausgangspreis eine Rolle. Und gehen Sie davon aus, dass wir gemessen an der Substanz ein attraktives Angebot darbieten werden.

Sie waren 2018 nur ein Jahr außerhalb des VW-Konzerns. Wieso verließen Sie BMW so schnell wieder?

Ich war immer Audianer, schon meine Eltern besaßen einen der ersten Audis. Das hat einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Dort durfte ich miterleben, wie sich die Marke von einer guten zu einer Premium-Marke entwickelte und 2013 sogar BMW überflügelte. Dies hat mich geprägt. Dann bin ich zu BMW gegangen, was eine super Erfahrung war. Die Rückkehr nach einem Jahr war keineswegs eine Entscheidung gegen BMW. Mein Wechsel zurück zu Audi war rein emotional bedingt. Es war keine leichte Entscheidung. Ich würde sagen, es war eine Entscheidung, die 51 zu 49 für Audi und nicht gegen BMW ausfiel. Es gab auch Tage, an denen ich es bereut habe, aber ich möchte wirklich betonen, dass ich rückblickend, gerade auf die letzten zwei Jahre, der glücklichste Mensch der Welt bin. Eine neue Marke aufzubauen ist selten und sehr oft scheitern solche Versuche. Nach einem Vierteljahrhundert in der Branche und nach all den Dingen, die ich erlebt habe, kann ich wirklich sagen, dass dies das geilste Projekt ever ist.

Zur Person:

Sven Schuwirth COO Cupra
(Bild: Audi)

Sven Schuwirth begann seine Karriere bei Audi im Jahr 1999, nachdem er sein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens abgeschlossen hatte. 2004 übernahm er die Leitung des Bereichs Markenentwicklung und Corporate Identity. In der Position als Leiter Markenstrategie war Schuwirth ab 2008 unter anderem für die Produkt-, Portfolio- und Kommunikationsstrategie verantwortlich. Von 2009 bis 2016 leitete Schuwirth den Bereich Markenentwicklung und Digitalisierung.

 

Nach einem Jahr bei BMW kehrte er 2019 als Leiter des neu gegründeten Bereichs Brand Audi, Digital Business and Customer Experience zu Audi zurück. Seit dem 1. April 2020 fokussierte er sich auf Premium-Services im und um das Auto sowie den digitalen Handel, ehe er Mitte 2021 zur Seat S.A. nach Martorell wechselte.

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