Blume Diess VW

Oliver Blumes Vorgänger Herbert Diess bleibt Volkswagen als Berater zunächst bis zum Vertragsende im Herbst 2025 erhalten. (Bild: Volkswagen)

Seit der Aufsichtsrat der Volkswagen AG Oliver Blume am ersten September 2022 zum Vorstandsvorsitzenden des Konzerns erklärte und ihm damit die Karten in die Hand gab, ist der studierte Maschinenbauer kräftig am Durchmischen. In seiner Antrittsrede sprach der neue VW-Chef von zügiger Veränderung und betonte, wie wichtig die richtige Mannschaft für erfolgreiche Arbeit sei: „Unsere Welt verändert sich rasant. Technologien und Prozesse wandeln sich - unsere Arbeit auch. Eines ändert sich nicht: Erfolg ist Teamarbeit. Wer erfolgreich sein und bleiben will, muss als Mannschaft agieren.“

Bereits an seinem ersten Arbeitstag in der neuen Position begann Blume mit der Zusammenstellung seiner idealen Startelf und verkleinerte den Vorstand des Wolfsburger Automobilherstellers um die Sitze von Chief Purchasing Officer Murat Aksel und Vertriebschefin Hildegard Wortmann. Letztere verbleibt in der erweiterten Konzernleitung, während Aksel einen neuen Posten als Beschaffungsvorstand beim konzerneigenen Nutzfahrzeughersteller MAN bezieht.

An Aksels Stelle übernimmt nun Dirk Groß-Loheide , Vorstandsmitglied Vorstand Beschaffung und IT bei Audi, den Konzerneinkauf und wird somit in die erweiterte Konzernleitung berufen. Bei Audi wird das Vorstandsressort Beschaffung und IT zunächst kommissarisch von Große-Loheide weitergeführt, bis die Nachfolge geregelt ist. „Die Sicherstellung robuster Lieferketten ist für einen global aufgestellten Konzern wie Volkswagen erfolgsentscheidend. Mit der Neuaufstellung stärken wir die Einkaufsfunktion auf Konzernebene sowie in zwei Kernbereichen“, kommentiert CEO Blume die Umstellung.

Blume und Schäfer nehmen Trinity-Projekt unter die Lupe

Das Stühlerücken im Vorstand sollte nicht die letzte und vor allem nicht die erstaunlichste Änderung durch den neuen VW-Chef bleiben. Schon einige Wochen später wurden Gerüchte um ein Aus des Prestigeprojektes Trinity laut. Medienberichten zufolge hätten Blume und Thomas Schäfer, Vorstandsmitglied und CEO der Marke Volkswagen Pkw, in einer internen Mitteilung an die Belegschaft verkündet: "Wir nutzen aktuell die Gelegenheit, alle Projekte und Investitionen anzuschauen und auf Tragfähigkeit zu prüfen“.

Weiteren Berichten zufolge hätten Software- und Modellprobleme des OEMs dazu geführt, dass der seit September amtierende Vorstandschef sogar das geplante neue Werk für das Elektromodell Trinity abgesagt habe. Das Fahrzeugmodell selbst verschiebe sich zudem von 2026 auf 2030. Im gleichen Zeitraum beendete Blume ein kostspieliges Projekt zum Thema autonomes Fahren mit Argo AI und kappte so gleichzeitig die entsprechende Zusammenarbeit mit Ford. Ursprünglich sollte der ID.Buzz mit Argo-AI-Technik ausgerüstet werden, nun wolle man das automatisierte und autonome Fahren mithilfe der hauseigenen IT-Tochter Cariad vorantreiben, so Volkswagen.

Anfang Dezember folgten weitere Umstrukturierungen – diesmal in den Bereichen Qualität und Design. Noch im September hatte Blume einen Zehn-Punkte-Plan mit dem Ziel vorgelegt, Marken und Produkte nachhaltig zu stärken. Insbesondere mit Blick auf Produktsubstanz, Qualität und Design sollen in den nächsten Jahren spürbare Verbesserungen erzielt werden. Um dies zu erreichen, übernimmt Michael Mauer zusätzlich zu seiner Funktion als Designchef bei Porsche die Leitung des Konzern-Design. Neuer Leiter des Konzern-Qualitätsmanagement wird Michael Neumayer, der dieses Amt zusätzlich zu seiner Funktion als Qualitätschef bei Audi übernehmen wird. „Erstklassige Qualität und ikonisches Design sind seit jeher die Leistungsmerkmale des Volkswagen Konzerns und seiner Marken“, kommentierte der Volkswagen-CEO. „Mit der konzernweiten Führung über die Marken verstärken wir den Fokus auf unsere Kunden.“

Volkswagen Außerordentlichen Hauptversammlung am 16. Dezember 2022
Hans Dieter Pötsch (links), Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG und Oliver Blume (rechts), Vorstandsvorsitzender Volkswagen Konzern auf der Außerordentlichen Hauptversammlung am 16. Dezember 2022. (Bild: Volkswagen)

Welche Schwerpunkte setzt der neue Volkswagen-Chef?

Der Zehn-Punkte-Plan, den der 54-Jährige noch vor seinem Amtsantritt als eine Art Bestandsaufnahme ausformulierte, umfasst jedoch weit mehr als die Personaländerungen in Design und Qualität. Den gesamten Plan sowie eine 100-Tage-Bilanz erläuterte er auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Volkswagen AG am 16. Dezember. Dabei verdeutlichte er die Hintergründe seiner bisherigen und noch folgenden Maßnahmen. Die Neuaufstellung des Konzernvorstandes und operativer Querschnittsfunktionen im Konzern dienen beispielsweise der schnelleren Erschließung und Umsetzung von Synergien, die sich in Zukunft fortsetzen soll.

Beim Wolfsburger OEM soll zukünftig die SSP-Plattform ebenso im Fokus stehen wie neue Batteriefabriken, der Ausbau der eigenen Ladeinfrastruktur sowie ein Geschäftsmodell für zukünftige Mobility-as-a-Service-Angebote. Auch dem Geschäft in China und Nordamerika spricht Blume eine zentrale Rolle zu - besonders mit Blick auf die Elektromobilität. „Sie können das mit der Renovierung eines Hauses vergleichen: Das Fundament ist solide. Die Substanz ist gut, aufgebaut auf jahrzehntelanger erfolgreicher Arbeit. Jetzt geht es darum, das Haus in neuem Glanz erstrahlen zu lassen“, fasst der Vorstandsvorsitzende zusammen.

Software-Tochter Cariad wird reformiert

Auch die hauseigene Softwaresparte Cariad steht auf Blumes To-Do-Liste. Zuletzt hatten Verzögerungen bei der Entwicklung einer neuen Programmversion der Scalable Systems Platform (SSP) zu heftiger Kritik von Porsche und auch Audi an der Automotive-Softwaremarke geführt. Nachdem der neue Volkswagen-Chef Cariad in seinem Zehn-Punkte-Plan zunächst ebenfalls als Fokusthema definiert hatte, folgen Anfang Mai unerwartet drastische Umstrukturierungen: Auf einen Schlag werden CEO Dirk Hilgenberg, CTO Lynn Longo und CFO Thomas Sedran aus dem Cariad-Vorstand entlassen. Einzig Rainer Zugehör bleibt als Chief People Officer (CPO) an Bord. Als neuer CEO ist seit 1. Juni Peter Bosch tätig, der bislang die Produktion bei Bentley verantwortet.

So will Blume die Kosten im VW-Konzern senken

„Unser Fokus liegt auf Umsetzung, Geschwindigkeit und Leistung. In den vergangenen neun Monaten haben wir bereits maßgebliche Entscheidungen für die Aufstellung unseres Unternehmens getroffen. Mit unserem 10-Punkte-Programm haben wir unsere operativen und strategischen Handlungsfelder klar priorisiert“, erklärte Blume auf dem Capital Markets Day am 21. Juni 2023 auf dem Hockenheimring.

In Zukunft überträgt der Volkswagen Konzern den Marken mit einem neuen Führungsmodell mehr direkte Verantwortung für Finanzziele, Strategie und Markenidentitäten. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, sollen sich die Marken darauf konzentrieren, ihre Performance in Bezug auf Margen, Produktmix und Fahrzeugausstattung zu steigern. Darüber hinaus könnten neue Geschäftsmodelle wie Mobilitätsdienstleistungen den Handlungsspielraum der Marken erweitern und zusätzliche Gewinnquellen erschließen. Unterstützt werden soll dieser Weg durch stärkere Skaleneffekte sowie umfangreiche Kostensenkungen in den Bereichen Entwicklung, Material, Produktion, Vertrieb und Fixkosten.

CFO und COO Arno Antlitz bei seiner Präsentation der neuen Strategie auf dem Kapitalmarkttag am 21. Juni.
CFO und COO Arno Antlitz unterstütze Blume bei seiner Präsentation auf dem Kapitalmarkttag am 21. Juni. (Bild: Volkswagen)

Zunächst möchte der Vorstandschef redundante Entwicklungsarbeiten eindämmen und die deutschen Werke besser auslasten. So sollen künftig Modelle von Skoda, Cupra und VW von einem Band laufen. Vorbild ist der neue Elektro-Kleinwagen ID.2, der bei Seat in Spanien für alle Marken produziert wird. Auch das Stammwerk in Wolfsburg bleibt von den Umbauplänen nicht verschont: Seine Kapazität soll auf rund 600.000 Fahrzeuge gesenkt werden. Vergangenes Jahr liefen laut dem Datendienstleister Marklines nur etwa 450.000 Autos in dem Stammwerk vom Band.

Insbesondere Finanzvorstand Arno Antlitz betont die Notwendigkeit der geplanten Sparmaßnahmen anhand der Ende Oktober 2023 vorgelegten Quartalsbilanz. "Betrachtet man allein die operative Marge im dritten Quartal, dann sollte uns das ein Warnsignal sein. 6,2 Prozent Umsatzrendite sind zu wenig, um entschlossen in die Zukunft investieren zu können", kommentiert der Manager. "Deshalb müssen wir die Situation jetzt rasch verbessern."

Volkswagen stellt Technologieplattformen neu auf

Ab dem Jahr 2023 strebt der Volkswagen Konzern bis 2027 ein jährliches Umsatzwachstum von durchschnittlich fünf bis sieben Prozent an. Insgesamt plant der Automobilhersteller in den nächsten fünf Jahren ein Investment von 180 Milliarden Euro im Rahmen seiner strategischen Investitionsplanung.

Bei den Architekturen gibt es einen klar definierten Weg zur konzerneinheitlichen Elektro-Plattform SSP: Bereits ab 2024 sollen die neue PPE und die zweite Generation MEB+ als wettbewerbsfähige Architekturen eingesetzt werden. Die Batteriestrategie und der Hochlauf der Tochter PowerCo sollen dem Konzern durch die Unified Cell - einer nach Leistungssegmenten gestaffelten Einheitszelle – maximale Flexibilität und Kostenvorteile verschaffen. Softwaretochter Cariad soll zu einem schlanken, internen Softwarelieferanten umstrukturiert werden, der eng mit den Marken verbunden ist. Um den vollelektrischen Porsche Macan und den Audi Q6 e-tron als erste Fahrzeuge auf der Premium-Plattform E3 1.2. auf den Markt zu bringen, soll Cariad die eigene Entwicklung deutlich beschleunigen.

Neue VW-Strategie fokussiert Geschäft in China und Nordamerika

Auch auf regionaler Ebene stellt sich der Volkswagen Konzern neu auf. In diesem Zuge wurden neue Strategien für die Märkte China und Nordamerika erarbeitet. In China hat der Konzern das Ziel formuliert, erfolgreichster internationaler Hersteller zu bleiben. In Nordamerika will Volkswagen seine Marktanteile deutlich ausbauen. Hierzu gehören Investitionen in neue Elektrofahrzeuge und eine Fabrik für Batteriezellen in Kanada. Um das renditestarke Segment der Pickups und Rugged SUVs zu erschließen, wird die Marke Scout mit vollelektrischen Fahrzeugen neu aufgelegt und in einem Werk in South Carolina gefertigt.

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