Zwei fertig Dacia Fahrzeuge stehen im Werk unter einer Beleuchtungsanlage.

Am Standort im rumänischen Mioveni werden aktuell vier Dacia-Modelleihen gefertigt: Logan, Sandero, Jogger und Duster (Bild: Thomas Geiger / Dacia)

Wahrscheinlich wird nirgendwo so streng aufs Geld geschaut wie bei der rumänischen Renault-Tochter Dacia in Mioveni. Doch der Erfolg gibt ihnen recht: Allein im ersten Quartal dieses Jahres haben sie ihren Absatz um ein weiteres Drittel gesteigert und zwei Stunden nordwestlich von Bukarest kommen sie mit der Produktion deshalb kaum hinterher. „Nicht die Nachfrage, sondern unsere Kapazität ist der limitierende Faktor“, sagt Hausherr Christophe Dridi.

Wenn man Markenchef Denis Le Vot nach dem Rezept für diesen Erfolg fragt, nennt er als wichtigste Zutat die „effiziente Industrialisierung“, was nichts anderes ist als eine höfliche Umschreibung für eine besonders kosteneffiziente Produktion. Und die erfolgt zum größten Teil im Stammwerk in Mioveni, wo 1968 als Nachbau des Renault 8 der allererste Dacia vom Band gelaufen ist und heute rund 10.500 Menschen arbeiten. Etwa die Hälfte von ihnen in der Produktion von bislang rund sieben Millionen Autos, die von hier aus in über 40 Länder exportiert werden.

Dacia-Standort Mioveni setzt auf niedrige Automatisierung-Quote

1999 hat Renault die Fabrik übernommen, hat sie auf Effizient getrimmt und den Motor des Erfolges so gut geölt, dass er mittlerweile auf Hochtouren läuft: Alle 55 Sekunden fährt hier ein Modell , ein Logan, Sandero, Jogger oder Duster vom gleichen Band, und selbst die neue Hybrid-Version des Joggers mit ihren Hochvolt-Komponenten verzögert die präzisen Abläufe nicht. Der Standort hat zwar Tradition, aber er zählt zu den modernsten im Konzern, sagt Produktionschef Dridi und blickt stolz zum Beispiel auf die Pressen, die schneller arbeiten als in jeder anderen Fabrik des Konzerns, auf allein 560 Schweißroboter oder 270 autonome Flurförderfahrzeuge, die den Materialfluss abwickeln.

Aber so sehr er diese anspruchslosen Kollegen schätzt, so viel hält er von Handarbeit. „Wir setzten nur dort Maschinen ein, wo sie sich lohnen“, sagt Dridi und prahlt im Gegensatz zu seinen Industriekollegen mit einer möglichst niedrigen Automatisierung-Quote: Wo in westlichen Werken etwa in der Endmontage oft 90 Prozent der Arbeiten robotisiert seien, erfolgt in Mioveni jeder zweite Arbeitsschritt von Hand. Kein Wunder, bei dem niedrigen Lohnniveau. Zwar zahlt Dacia fast doppelt so viel wie den rumänischen Mindestlohn und rund 300 Euro mehr als das durchschnittliche Gehalt in dem EU-Staat. Dennoch liegt der monatliche Lohn deutlich unter dem, was ein spanischer oder französischer Monteur am Ende des Monats auf seiner Gehaltsabrechnung erwartet.

Ein Mitarbeiter des Dacia-Standortes Mioveni hebt ein Metallteil von einem Fließband.
Im rumänischen Mioveni ist man stolz auf den hohen Anteil an manuellen Arbeitsschritten. (Bild: Thomas Geiger / Dacia)

Stabilere Lieferketten durch kurze Wege in Rumänien

Deshalb montiert Dacia hier auch nicht nur Autos. Sondern auf dem Areal produzieren die Rumänen – teilweise auch für Renault – zudem Motoren und Getriebe und unterhalten außerdem das größte Logistikcenter im Konzern. Und die Zulieferer sind angesichts dieses Standortvorteils auch nicht weit: Wer nicht direkt auf dem Gelände sitzt, ist maximal 45 Minuten entfernt und liefert just in sequence direkt ans Band, sagt Dridi. Nicht einmal 25 Prozent aller Komponenten hätten einen weiteren Weg, was Dacia robust mache im Ringen um stabile Lieferketten.  

Was laut Le Vot neben der Produktion noch ein Erfolgsfaktor ist, das sind die stabilen Preise ohne Rabatte und vor allem natürlich die günstigen Produkte selbst. „Design to Cost“ nennt er den Ansatz, bei dem ein Renault-Modell so lange entfeinert wird, bis es am Ende kaum mehr halb so viel kostet. Wobei das Sparen erst einmal eine teure Angelegenheit ist: „Denn um aus einem Clio einen Sandero zu machen, haben 3 000 Ingenieure zwei Jahre lang entwickelt und gerechnet“, sagt Le Vot.

Und das wird in Zukunft nicht besser. Denn auch Dacia muss sich so langsam mit der Elektromobilität anfreunden. Selbst wenn der Markenchef davon ausgeht, dass die Rumänen mit Blick auf die Verkäufe der auf Renault getrimmten Dacia-Modellen in Afrika, Asien und Südamerika bei den letzten sein werden, die den Verbenner verabschieden, braucht er für Europa spätestens 2035 eine Flotte an Stromern. „Und die müssen anders sein, als alles, was bislang auf dem Markt ist“, sagt Le Vot.

E-Offensive startet 2027 mit dem Dacia Sandero

„Wir werden wir uns wohl mit weniger Ladeleistung begnügen müssen und mit weniger Reichweite“, sagt Le Volt. Wo der ideale Kompromiss zwischen Kosten und Kapazität der Batterie ist, ob es wirklich die teure Lithium-Ionen-Zellen sein müssen, ob nicht vielleicht Lithium-Eisen-Phosphat reicht oder gar schon Natrium-Ionen-Batterien verfügbar wären – außer, dass er sich natürlich im gut gefüllten Renault-Regal bedienen werde, hat Le Vot auf diese Fragen noch keine Antworten. Muss er aber auch nicht, sagt er mit einem siegessicheren Lächeln. Denn erst mit dem nächsten Sandero will er den nächsten Schritt zum E-Anbieter machen. „Und weil der erst 2027/28 kommt, müssen wir das erst in zwei Jahren entscheiden.“ Danach allerdings sollen dann auch der übernächste Duster elektrifiziert werden und alle davon abgeleiteten Modelle, stellt er in Aussicht.

Noch bevor er notgedrungen seine E-Offensive startet, hat Le Vot mit Dacia viel vor: Knapp 25 Jahre, nachdem Renault in Rumänien das Ruder übernommen hat, will er das positive Moment der Marke weiter nutzen. Schon jetzt verkaufen die Rumänen fast 600.000 Autos im Jahr und wachsen schneller als alle anderen Volumenmarken. Und die große Modelloffensive steht dabei erst noch bevor. Denn zum Jahresende kommt der neue Duster, 2024 steigt Dacia mit dem Bigster ins C-Segment auf und danach kommen noch zwei weitere Modelle in der gehobenen Kompaktklasse, über die Le Volt noch nicht viele Worte macht: „Aber wenn wir im C-Segment auch nur halb so viel Erfolg haben wie im B-Segment, dann ist eine Million keine Illusion“, gibt er den Kurs vor.

Auch wenn sie in Mioveni bereits mit drei Schichten und sechs Tagen fahren, können sie vielleicht noch ein paar Tausend Autos mehr aus dem Stammwerk quetschen. Doch wenn Le Vots Plan aufgeht, muss Dacia das Produktionsnetzwerk erweitern. Ob das in Rumänien passiert oder in Nordafrika oder wo auch immer auf der Welt, das lässt Le Volt noch offen. Nur so viel ist für den Dacia-Chef schon sicher. „Angesichts der gewaltigen Überkapazitäten überall auf dem Kontinent werden wir in Europa sicher für Dacia kein neues Werk bauen.“

Grafik Dacia-Werk Mioveni
Zahlen, Daten, Fakten zum Werk in Mioveni (Bild: Thomas Geiger/Andreas Croonenbroeck)

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