Renault-Werk Palencia Fertigung Austral

Für die Herstellung des Austral auf der Plattform CMF-CD hat die Renault Group das Werk in Palencia grundlegend umgebaut. (Bild: Renault Group)

Das neue Modell Austral lancierte Renault noch kurz vor Weihnachten. Mit dem Kompakt-SUV will der Hersteller am Puls der Zeit sein, denn diese Art von Fahrzeugen führt weiterhin die Zulassungsstatistiken an. Wie viele andere OEMs haben auch die Franzosen den Konflikt zu lösen, dass SUVs etwas größer und wuchtiger als Limousinen sind und damit eher einen Kontrapunkt zur politisch korrekten Klimakonformität des „kleiner, leichter, grüner“ setzen. Der Markt verlangt nach den meist besser gestylten, aber auch schwereren Modellen. Zudem – oder gerade deshalb – darf es immer mehr Elektro im Antrieb sein.

Keine leichten Umstände, um neben den weiteren Herausforderungen wie der allgemeinen Rohstoffknappheit und der Energiepreisexplosion ein neues Auto zu lancieren, das im Markt für mehrere Jahre zünden soll. Helfen soll dabei der Industrieplan Renaulution España, der vorsieht, Spanien bis 2024 zum Schwerpunkt für die Hybridisierung innerhalb der Renault Group zu machen. Darin vorgesehen ist auch die Produktion dreier neuer Modelle des C-SUV- und D-SUV-Segments im spanischen Werk Palencia. Die Fahrzeuge sollen schrittweise bis 2024 auf den Markt kommen. Im unweit von Palencia gelegenen Werk Valladolid konzentriert man sich dazu auf zwei neue Fahrzeuge aus dem B-SUV- und B+-SUV-Segment sowie eine neue Motorenfamilie.

Mit dem Kadjar-Nachfolger Austral reagiert Renault nun in einem ersten Schritt und bedient sich für den Neuen zahlreicher Komponenten aus der Allianz mit Nissan, setzt aber in einigen kundenrelevanten Belangen eigene Akzente. Das Modell baut auf der sogenannten Plattform CMF-CD auf. Beim Antrieb bedeutet dies nun drei Benzinmotoren mit Hybridtechnik, darunter ein Vollhybrid neuester Generation mit 400-Volt-Netz. Obendrein hält eine Allradlenkung sowie ein On-Board-Infotainment neuester Generation Einzug in das Fahrzeug.

Renault-Werk Palencia Fakten-Überblick
Im Vorfeld des Austral-SOP wurden die Anlagen im spanischen Palencia über einen Zeitraum von anderthalb Jahren hinweg grundlegend aktualisiert. (Bild: Renault Group)

Palencia dank Neuerungen am Puls der Zeit

Das knapp 250 Kilometer nördlich von Madrid gelegene Werk Palencia ist dabei der Erfüllungsort für die Implementierung all dieser Techniken sowie das Umsetzen in möglichst zeitsparenden Prozessen. Am 1978 gegründeten Standort wurden bis zum Jahresende 2022 gut 7,7 Millionen Autos gebaut. Aktuell werden hier neben dem neuen Austral auch alle Kompakten der Megane-Reihe gebaut.

Strategisch fügt sich der Austral in Renaults Industrieplan 2021-2024, der vorsieht, Spanien zu einem Schwerpunkt der Antriebs-Hybridisierung der Gruppe zu machen. Dazu hat der Hersteller bereits anderthalb Jahre vor SOP des Austral begonnen, modernste Technologien im Werk zu implementieren. Valladolid liefert neben den Motoren auch das Knowhow rund um Infotainment und ADAS-Systeme nach Palencia. Das Werk in Sevilla baut und liefert die Getriebe.

Palencias Werkleiter Nadjib Zaouche weist beim Rundgang bereits im Presswerk auf eine Besonderheit hin: Da beim Austral Motorhauben und Türen aus Aluminium bestehen, nehme man im Vergleich zu entsprechenden Stahlteilen immerhin 28 Kilogramm Gewicht aus dem Fahrzeug. Die gemeinsame Verarbeitung von Alu und Stahl sichert eine neue Hochgeschwindigkeitspresse, die in der Lage ist, bis zu 17 Stahl- und Aluminiumteile pro Minute mit der doppelten Leistung im Vergleich zu den alten Pressen zu stanzen. Das Presswerk verfügt über drei Pressen-Linien, deren Einsatz die Teilegrößen diktieren. Hier fertigt der OEM neben den Blechen für die Modelle Megane und Austral auch jene für den Captur, der wiederum in Valladolid montiert wird. Zur Überwachung der Qualität setzen die Franzosen in Spanien auf AI- und kamerabasierte Systeme. Werkzeugwechsel, wie etwa der eines 40 Tonnen-Tools, lassen sich in einem Slot von lediglich drei Minuten erledigen.

4.800 Schweißpunkte und 400 neue Roboter

Im Karosseriebau von Palencia setzt Renault etwa 4.800 Schweißpunkte pro Fahrzeug um. Laut den Franzosen liegt die Automatisierungsquote in diesem Gewerk bei 76 bis 100 Prozent. Erstmals im Renault-Verbund werden die Türen hier automatisiert montiert. Derzeit setzt Palencia vier Karosserieformen um – drei für den Megane sowie die des Austral. Bis 2024 sollen zwei weitere hinzukommen. Unter den gesamt 1.320 Handhabungs- und Schweißrobotern machte die Anpassung an das Modell Austral den Kauf von 400 neuen Robotern notwendig. Bei den neuen Robotern habe Renault mit Blick auf gewisse Bereiche der Karosserie besonderen Wert darauf gelegt, dass sie ihre Schweißpunkte ohne sichtbare Spuren setzen, schildert Werkleiter Zaouche. Dieser Anforderung werde man mit sogenannten ArPlas-Robotern gerecht. Einen Zeit-, Präzisions- und Qualitätsgewinn versprechen sich die spanischen Renault-Werker überdies von Laser-Radar-Systemen, mit deren Hilfe sich die Fahrzeugkarosserien dreidimensional vermessen lassen. Eine hohe Exaktheit der Fahrzeuggeometrie sollen Bildverarbeitungsroboter sicherstellen.

Ein Gewerk weiter geht es bunt zu. In der Lackiererei berichtet Leiter Julio Alonso von der Implementierung einer neuen Grundierungslinie sowie vom Ersteinsatz einer neuen Zwei-Farbenlinie. Den Wunsch nach Bicolor-Lackierungen wolle man erfüllen und erstmals sei ein Volumenhersteller nun in der Lage Glanz- und Mattlacke zu kombinieren, betont Alonso. Für die Lackqualität erfassen 38 Kameras 100 Prozent der Fahrzeugoberfläche mit insgesamt 30.000 Bildern. Die Kontrolle der farblichen Übereinstimmung der im Werk und bei den Lieferanten lackierten Teile sichern die Spanier in einer gesonderten Lichtkabine. In Palencias Lackiererei liegt die Kapazität bei 63 Fahrzeugen in der Stunde. Verarbeitet werden hier zehn Farbtöne, pro Fahrzeug kommen knapp 19 Kilogramm Antikorrosionsmittel und Lacke zum Einsatz.

Automatisierung der sekundären Produktionsabläufe

1.800 Teile in etwa viereinhalb Stunden je Fahrzeug: Dieser Eckdaten-Shortcut aus der 63.500 Quadratmeter umspannenden Montage in Palencia zeigt, welche Mengen hier jongliert werden. Eine Besonderheit, noch dazu mit einer Art Strahlwirkung auf andere Fertigungen, stellt den Spaniern zufolge die Automatisierung der sekundären Produktionsabläufe mit Hilfe von AGVs dar. In Palencia befördern sie die Teile synchron zur Linie und den einzelnen Montagestationen. Die Teile sind vorselektiert und begleiten die Fahrzeuge während des gesamten Montageprozesses. Die Montage der Heckklappe hat man für den Austral überdies weitgehend automatisiert.

Wie beim weiteren Rundgang durch die Montage erläutert wird, soll aus dem Entfall der Teileauswahl am Rand der Linie eine bessere Ergonomie am Arbeitsplatz resultieren, zudem verspricht man sich dank der speziellen Dramaturgie obendrein eine Steigerung der Qualität. In Palencia baut der OEM dafür auf eine mit den Lieferanten und dem Vertriebsnetz synchronisierte Logistik und spart so auch Platz, um dereinst weitere Modell in den Hallen montieren zu können. Für das Fahrzeug-Finish setzen die Werker auf zeitgemäße digitale Werkzeuge. Zu ihnen zählen zwölf ADAS-Prüfstände, mit denen  die optimale Kalibrierung und das fehlerfreie Zusammenwirken all der vernetzten Systeme in den Fahrzeugen gewährleistet werden soll.

Valladolid als Leuchtturm für Forschung und Entwicklung

Für die nächsten Schritte in der Modellstrategie arbeitet im etwa 200 Kilometer nordwestlich von Madrid gelegenen Valladolid ein multidisziplinäres Team aus rund tausend Ingenieuren, die auf Elektronik, Software, Elektrifizierung und Batterien spezialisiert sind. Für fünf Werke führen die dortigen Experten Konformitätstests durch. Zum Auftrag des Teams zählen die komplette Fahrzeugentwicklung einschließlich Antrieb. Im Fokus der Aktivitäten stehen die Bereiche Elektrifizierung, Konnektivität, Batterien, Wasserstoff und Mobilitätsdienstleistungen.

Das Designteam in Valladolid arbeitet an der Komponentengestaltung wie auch an Motoren, Batterien und Hybridbauteilen. Nach der Simulation und dem Bau des Prototyps erfolgt die Validierung auf einer der 32 Testanlagen des sogenannten F+E+I-Zentrums sowie einer dort angesiedelten Teststrecke. In Valladolid stehen den Experten 24 Motorprüfstände, ein Batterieprüfstand für E-Tech-Fahrzeuge sowie vier Rollenprüfstände zur Verfügung, darunter ein aeroklimatischer Prüfstand, in dem sich Temperaturspektren zwischen -30 bis +45 Grad Celsius, Höhen von bis zu 4.000 Meter und bis zu 95 Prozent Luftfeuchtigkeit simulieren lassen.

Austral auf Herz und Nieren getestet

Wie das Renault-Team bei der Visite des Standorts mitteilt, hat alleine der Austral hier 1.200 Stunden Testzeit absolviert. Der neue Renault-SUV profitiere zudem bei den Themen Konnektivität und Software von der engen Zusammenarbeit zwischen Renault und Google, betont man beim Hersteller. Alle Highlights des Technologiegiganten stünden im neuen SUV zur Verfügung. Dank der vernetzten Dienste sollen sie zu einem intensiven Nutzererlebnis beitragen.

Dem Austral gibt man daher die Möglichkeit zu Over-the-Air-Updates wie etwa einer Fernaktualisierung von Steuergeräten (Firmware Over The Air, kurz: FOTA) mit auf den Weg. Das Team des Renault Zentrums für Forschung, Entwicklung und Innovation in Valladolid habe dazu sein gesamtes Know-how von der Konzeption bis zur Validierung in den neuen Renault Austral eingebracht, sagt José González Para, Direktor für Produktentwicklung bei Renault Spanien: „Auch in Zukunft wird es die gleichbleibend hohe Qualität und Wettbewerbsfähigkeit des Fahrzeugs über seinen gesamten Lebenszyklus sicherstellen, damit es ein voller Erfolg wird.

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