Frank Mantwill im Interview

„Zukünftig muss der Umgang mit datengetriebenen Prozessen als Fähigkeit eine Selbstverständlichkeit sein", meint Professor Frank Mantwill. (Bild: Helmut-Schmidt-Universität)

Herr Mantwill, wie wird sich die Rolle des Fabrikarbeiters in der Autoindustrie durch die zunehmende Automatisierung und den Einsatz von KI-gestützten Assistenzsystemen verändern?

Wir sehen bereits seit Jahrzehnten, wie die Automatisierung im Karosseriebau oder in der Lackiererei die Arbeit verändert hat. Das wird sich durch die weitere Automatisierung, beispielsweise durch humanoide Roboter, weiter fortsetzen. KI-gestützte Assistenzsysteme führen zwangsläufig zu automatisierten Prozessen, denn das Wissen verlagert sich zugunsten der Algorithmen und Maschinen. Für den Übergang benötigen wir geänderte Rollen, Qualifikationen und Tätigkeitsinhalte. Wir werden eine IT-/KI-orientierte Planung und Instandhaltung benötigen.

Welche Aufgaben werden zunehmend von Maschinen und Software übernommen und wo bleibt der Mensch unverzichtbar?

Im Karosseriebau war es die anstrengende körperliche Arbeit und die Wiederholgenauigkeit, die den Arbeiter ablöste. Das wird auch zukünftig das Rationalisierungsziel sein. In der Fertigungsplanung werden die Planungstools viele Aufgaben übernehmen können. Dabei gilt grundsätzlich: überall, wo wir repetitive und modellierbare Aufgaben haben, wird der Mensch ersetzt werden können. Auch wenn wir von generativen KI-Methoden sprechen, können diese keine originelle Kreativität erzeugen. Das bleibt die Domäne des Menschen, ebenso die Weiterentwicklung von Algorithmen und Robotern. Die Gesetzgebung wird auch einschränken, wo wir den Menschen ersetzen können, wie wir den aktuellen Diskussionen entnehmen können.

Welche neuen Fähigkeiten und Qualifikationen werden von den Mitarbeitenden in der Automobilfabrik der Zukunft erwartet?

Die VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity, Anm.d.Red.) erfordert mehr Agilität und Wandlungsfähigkeit. Das gilt für die Mitarbeitenden ebenso wie für die Führung. Das erfordert eine höhere digitale Kompetenz, um Rationalisierungen konsequent in Breite und Tiefe auszubauen. Damit einhergehend steigt die Bedeutung von Daten und Datenqualität. Zukünftig muss der Umgang mit datengetriebenen Prozessen als Fähigkeit eine Selbstverständlichkeit sein, ebenso der Umgang mit Maschine-Learning und Transformeranwendungen.

Automobil Produktion Kongress 2025

Automobil Produktion Kongress 25

Frank Mantwill ist Speaker auf dem Automobil Produktion Kongress 2025.

 

Am 15. Mai 2025 treffen sich auf dem Automobil Produktion Kongress in München wieder hochrangige Fach- und Führungskräfte, um über die Automobilfertigung der Zukunft zu sprechen. Gemeinsam streben Hersteller, Zulieferer und Dienstleister eine smarte, flexible sowie nachhaltige Produktion mit transparenter Lieferkette an. Seien Sie dabei und profitieren Sie vom kollektiven Branchenwissen.

 

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Wie können Unternehmen ihre Belegschaft auf diese Veränderungen vorbereiten?

Durch kulturstiftende Vorbilder. Aus der Forschung wissen wir, dass große technologische Umbrüche durch die Führung motiviert, kommuniziert, vorgelebt, begleitet und verfolgt werden müssen. Wandel braucht Führung. Personalseitig ist das Recruiting auf die erforderlichen Fähigkeiten auszurichten.

Wird es in der voll digitalisierten und autonomen Fabrik der Zukunft überhaupt noch klassische Produktionsarbeitsplätze geben oder entwickelt sich der Factory Worker zunehmend zu einem Prozessüberwacher und Problemlöser? Wird er gar obsolet?

Prozessüberwacher und Problemlöser wohl eher, auch wenn er dafür umfangreich digitale Tools einsetzt. Wie in der Vergangenheit gilt weiterhin das Verhältnis von Aufwand zu Nutzen. Da wo der Mensch nicht ersetzbar ist oder es sich nicht „lohnt“, wird er weiterhin tätig sein.

Befeuert der aktuelle Kostendruck in der Automobilindustrie diese Entwicklung?

Eigentlich nicht, da wir von Rationalisierung sprechen. Die Frage ist nur die nach der Amortisationszeit. Für die „low-hanging fruits“ wäre das möglich. Da wir in diesem Wandel noch lernen und Erfahrungen sammeln müssen, braucht es Pioniergeist, Experimentiermöglichkeiten und Freiheiten. Das könnte unter Kosten- und Zeitdruck zu kurz kommen. Da sehe ich die größte Gefahr.

Zur Person:

Frank Mantwill

Frank Mantwill ist seit 2004 Leiter der Professur für Maschinenelemente und Rechnergestützte Produktentwicklung (MRP) an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg (HSU). Er studierte an der RWTH Aachen Maschinenbau und wurde 1992 an der TUHH auf dem Gebiet der KI-gestützten Konstruktion promoviert. Von 1992 bis 2003 war Frank Mantwill auf dem Gebiet der Produkt- und Prozessentwicklung sowohl in der Entwicklung als auch in der Produktion in der Industrie leitend tätig. Zuletzt leitete er die Fertigungsplanung Karosserie bei einem deutschen Automobilbauer im Premiumsegment. Seit 2010 sitzt Prof. Mantwill dem VDI-Fachbeirat „Produktentwicklung und Mechatronik“, seit 2024 der VDI-Gesellschaft Produkt- und Prozessgestaltung vor und moderiert als Mitglied des Fachbeirats den Fachkongress Digitale Fabrik seit 2007.

 

Alle Infos rund um den Kongress Digitale Fabrik 2025.

 

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