Was ist Pay-per-Use?
Im Pay-per-Use-Verfahren werden Maschinen, Anlagen oder sonstige Assets für die Fertigung nicht mehr vom Kunden gekauft, genutzt und gewartet, sondern zu bestimmten Konditionen gemietet. Üblich ist eine monatliche Grundgebühr plus einer Abrechnung auf Basis von gefertigten Stückzahlen. Zudem kann das Modell bei Bedarf auf bestimmte Anlagen- oder Maschinenoptionen erweitert werden.
Grundlage für die Nutzung der Modelle ist eine zuverlässige IT-Infrastruktur zur genauen Erfassung der getätigten Arbeitsschritte und um den Wartungsbedarf der Maschinen möglichst akkurat zu prognostizieren. In der Regel übernimmt der Anbieter von Pay-per-Use-Modellen die Wartung der Maschinen inklusive bestimmter Garantien über deren Verfügbarkeit.
Für wen ist Pay-per-Use interessant?
Interessant ist das Modell, die Fertigung im Pay-per-Use oder im Pay-per-Part-Verfahren abzuwickeln, für eine Vielzahl an Akteuren. Unter anderem seien dies Unternehmen mit schwankenden Produktionsmengen, etwa durch eine unsichere Auftragslage oder konjunkturbedingte Veränderungen, erklärt Christian Kottmayr, Senior Manager Industries der Management- und Technologieberatung Sopra Steria. „Das Modell eignet sich zudem, wenn Unternehmen Produkte mit hohem Individualisierungsgrad oder in geringen Losgrößen herstellen. Das ist beispielsweise der Fall beim Prototypenbau, bei Kleinserien, im Luxussegment und der immer stärker nachgefragten Personalisierung von Produkten, worum sich dedizierte Bespoke-Abteilungen kümmern“, führt der Experte weiter aus. Pay-per-Use könne zusätzlich relevant werden, wenn Unternehmen instabile Lieferketten produktionsseitig absichern möchten. Ebenfalls denkbar sei der Einsatz bei Startups in der E-Mobilität oder Unternehmen, die Produkte nur über kurze Zeiträume fertigen.
Was müssen Unternehmen beachten?
Pay-per-Use bringe eine Reihe an Herausforderungen für Unternehmen mit, berichtet Sopra Steria-Experte Christian Kottmayr. Zu berücksichtigen seien unter anderem eine faire Abrechnungsmetrik zwischen Herstellern, Anbietern, Plattformen und Integratoren. Zudem sei die Integration in den Produktionsprozess der Hersteller alles andere als trivial, da die Produktplanung üblicherweise bereits mehrere Jahre vor Start der Produktion erfolge. Darüber hinaus müsse neben der Verfügbarkeit und Wartung von Anlagen auch die rechtliche Seite der jeweiligen Vereinbarungen eindeutig ausformuliert werden. Aspekte, die es hierbei zu klären gilt, seien etwa mögliche Schadensersatz- oder Haftungsfragen. Ebenfalls nicht zu unterschätzen sei der notwendige kulturelle Shift: „Generell bedeutet Pay-per-Use eine Offenlegung von Produktions- und Nutzungsdaten durch den Kunden. Diese Offenheit muss in einer durch Herrschaftswissen geprägten Branche gelernt werden“, so Kottmayr.
Aufgrund der automatisierten Abrechnung von getätigten Arbeiten kommt kaum ein Anbieter umhin, entsprechende Maschinen zu vernetzen. „Der 5G-Standard kann hier für die nötigen Latenzen für eine Echtzeitdatenverarbeitung sorgen“, erklärt Christian Kottmayr. Zudem brauche es eine Anbindung an ERP- und MES-Systeme. „Zu beachten sind zudem eine Datensicherheits- und Cloud-Strategie für die sichere und effiziente Nutzung der Maschinen-, Produktions- und Abrechnungsdaten. Wichtig ist, dass Unternehmen Maschinen wie die übrige IT-Infrastruktur behandeln und damit in ihre IT-Sicherheitsstrategien integrieren.“
Wer bietet Pay-per-Use-Services an?
Unter anderem hat Thyssenkrupp Automotive Body Solutions eine Beteiligung an der Cap-On GmbH aufgenommen, einem auf digitale Pay-per-Use-Services spezialisiertem Startup aus Bayern. Gemeinsam wollen beide Unternehmen künftig neue Finanzierungs- und Nutzungskonzepte im Anlagen- und Industriegütergeschäft etablieren. „Als Anlagenbauer und gleichzeitig Betreiber von Fertigungsanlagen zum Karosseriebau können wir als Unternehmen selber von neuen kapitalextensiven Finanzierungsmodellen profitieren“, kommentiert Falk Nüßle, CEO von Thyssenkrupp Automotive Body Solutions. „Gleichzeitig wollen wir langfristig unser Geschäftsmodell als Anlagenbauer um neue digitale Services, wie Pay-per-Use oder Equipment-as-a-Service, erweitern. Dazu bringen wir das Wissen um komplexe Maschinen- und Anlagensteuerung mit und Cap-On das Know-how für neue Finanzierungsmodelle und digitale Abrechnungssysteme.“
Im Umfang enthalten sind dabei Dienstleistungen wie die Installation, Instandhaltung oder Ersatzteilversorgung. Durch das Geschäftsmodell sollen Kunden von einem geringeren Risiko bei langfristigen Investitionsentscheidungen, geringerer Mittelbildung und einer höheren Flexibilität bei der Produktionssteuerung profitieren.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch der Robotik-Experte Kuka in einer im Rahmen der Automatica 2022 bekanntgegebenen Kooperation mit dem von MHP, Porsche und Munich Re ins Leben gerufenen Anbieter Flexfactory. Ziel der Zusammenarbeit ist es, anpassungsfähige Produktionskapazitäten anzubieten, die als Service gebucht werden können. Kunden sollen sich so stärker auf die Produktentwicklung und Kundenzufriedenheit fokussieren können, ohne Investitionskosten tragen zu müssen. „Angesichts der aktuellen Herausforderung der global nicht mehr funktionierenden Lieferketten, den Preissteigerungen im Frachtbereich und dem Trend der Rückverlagerung von Produktionsstandorten nach Europa sehen wir in diesem Konzept großes Potential“, erklärt Gerald Mies, Geschäftsführer von Kuka Systems. Beim sogenannten Pay-on-Production kauft der Kunde keine Produktionsanlage, sondern nur produzierte Teile, die zum Stückpreis abgerechnet werden. Entsprechende Erfahrungen sammelt Kuka bereits seit 2006 mit der Toledo Production Operations, die Rohkarosserien nach einem entsprechenden Modell fertigt.
Mit der Munich Re kooperiert auch der Maschinenbauer Trumpf. Kunden können unter anderem das automatische Laserschneider-System TruLaser Center 7030 nutzen, ohne es selbst anschaffen zu müssen. Im Angebot sind neben Serviceteilen und der Wartung auch ein Schutz gegen Maschinenstillstände sowie eine Remote-Support zur Überwachung der Anlagen inbegriffen.
Wie kann Pay-per-Use die Produktion verändern?
Wird das Konzept von Pay-per-Use konsequent zu Ende gedacht, ergeben sich neue Produktionsformen, die aktuell noch wenig gängig sind. Aktuell interessiere man sich für die Vision der Shared Production, erklärt Martin Ruskowski, Forschungsbereichsleiter Innovative Fabriksysteme am DFKI und Vorstandsvorsitzender der Technologie-Initiative SmartFactory KL, im Interview mit Automobil Produktion. Die Grundidee sehe vor, dass die virtuelle Produktionsplanung getrennt von der physischen Fertigung stattfinden könne. Letztlich suche sich das Unternehmen aus einem Pool die Produktionsmittel aus, die es für die Fertigung des jeweiligen Produktes braucht. „Da ist es am Ende egal, ob die Maschine in der eigenen Werkshalle steht oder woanders. Mit ausgereiften Data-Privacy-Konzepten könnte die Fertigung sogar beim direkten Konkurrenten stattfinden, ohne dass dieser an die Daten kommt“, erläutert Ruskowski. „Diese Idee hätte vor allem den Charme, zunehmend lokal fertigen zu können. Wir wollen damit den Standort Deutschland wettbewerbsfähig halten.“ Die Globalisierung stoße aktuell zunehmend an ihre Grenzen und müsse durch eine „Glokalisierung“ ersetzt werden, so der Produktionsexperte: „Global denken, aber sich lokal aufstellen. Dafür braucht es volle Flexibilität.“