Das Bremspedal loslassen und mit voller Wucht in den Sitz gedrückt werden: Wer die Launch Control des Porsche Taycan Turbo S zum ersten Mal verwendet, kann förmlich fühlen, was ein Sportwagen im Elektrozeitalter zu leisten vermag. Bis zu 560 kW / 761 PS beschleunigen des E-Flaggschiff des Premiumherstellers von 0 auf 200 km/h in unter 10 Sekunden. Verbrennungsmotor? Für das Porsche-Feeling längst keine Pflicht mehr. Auch abseits vom Overboost passt der im September letzten Jahres präsentierte Taycan perfekt auf die Rennstrecke.
Leistung statt Reichweite
Dynamisch schlängelt er sich unter den Klängen des Electric Sport Sound durch die Kurven des Hockenheimrings. Die E-Maschinen an Vorder- und Hinterachse profitieren dabei von der sogenannten Hairpin-Wicklung, die Leistung und Drehmoment bei gleichem Volumen erhöhen. Die Performance genießt oberste Priorität, schließlich soll der Elektrovorreiter als echter Porsche positioniert werden, betont Stefan Weckbach, Baureihenleiter Taycan.
„Wir werden als Porsche sicher niemals das Ziel haben, Reichweitenweltmeister zu sein.“ Mit gut 400 Kilometern unterscheidet sich das Gesamtkonzept nämlich von Konkurrenten wie Tesla oder Lucid Motors. Taugt der Taycan dennoch für den Alltag? Immerhin plant Porsche sicherlich nicht, eine Jahresproduktion von 20.000 Einheiten einzig an Rennfahrer abzusetzen.
Schnelles Fahren, schnelles Laden
Die Probe aufs Exempel macht das jüngste Derivat Taycan 4S, das zumindest in der Option Battery Perfomance Plus die höchste Reichweite verspricht. Schnell Fahren und schnell Laden, so hat sich Porsche die Balance zwischen Leistung und Komfort vorgestellt und verbessert durch den Ausbau der Porsche Charging Services sowie das Joint Venture Ionity sein Ladenetz für Langstreckenfahrten. Zwar ermöglicht die 800-Volt-Architektur des Fahrzeugs bereits Spitzenwerte von 270 kW an Schnellladesäulen, die mögliche Ladeleistung von 350 kW kann bisher jedoch nicht vollständig genutzt werden. Im Durchschnitt liegt sie mit rund 150 kW ohnehin weit darunter.
Trotzdem: Gut 20 Minuten für 80 Prozent Akkuleistung oder fünf Minuten für einen Reichweitengewinn von 100 Kilometern können sich sehen lassen. Eine Authentifizierung mittels Ladekarte oder App wird künftig zudem nicht mehr notwendig sein, die Plug and Charge-Funktion des Taycan kommuniziert verschlüsselt mit der Station – Lade- und Bezahlvorgang laufen automatisch ab.
Neue Käuferschichten dank E-Mobilität
Wieder im Baustellenverkehr der deutschen Autobahn angelangt, muss der aufgeladene Taycan dann anderweitig glänzen. Leistung ist hier nebensächlich. Wesentlich relevanter werden die unterschiedlichen Komfort- und Assistenzfunktionen, die Kunden auch nachträglich erwerben oder mieten können. Die Installation erfolgt Over-the-Air, ein Werkstattbesuch ist nicht vonnöten. Eine dieser Funktionen ist InnoDrive, ein System das die Geschwindigkeit basierend auf Navigationsdaten sowie Radar und Videosensorik an Tempolimits, Straßentopologie und das vorausfahrende Fahrzeug anpasst.
In Verbund mit der aktiven Spurführung lassen sich dadurch etwa Stausituationen erträglicher gestalten. Sollte die Geschwindigkeitsbeschränkung dann aufgehoben und die linke Autobahnspur frei sein, spielen das getönte Panoramaglasdach und das schlichte Design rund um den 8,4 Zoll großen Touchscreen wieder eine untergeordnete Rolle. Navigationsdaten werden nun wieder per Spracheingabe und nicht mittels Handschriftenerkennung übermittelt, im Fokus steht das Gaspedal.
Ausgerechnet in diesem Moment offenbart sich die neue Käuferschicht des Stuttgarter Autobauers: „Porsche ist ein bisschen jünger und ein bisschen weiblicher geworden“, so Stefan Weckbach über den hohen Anteil an Neukunden. Ein Tesla fährt auf gleiche Höhe auf, verhindert dadurch das Überholmanöver und eine junge Frau mit lockigen Haaren sowie einer kreisrunden, orangenen Sonnenbrille winkt euphorisch herüber. Elektromobilität und Leistung – manchmal schließen sich diese Begriffe eben doch gegenseitig aus.