Klappern gehört zum Handwerk. Das ist in der Automobilindustrie nicht anders als in anderen Branchen. Als Jaguar ankündigte, die schnellste Limousine der Welt zu entwickeln, rollten sie in München, Stuttgart-Untertürkheim und Ingolstadt mit den Augen: "Ja, ist klar". Als dann herauskam, dass der englische Thronräuber, der den Mercedes AMGs C63S, Audi RS4 und BMW M3s die Dynamik-Herrschaft streitig machen sollte, auf dem Jaguar XE aufbaute, mischte sich ein leichtes spöttisches Zucken der Mundwinkel in die Mimik der teutonischen Dynamik-Priester. Schließlich gilt die britische Mittelklassenlimousine nicht gerade als Ausbund der Agilität.
Doch die Gesichtszüge der deutschen Herrschaften sind spätestens dann entgleist, als der Jaguar XE SV Project 8 eine Zeit von 7.21,23 Minuten in den Asphalt der Nordschleife des Nürburgrings brannte. "Unser Ziel war zunächst, den BMW M4 GTS zu schlagen. Als das erreicht war, wollten wir den P8 einfach so schnell machen, wie möglich", erzählt Jaguar-Techniker Phil Talboys. Einfach den Fünfliter-V8-Kompressor Dampfhammer mit 441 kW / 600 PS unter die Motorhaube und einen mächtigen Spoiler auf das Heck packen - damit ist es nicht getan. Mit Geradeausbolzen gewinnt man in Europa keinen Blumentopf. Das wissen auch die Jaguar Ingenieure und packten jede Menge Technik in den Limousinen-Dampfhammer.
Das ganze Fahrwerk ist auf Agilität getrimmt: steifere Lager, Achsschenkel und Radlager, die, wie in der Formel 1, aus Siliziumnitrid bestehen, eine Carbon-Keramik-Bremse packt kräftig zu und die Karosserie kann manuell um 15 Millimeter abgesenkt werden. Vorne setzten die Techniker auf eine Doppelquerlenker- und hinten auf eine Integralachse, die mit einem elektronisch geregeltem Sperrdifferential versehen ist. Die Sperre hat sogar einen eigenen Ölkühler. "Wir wollten die Leistungsfähigkeit des Autos über einen langen Zeitraum gewährleisten und nicht nur für eine Runde", sagt Phil Talboys.
Das wollen wir doch genau wissen, schwingen uns in den SV Project 8 und finden in den Sitzschalen sofort eine perfekte Position. Per Knopfdruck erwacht der potente Achtzylinder zum Leben. Und los geht die wilde Hatz. Schon nach den ersten Kurven fällt auf: Der kraftstrotzende Brite liegt in der Hand wie ein perfekt ausbalanciertes Rennpferd, das jedes Kommando exakt umsetzt. Also schalten wir den P8 mit dem Track Modus scharf - wohl wissend, dass der Frontsplitter und der Heckspoiler auf maximalen Abtrieb gestellt sind. Rasend schnell nähert sich die knifflige Links-Rechts-Kombination. Der Dynamikakkord bestehend aus Anvisieren, Anbremsen, Einlenken und Herausbeschleunigen klappt reibungslos, fast spielerisch wirft sich der immerhin 1.745 Kilogramm schwere Jaguar XE SV Project 8 in den zweiten Teil des Streckenabschnitts - Lastwechselreaktionen? Auskeilen des Hecks? Fehlanzeige. Die 305er-Walzen hinten und 265er vorne krallen sich in den Asphalt. Der hecklastige Allradantrieb erlaubt der Vorderachse nur dann am Tanz teilzunehmen, wenn es aus Traktionsgründen nötig ist. Die Behändigkeit der 4,71 Meter langen Limousine ist wirklich beeindruckend, auch wenn die ganze Technik die knapp 1.8 Tonnen Lebendgewicht nicht ganz kaschieren können.
Es gibt noch Exemplare
Das merkt man auch an den Fahrleistungen: Nach 3,7 Sekunden flitzt die Tachonadel an der 100 kmh-Markierung vorbei und die Jagd geht weiter bis 322 km/h. Nur um der Chronistenpflicht genüge zu tun, sei erwähnt, dass der Jaguar XE SV Project 8 sich nominell mit elf Litern pro 100 Kilometer begnügt, doch wer den flinken Briten artgerecht bewegt, muss mit mehr rechnen. Schließlich fordern die acht Brennräume ihren Tribut, wenn der per Kompressor aufgeladene Motor seinen Hochleistungsdienst verrichtet. Dass das nicht ganz geräuschlos von statten geht, ist klar und vorn den Entwicklern ausdrücklich gewünscht, nicht umsonst zucken die Köpfe der Passanten, wenn man mit dem Project 8 vorbeidonnert. Innen ist es erstaunlich leise und sogar Unterhaltungen, die im Regelfall mehr freudiges Jauchzen denn Konversation sind, sind möglich.
Die 300 Exemplare Jaguar XE SV Project 8 werden bei Jaguar Special Vehicle Operations von Hand zusammengebaut, einfach weil die Fahrzeuge zu breit für die normale Montagelinie im Stammwerk sind, enthüllt Phil Talboys. Schließlich musste der Vorderwagen um 1.4 Zentimeter verlängert werden und die Aerodynamikteile und Luftkanäle fordern ebenfalls ihren Tribut bei den Abmessungen. Zum Schluss noch die gute Nachricht: Es soll noch ein paar Exemplare geben. Wer also mindestens 182.000 Euro übrig hat, sollte sich sputen.