Die aktuelle Mercedes C-Klasse hat einen Paradigmenwechsel hingelegt: weg vom reinen Komfortmodell, hin zu mehr Sportlichkeit. Das gelingt auch dank des rauen, aber durchzugsstarken Vierzylinder-Dieselmotors beim C 250d.
Früher, da war alles besser. Okay, das ist vielleicht nicht ganz richtig, aber bei den Automobilen war es früher zumindest einfacher. Nehmen wir mal die Mittelklasse, da stand der BMW 3er Limousine für Agilität und der Baby-Benz vom Typ Mercedes 190 beziehungsweise später die C-Klasse für Komfort und gediegenes Fahren. Heute verschwimmen die Grenzen zwischen den beiden süddeutschen Antipoden zunehmend. Der BMW hat den Federungskomfort entdeckt und Mercedes setzt alles daran, um sportlicher zu werden, ohne die Kernkompetenz des Komforts zu vernachlässigen.
Lauter Dieselmotor
Dieses Ansinnen wird schon beim Entern der schmucken Limousine deutlich. Die Sitzposition in dem gemütlichen Gestühl ist bei dem schicken Mittelklassemodell erstaunlich tief, daraus resultiert auch für Sitzriesen eine gute Kopffreiheit. Deswegen gestaltet sich auch das Aussteigen schwieriger als bei anderen Fahrzeugen, ohne jedoch zu einer Turnübung zu mutieren. Auch der Blick nach vorne unterscheidet sich nicht von dem der Konkurrenten, nur nach hinten stören breite C-Säulen und viel zu kleine Kopfstützen die Sicht auf das Umfeld. Schon deswegen lohnt es sich, bei der Aufpreisliste das Kreuz bei der Rückfahrkamera (476 Euro) zu machen. Noch mehr Übersicht gewährt das Park-Paket, in dem für 1.606 Euro neben den Parksensoren und der Rückfahrkamera auch eine Vogelperspektive-360-Rundumsicht möglich ist. Das erleichtert das Rangieren in zugeparkten Innenstädten immens, obwohl die C-Klasse kein unübersichtliches Auto ist. Die Instrumente sind perfekt abzulesen. Die breite Mittelkonsole mit zentralem Dreh-Drücksteller und obenliegenden Touchpad ist jedoch allenfalls mittelprächtig zu bedienen.
Was im Stadtverkehr auffällt, ist der akustisch allzu präsente Dieselmotor vom Typ OM 651, der sich auch im Stand durch spürbare Vibrationen, die auch im Lenkradkranz ankommen, bemerkbar macht. Ähnlich unharmonisch schüttelt sich das Fahrzeug auch bei aktivem Start-Stopp-System an der Ampel. Der knurrige Selbstzünder bleibt auch bei geringem Landstraßen-Tempo stets zu laut und wird erst oberhalb von 100 km/h von den Windgeräuschen übertüncht. Das 2,1 Liter große Commonrail-Triebwerk wird in der neuen E-Klasse erstmals von der harmonischeren OM-654-Generation mit zwei Litern Hubraum, erhältlich in den Leistungsstufen 150, 194 und 231 PS, abgelöst. Später kommt der 654er-Diesel auch in die C-Klasse. Der bis dahin 150 kW / 204 PS starke Vierzylinder-Dieselmotor schiebt aus nahezu jedem Drehzahlbereich kräftig an, während die Siebengang-Automatik für komfortable, reibungslose Gangwechsel sorgt. Bei einem Sprintvermögen von 6,6 Sekunden von null auf 100 km/h und einer Höchstgeschwindigkeit von GPS-gemessenen 248 km/h gilt: mehr Diesel braucht zumindest in dieser Klasse kaum ein Mensch – außer er will einen laufruhigen Sechszylinder, an der C 250d nicht heranreichen kann. Mit einem Durchschnittsverbrauch von 6,9 Liter pro 100 Kilometern übertrifft der Mercedes C 250d, die Werksangabe (4,3 bis 4,6 Liter/100 km) in einem vertretbaren Rahmen. Ebenfalls spürbar: ein Turboloch bei niedrigen Drehzahlen.
Teuer und sparsam
Beim Fahren zeigt sich, dass die Mercedes-Ingenieure ihr Lastenheft genau studiert haben. Die holprigen Oberflächen, der nicht immer perfekten Innenstadtstraßen werden durch die variablen Dämpfer in der Komfort-Einstellung zuverlässig weggebügelt. Wählt man “Sport” und vor allem “Sport plus” strafft sich das Fahrwerk. Vor allem in der Sport-plus-Variante sind die Dämpfer unnachgiebig und lassen die Passagiere nicht im Unklaren über die Beschaffenheit der Fahrbahnoberfläche. Auf den Landstraßen des Voralpenlandes zeigt der C 250d seine sportliche Seite, reagiert prompt und zuverlässig auf die Lenkbefehle, geht flott um die Ecken, ohne jedoch ganz die Kurvengier und Behändigkeit eines BMW 3er zu erreichen. Auch die Steuerung zeigt sich in den Sportmodi zwar präzise und direkt, fühlt sich aber synthetisch an. Unterm Strich sagt die C-Klasse der Baureihe W205 der Rentnergemütlichkeit ade, aber in der Komfort-Einstellung immer noch komfortabel abgestimmt.
Solange man einen normalen Einkauf mit vier bis fünf Taschen transportiert, reicht das Kofferraumvolumen von 480 Litern locker aus. Sollen sperrigere Gegenstände von A nach B bewegt werden, stehen dem Vorhaben die hohe Ladekante und insbesondere die recht schmale Kofferraumluke im Weg. Auch wenn sich die Rückbanklehnen umlegen lassen, erleichtert dies das Beladen des Gepäckanteils nicht, da der Zugang zu schmal bleibt. Für die Passagiere findet sich vorne und hinten genug Platz, allerdings gilt das nur für vier erwachsene Menschen. Der mittlere Mitreisende hat weniger Platz, da der mächtige Kardantunnel stört. Günstig ist das Vergnügen eine C-Klasse Limousine zu fahren mit einem Basispreis von 44.178 Euro nicht, aber man bekommt eines der besten Mittelklassefahrzeuge der Welt mit einem kräftigen, aber sparsamen Diesel. Wenn etwas neben dem rauen Dieselaggregat stört, dann ist es die dünne Serienausstattung. Mercedes lässt sein Volumenmodell serienmäßig nach wie vor ohne Xenon- oder LED-Scheinwerfer, Sitzheizung und ein Navigationssystem auf die Kunden los. Auch die zahlreichen Fahrerassistenzsysteme lassen sich die Schwaben teuer extra bezahlen. Ein komfortabel, aber nicht luxuriös ausgestatteter Mercedes C 250d mit beheizten Ledersitzen, großem Navigationssystem, ansehnlichen Felgen, LED-Licht und einem Mindestmaß an Fahrerassistenzsystemen liegt schnell über 55.000 Euro – das ist dann doch etwas viel des guten. Audi A4 und BMW 3er machen es nicht besser; aber schließlich hat auch die Nicht-Premiumkonkurrenz von Skoda, VW, Renault oder Kia einiges interessantes zu bieten – für viele tausend Euro günstiger.