Was dem Motorsportfan seine Nordschleife ist dem Amerikaner der Dragons Tail im Nordosten des Bundesstaates Tennessee an der Grenze zu North Carolina. 318 Kurven auf gerade einmal elf Meilen Bergstrecke - so etwas sucht man auch in den europäischen Alpen vergeblich. Ideale Bedingungen für eine ausgiebige Testfahrt mit dem neuen VW Atlas Cross Sport. Der mit 4,91 Metern Länge nur etwas kürzere Bruder des normalen Atlas wird im Werk Chattanooga, rund eineinhalb Stunden weiter südwestlich produziert. Das nahezu identische Schwestermodell für den asiatischen Markt heißt VW Teramont X und läuft in China vom Band. Die Optik ist die gleich; nur bei den Motoren bekommt der Amerikaner wahlweise einen zwei Liter großen Turbovierzylinder mit 175 kW / 238 PS oder einen 3,6 Liter großen V6 Sauger mit 206 kW / 280 PS, während der Chinese wahlweise 186, 220 oder 299 Turbo-PS bietet.

Seine Weltpremiere feiert der VW Atlas Cross Sport im Oktober an seinem Werksstandort in Chattanooga. Wie beim normalen Atlas bleibt es jedoch dabei, dass das größte Modell auf Plattform des modularen Querbaukastens den Europäern vorenthalten bleibt. Hier sollen es Modelle wie der Tiguan / Tiguan Allspace und der luxuriös positionierte Touareg richten. Viel Platz, massives Design und jede Menge Variabilität bietet der Cross Sport ebenso wie der bekannte VW Atlas. Das Heck wurde abgeschnitten und angeschrägt, wobei dem Cross Sport die leicht coupéartige Rückansicht gut steht. Kein Wunder, denn kürzer, knapper und knackiger soll neue Kunden auf dem so wichtigen US-Markt locken; solche Interessenten, die mit jeder Menge Platz für fünf Personen gut hinkommen und denen ein großer Kofferraum mindestens genauso wichtig ist, wie ein schickes Aussehen.

Mit dem getarnten Prototypen geht es aus Chattanooga über die Interstate 75 nach Westen bis nach Sweetwater, von wo sich die Straße immer weiter Richtung Little Tennessee River verschlankt. Rechts abbiegen auf die Landstraße 129 und schon zeigen Touristenstände und gelbe Warnhinweise, dass hier mit dem Dragons Tail die kurvenreichste Straße Nordamerikas lockt. 318 Kurven auf elf Meilen - ein Mekka für Motorradfahrer und Autos. "Hier kommen regelmäßig auch viele Autohersteller mit ihren getarnten Prototypen zum Testen", sagt Michelle, die in der örtlichen Mischung aus Diner und Lodge seit fast 20 Jahren arbeitet, "ist nichts Ungewöhnliches. Aber die meisten sind Biker." Ganz so leichtfüßig wie eine Rennmaschine ist der VW Atlas trotz des Namensannex Cross Sport nicht. Doch viel weniger Dynamik als die schweren Harley Davidson Cruiser, die hier mit mäßigem Tempo unter ihren betagten Piloten herumtuckern, hat auch der zwei Tonnen schwere Crossover nicht zu bieten. Die Racer kommen eher am Wochenende und so ist der Dragons Tail nahezu leer für einen Dynamiktext mit dem Cross Sport.

Bei knapp über 30.000 Dollar geht es los

Der Fahreindruck bestätigt auf der kurvenreichen Piste mit überraschend gutem Straßenbelag jedoch das Bild der letzten knapp zwei Stunden. Der Cross Sport ist speziell für den amerikanischen Markt ausgelegt. Ein Cruiser mit Langstreckenqualitäten und viel Platz. Das Fahrwerk ist komfortabel, die Lenkung durchaus direkt und die spürbaren Wankbewegungen sorgen zusammen mit den typischen US-Ganzjahresreifen dafür, dass man es auf dem Dragons Tail nicht zu forsch angehen lässt. Adaptive Dämpfer oder einen entsprechenden Wankausgleich bietet der große VW Atlas Cross Sport nicht. Doch in der 30.000-Dollar-Liga ist die Konkurrenz hart und der US-Kunde überaus preissensibel. LED-Scheinwerfer, Achtstufenautomatik, animierte Instrumente und jede Menge Platz wird der Cross Sport als Serienmodell ebenso wie der VW Atlas ab Werk bieten. Auf Wunsch gibt es Ausstattungsdetails wie Navigation, Allradantrieb, Panoramadach, belederte Komfortsitze oder eine elektrische Heckklappe. Man sitzt bequem und lässt die Wälder von Tennessee an sich vorbeirauschen, während der V6-Motor für dieses Gewicht durchaus etwas mehr Pfeffer haben dürfte und auch das Sportprogramm der Aisin-Automatik keine wirkliche Dynamik zaubert.

Aber mit dem Atlas Cross Sport widerlegt Volkswagen den alten Vorbehalt, dass man den amerikanischen Markt nicht verstehe. Hier passt der Atlas, gerade auch als emotionalere Cross-Sport-Version, hin. Insbesondere, wenn der Preis stimmt, denn der fünfsitzige Atlas Cross Sport dürfte kaum teurer werden als der siebensitze VW Atlas mit seinen 5,04 Metern, der bei rund 31.000 Dollar startet.

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