In China ist es keine Seltenheit, dass sich alle paar Monate eine neue Automarke gründet. Doch bei Polestar ist vieles anders. Nicht nur der imposante Auftritt. Volvo ist als imageträchtiger Bestandteil der chinesischen Zhejiang Geely Holding längst in China angekommen. Bereits die Weltpremiere im traditionsreichen Yuz-Museum in Shanghai zeigte, dass Volvos Submarke ernsthafte Ambitionen hat, die Autowelt zu elektrisieren. Dabei will der automobile Polarstern nicht irgendeine Elektromarke werden, sondern sich ebenso sportlich positionieren, wie dies einst Volvo-Tuner Polestar tat. Den hatte Volvo im Jahre 2015 komplett übernommen, nachdem die Motorsport-Zusammenarbeit mit Polestar Performance fast 20 Jahre vorher begonnen hatte.
Polestar wird damit ebenso zur elektrischen Submarke wie dies einst BMW mit BMW i vormachte. Mittlerweile folgen dem bayrischen Beispiel immer mehr Hersteller. Daimler will Smart und Mercedes EQ ebenso als Elektromarken des Konzerns positionieren, wie leicht abgeschwächt Volkswagen seine I.D.-Familie, Audi die e-tron-Modellreihe oder Geely seine Marke Lynk & Co mit deutlichen Anleihen an bestehende Volvo-Modelle.
Bei der Weltpremiere in Shanghai enthüllte Polestar-CEO Thomas Ingenlath nicht nur den 600 PS starken Power-Hybriden Polestar 1 im eleganten Karbonkleid mit deutlichen Designanleihen bei der aktuellen Volvo-S90-Generation, sondern kündigte neben der Mitte 2018 fertiggestellten Produktionsstätte im chinesischen Chengdu zwei weitere Modelle des Markenneulings an.
Verkauft werden sollen sämtliche Polestar-Fahrzeuge nicht mehr beim Händler um die Ecke. Alle Autos werden ohne Anzahlung in einem zwei- oder dreijährigen Abonnement angeboten und komplett online bestellt. In der fixen Monatsrate inbegriffen sind Abhol- und Bringdienste sowie die Möglichkeit, alternative Fahrzeuge von Volvo oder Polestar zu mieten. Als Fahrzeugschlüssel dient dabei allein das Smartphone, wodurch das Fahrzeug auch für dritte nutzbar wird. Sämtliche Services werden über die entsprechende App oder einen zusätzlichen Concierge-Service ermöglicht.
Der ab Mitte des Jahres 2019 verfügbare Polestar 1 ist als hybride Überbrückung bis zum reinen Elektrozeitalter ein 2+2-sitziges Coupé, dessen elegantes Design mit erkennbaren Volvo-Anleihen kaum vermuten lässt, dass es das Erstlingswerk derart faustdick hinter den Ohren hat. Die 441 kW / 600 PS und 1.000 Nm maximalen Drehmoment des so genannten "Electric Performance Hybrid" sollen für grandiose Fahrleistungen sorgen. Rein elektrisch soll der 4,50 Meter lange Plug-In-Hybride bis zu 150 Kilometer zurücklegen können. Das 34-kWh-Akkupaket ist im Mitteltunnel und über der Hinterachse untergebracht. Zum Volumenmodell taugt der schicke Gran Turismo mit einer jährlichen Auflage von 500 Fahrzeugen nicht; das sehenswerte Design dürfte jedoch nicht nur bei potenziellen Volvo-Liebhaber Begehrlichkeiten wecken. "Der Polestar 1 ist das erste Fahrzeug, das den Polarstern auf der Motorhaube trägt. Ein formschöner GT, der mit faszinierender Technik ausgestattet ist - ein großartiger Start für die neue Marke Polestar", erläutert Polestar-CEO Thomas Ingenlath, der gleichzeitig Volvo-Chefdesigner bleibt, "alle künftigen Polestar-Modelle verfügen über einen vollelektrischen Antriebsstrang, der unsere Vision als neue und eigenständige elektrifizierte Performance-Marke unterstreicht."
Rein elektrische Modelle ab 2020
Beim Aufbau der neuen Elektromarke bedient sich Polestar in Sachen Design, Entwicklung und Produktion kräftig bei Volvo und wohl auch bei der noch jungen Automarke Lynk & Co, die ihre elektrifizierten Fahrzeuge ebenfalls auf Volvo-Plattformen entwickelt. Der Polestar 1 basiert stark verkürzt ebenso auf der skalierbaren SPA-Plattform; wurde jedoch von den Entwicklern umfangreich angepasst, sodass es sich um einen echten Sportwagen handelt. Die Gewichtsverteilung liegt bei nahezu idealen 48:52 Prozent. Die Karosserie besteht aus ebenso leichter wie hochfester Karbonfaser und erstmals wurde in einem Serienfahrzeug ein aktives Dämpfersystem von Öhlins verbaut. Die Karbonkarosse spart genau jene 230 Kilogramm, die das Akkupaket wiegt. Während ein Turbobenziner die Vorderachse mit Leistung aus einem Zweiliter-Vierzylinder versorgt, leiten zwei Elektromotoren mit einer Leistung von 160 kW / 218 PS ihren Kraftfluss via Planetengetriebe mit gezielter Drehmomentverteilung effektvoll an die Hinterachse und machen den Polestar 1 so zum potenten Allrad-GT.
Nach dem hybriden Polestar 1 werden alle künftigen Polestar-Modelle vollelektrisch angetrieben. Der ab Ende 2019 / Anfang 2020 produzierte Polestar 2 wird insofern das erste batterieelektrische Fahrzeug der Volvo Car Group. Die Mittelklasselimousine soll gegen Modelle wie Teslas Model 3 oder den Mercedes EQ C antreten.
Erst danach kommt mit dem Polestar 3 ein elektrischer SUV auf die internationalen Märkte. "Als Teil der Volvo Car Group kann Polestar bei Design und Entwicklung seiner Fahrzeuge auf die Prozesse eines etablierten Automobilunternehmens zurückgreifen, aber gleichzeitig mit neuer Technik in kleinerer Auflage außerhalb der Mainstream-Segmente experimentieren. Durch dieses Entwicklungstempo können wir schon heute bestätigen, dass unsere aus drei Polestar Fahrzeugen bestehende Modellpalette innerhalb der nächsten vier Jahre in den Handel rollt", so Thomas Ingenlath.
Konfiguration und Bestellung aller Polestar Modelle erfolgen online über ein Internetportal oder über die spezielle Polestar App. Persönlicher Kontakt ist dennoch weiterhin möglich: Das Unternehmen eröffnet unabhängig von bestehenden Volvo-Autohäusern ein weltweites Netzwerk sogenannter "Polestar Spaces", wo die Fahrzeuge besichtigt werden können; die Wartung übernehmen ausgewählte Volvo Händler. Das erste "Polestar Space" soll im ersten Quartal 2019 eröffnen; weitere folgen mit steigendem Absatzvolumen. Das Erstlingswerk Polestar 1 ist ab sofort bestellbar.