„Wir wollen der erste digitalisierte, globale agierende Pressenhersteller der Welt werden“, verkündet Domenico Iacovelli vor Journalisten im Schuler Innovation Tower in Göppingen mit Blick auf anstehende und teils bereits eingeleitete Modifikationen bei Unternehmensprozessen, Geschäftsmodellen und Produkten der traditionsreichen Schuler AG.
Der seit April 2018 als CEO an der Spitze des zum österreichischen Technologiekonzerns Andritz gehörenden Umformtechnikspezialisten und Pressenbauers Schuler hat klare Vorstellungen davon, wie den anspruchsvollen Herausforderungen des durch wachsenden Preisdruck, Dieseldilemma und internationale Handelskonflikte schwierig gewordenen Automotive-Geschäftes längerfristig die Stirn geboten werden kann.
Denn die Analyse der Entwicklung des Geschäftsjahres 2018 zeigt dringenden Handlungsbedarf: Bei stagnierendem Konzernumsatz (1,212 Milliarden Euro gegenüber 1,220 Milliarden Euro) fiel das Betriebsergebnis EBITA auf 45,3 (111,9) Mio. Euro. Das Konzernergebnis nach Steuern beziffert Schuler auf 13,5 (67,4) Mio. Euro. Der Lichtblick heißt Auftragseingang: Er stieg 2018 auf 1,255 (Vorjahr 1,141) Milliarden Euro. Die Regionen Europa und China legten zu, das Nordamerika-Geschäft erlitt deutliche Einbußen.
Besonders in Deutschland bleibe der Anpassungsdruck hoch, sagte CEO Iacovelli. „Deshalb haben wir 2018 begonnen, Schuler dynamischer zu machen und am Kundenbedarf orientierte Innovationen schneller an den Markt zu bringen. Ziel ist die Konzentration auf das rentable Kerngeschäft des Konzerns und die Steigerung der Ertragskraft in den kommenden Jahren. Dazu gehört die konsequente Trennung von verlustbehafteten Geschäftsbereichen, wo immer erforderlich.“
Bereits beschlossen hat Schuler, sich 2019 aus der seit Jahren unrentablen Fertigung von Verpackungsmaschinen und Anlagen zur Produktion von Großrohren zurückzuziehen.
Getrennt hat sich Schuler auf Managementebene auch von der Position eines CTO; der Vorstand besteht neben CEO Iacovelli jetzt aus Finanzchef und Arbeitsdirektor Norbert Broger und COO Dr. Peter Jost.
Teures „Over-Engineering“ soll der Vergangenheit angehören. Es gelte, „Technologie-Silos“ im Konzern durch Ansiedlung der Produktentwicklung in den marktnahen Divisionen aufzubrechen und zentrale Technologiethemen wie Digitalisierung oder Software-Entwicklung direkt beim CEO zu bündeln. Standardisierung soll helfen, Kosten zu senken und Entwicklungen zu beschleunigen.
Um die time-to-market künftig zu verkürzen, sollen auch Ressourcen aus dem Andritz-Konzern herangezogen werden, wie Iacovelli gegenüber AUTOMOBIL PRODUKTION erklärte.
Es sei wichtig, verstärkt Kostenvorteile bei der Produktion in China und Brasilien zu nutzen und das weltweite Service-Netzwerk auch in Deutschland auszubauen. Die Standorte in China erhalten zusätzliche Ingenieursstellen.
„Wir werden Schuler konsequent auf neue Märkte, digitale Geschäftsmodelle und die rentablen Kerngeschäftsfelder ausrichten“, sagt der CEO. Bereits in den vergangenen Monaten sind neue Produktstrategien für jede Geschäftsdivision entwickelt worden.
Mit neuen mechanischen Pressen im mittleren Preissegment und einer konsequenten Digitalisierung der wesentlichen Produktlinien wolle Schuler ab 2019 zusätzliche Marktanteile gewinnen.
Die Lokalisierungsstrategie folge der Devise, Produkt- und Projektverantwortung auch direkt in den jeweiligen Märkten anzusiedeln und die lokale Wertschöpfung weiter zu steigern. Auch werde die Produktionsstruktur in Deutschland, China, den USA und Brasilien konsequent optimiert.
Mitte 2019 schließlich wollen Schuler und Porsche mit dem Bau ihres inzwischen endgültig vereinbarten gemeinsamen High-Tech-Presswerks „Smart Press Shop“ nahe Leipzig beginnen.
„Porsche und Schuler bringen gemeinsam ein Presswerk zum Einsatz, das in zweifacher Hinsicht neue Maßstäbe setzt – bei der Leistungsfähigkeit in der industriellen Fertigung und bei der digitalen Vernetzung und Auslesbarkeit der Datenströme im gesamten Produktionsprozess“, sagt Iacovelli. „Von diesem großen Schritt nach vorn wird Porsche profitieren, aber letztlich andere Hersteller auch.“
In dem Joint Venture kommt die neue Servo 20-Technologie von Schuler zum Einsatz. Sie steigert den maximalen Output von 18 auf 20 Hübe pro Minute und reduziert dabei den Energieverbrauch pro Hub und Bauteil. Durch ein neu entwickeltes Konzept zum Werkzeugwechsel können kleine Losgrößen mit hoher Wirtschaftlichkeit produziert werden.
Als weitere Merkmale der neuen Linie gelten ein optimierter Servo-Antrieb der Folgepressen und ein verringerter Platzbedarf. Hauptsächlich werden Außenhautteile aus Alu produziert, ein besonders bei E-Fahrzeugen immer wichtiger werdendes Konstruktionsmerkmal.
Für Schuler ist das Gemeinschaftsunternehmen mit Porsche einerseits zwar Beispiel für die enge Zusammenarbeit mit den weltweit führenden Automobilherstellern. „Gleichzeitig richten wir uns auf neue Märkte und digitale Geschäftsmodelle aus“, erläutert Iacovelli.
Der Schuler-Chef will die Zusammenarbeit mit Porsche auf Nachfrage explizit nicht als „Blaupause“ für ähnliche Kooperationen verstanden wissen. Im Gegenteil: „Wir müssen die Abhängigkeit von deutschen OEMs reduzieren“, betont er. Hier sei der Preis- und Anpassungsdruck besonders hoch.
Schuler habe zudem begonnen, neue Kundensegmente bei asiatischen Newcomern im Fahrzeugbau wie Vinfast (Vietnam) oder NIO (China) zu erschließen. Schulers Technologiekompetenz sei stark nachgefragt. Auch wurden bereits Produktionslinien für Batterien ausgebaut.
Schuler Finanzvorstand Norbert Broger fasst zusammen: „2018 war operativ und strategisch ein sehr anspruchsvolles Jahr. Umso wichtiger ist es, dass wir den negativen Trend im Auftragseingang wieder drehen konnten und erstmals eine Steigerung von zehn Prozent haben. Somit sind wir mit einem guten Orderbestand über 926 Millionen Euro in das neue Jahr gegangen. Deshalb und wegen der bereits eingeleiteten Kostensenkungsmaßnahmen sind wir zuversichtlich, mittelfristig Ergebnisverbesserungen zeigen zu können.“