Paneldiskussion: Klimaneutrale Produktion & Logistik auf dem Automobil Produktion Kongress

Wie Produktion und Logsitik klimaneutral werden, diskutieren (v.l.n.r.) Pascal Nagel, Chefredakteur Automobil Produktion, Paulina Sierak vom Fraunhofer IIS und Rüdiger Recknagel, Audi (Bild: facesbyfrank)

Reduce und Reuse lauten die beiden großen Stellhebel für die nachhaltige Automobilproduktion, sind sich die Experten im Rahmen der Panelrunde auf dem Automobil Kongress einig. Paulina Sierak leitet die Gruppe Data Efficient Automated Learning, Abteilung Analytics, Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer IIS, Rüdiger Recknagel ist Leiter Umweltschutz für den Audi-Konzern. Beide sprechen in München über klimaneutrale Produktion und Logistik.

Wie der Audi-Experte betont, zählt zur Nachhaltigkeit im Gesamtpaket in ganz entscheidender Weise auch der Umgang mit den Mitarbeitern, hinzu kommen müsse auch ein effektives Arbeiten an den ESG-Ratings. Der Anteil des Volkswagenkonzerns an den weltweiten CO2-Emissionen betrage ein Prozent, sagt Recknagel. Zu Audis Beitrag im Rahmen der sogenannten Mission:Zero-Aktivitäten zähle neben der Modellstrategie einer Flotte ohne Verbrenner ab 2033 freilich die Dekarbonisierung der Produktion. Bereits 2025 wolle man bilanzielle Neutralität erreichen, so der Audi-Experte. Ein erster und enorm wichtiger Hebel dazu sei, schlicht Energie zu sparen. Ein weiteres Augenmerk müsse der Eigenerzeugung von Energie gelten. Erneuerbare Energien einzusetzen sei ein dritter Schritt. Diesen gehe man etwa in Ingolstadt bereits seit 2012.

Für Fraunhofer-Expertin Paulina Sierak zählt die Digitalisierung zu den wichtigen Hebeln für eine klimaneutrale Produktion und Logistik. Ältere Produktionsstätten stünden bei der Digitaltransformation zwar eher im Schatten neuer Werke, die sich des Themas allumfassender annehmen können. Dennoch sei auch für die bestehenden Fertigungen noch mehr Digitalisierung einer der relevanten Hebel in Richtung klimaneutrale Fertigung. Für Audi-Mann Recknagel zählen neben den eigenen Engagements insbesondere auch die Aktivitäten der – alleine bei Audi rund 16.000 – Lieferanten hinzu, da sie mit ihrem Wirken enorm wichtige Stellhebel für eine klimaneutrale Produktion bieten.

KI kann befähigen, birgt aber auch Risiken

Man versuche, die Supplier auch mit Hilfe von KI zu mehr Nachhaltigkeit zu befähigen, erklärt der Audi-Experte in München. So gestalte man beim OEM gemeinsam mit den Lieferanten Workshops. Dabei sei man jedoch nicht in der Position, die Oberhand über das Thema zu beanspruchen, vielmehr nutze man die Formate zum gegenseitigen konstruktiven Austausch auf Augenhöhe. Zahlreiche Zulieferer seien bei der Nachhaltigkeit im Übrigen sehr weit und würden über eine enorme Reichweite bei diesem Thema verfügen, so Recknagel.

Auf die Risiken von Künstlicher Intelligenz angesprochen sagt Paulina Sierak, dass man in der Forschung sowohl die Chancen als auch die Gefahren von KI sehr genau betrachte und insbesondere die möglichen Risiken ernst nehme. Zu den Forschungsbereichen am Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen IIS zählt unter anderem das Thema Supply Chain Analytics. Wie die Wissenschaftlerin dem Publikum in München zeigt, liegen die Stellschrauben für Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz in einer cleveren Kreislaufwirtschaft, in einem Fokus auf den Energieverbrauch, auf die Emissionen sowie der Lean Production. Mit Blick auf den Einsatz von KI fehle im Bereich der Produktion noch ein klarer Absicherungs-Standard, konstatiert die Fraunhofer-Expertin in München. Vorstellbar seien in der Praxis Stichproben der KI-Qualität. Sierak sieht hier noch einen großen Weg vor der Branche. Die Wissenschaftlerin erkennt eine wichtige Chance etwa auch in der Datenökosystem-Initiative Catena-X.

Eines der größten Potenziale unter den automobilen Gewerken, so Recknagel, schlummere in den Paintshops. Denn Lackierereien seien für etwa ein Drittel des Gesamtverbrauchs in der Fertigung verantwortlich. Als gewichtige Stellhebel für Optimierungen sieht der Audi-Experte daher die energieintensiven temperierten Luftströme, wie sie im Lackierprozess für die Sauberkeit der Oberflächen verantwortlich sind. Diese noch cleverer zu steuern und die mit etwa 140 Grad Wärme arbeitenden Trockner von fossilen Energien auf Elektrobetrieb umzustellen, seien wirksame Hebel für eine noch grünere Automobilfertigung.

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