In Ihrer Freizeit lassen Automobil-Ingenieure gerne ihrem Erfindungstrieb freien Lauf. Manchmal entstehen in den konspirativen Entwicklungszirkeln der Techniker bei dem einen oder anderen Bier, Fahrzeuge, die einen bleibenden Eindruck in der Automobil-Geschichte hinterlassen. Der VW Golf GTI ist so ein Beispiel. Wenn aber die ohnehin schon auf leistungsfähige Boliden getrimmten Ingenieure der M GmbH Daniel Düsentrieb spielen, kommen extravagante Kreationen heraus.
Da ist zu Beispiel ein Pick-Up der Baureihe E30 mit der der M3-Mythos seinen Anfang nahm. Jeder Fan der weißblauen Marke weiß um das potente Vierzylinder-Triebwerk, den legendären Motoren-Papst Paul "Nocken-Paule" Rosche und die schnellen Limousinen. In den Köpfen der Techniker spukt noch eine andere, verwegene Idee. Wie wäre es mit einem Pickup? Die Chefs schütteln entgeistert den Kopf. Doch die Ingenieure machten sich dennoch an die Arbeit. Abends am Wochenende mit der Hilfe der Azubis. Alles freiwillig, aus Spaß an der Sache. Einfach so. "Wir haben Mitte September angefangen und waren Ende des Jahres fertig"; erinnert sich Jakob Polschak, Leiter Fahrzeugmusterbau und Werkstätten der BMW M GmbH. Die Basis war ein E-30-Cabrio, dessen Bauweise mit den Versteifungen ideal für das Pickup-Projekt war. "Wir haben uns dann einfach die Teile genommen, die da waren", erzählt Polschak. Darunter auch viele des sogenannten "Italo-M3", also des 320is. Der Pickup schafft 200 PS, hat ein Targa-Dach und eine Ladefläche, die mit Riffelblech ausstaffiert ist. Damit das Gefährt seinen Job als Lastesel ausführen kann, ist die Hinterachse kurz übersetzt. Das weiße Fahrzeug mit dem Spitznamen "DResi" hat nie eine Straßenzulassung gehabt und wurde 25 Jahre lang als Teile-Transporter auf dem BMW-Gelände eingesetzt.
Eine echte Chance in die Serie zu gehen, hatte der BMW M3 Compact der Baureihe E36. Das pfeilschnelle Coupé mit 321 PS mit einem Gewicht von lediglich 1,3 Tonnen (also 150 Kilogramm weniger als der reguläre M3) sollte jüngeren M-Fans den Einstieg in den sportlichen BMW-Ableger erleichtern. In Kombination mit dem strafferen Fahrwerk legte der Prototyp eine Agilität auf den Asphalt, die die Querdynamik-Connoisseure noch heute mit der Zunge schnalzen lässt. "Die Abstimmung des Fahrzeugs war diffizil, um eine Kopflastigkeit zu vermeiden. Der damalige BMW-Chef Eberhard von Kuenheim hat zu uns gesagt: ,Wenn ihr im Kreis fahren wollt, müsst ihr das Geld dazu selbst verdienen. Also haben wir nach neuen Modellvarianten gesucht"; öffnet Jakob Polschak das Anekdoten-Buch. Der M3 Compact sollte also sein Scherflein zur Finanzierung der Motorsport-Ambitionen der M GmbH beitragen. Allerdings wäre beim Serienmodell vermutlich die Leistung etwas reduziert worden, um eine Kannibalisierung mit dem Normalo-M3 zu vermeiden. Doch auch die Konstruktionspläne für dieses vielversprechende Modell verschwanden in den Schubladen der Entwickler. "Das Produktmanagement hat das Geschäftsmodell nicht gesehen", erinnert sich Polschak schulterzuckend.
Power Pickup
Allen, die angesichts der beiden vorherigen Prototypen jetzt ins Schwärmen geraten und von einem M3 Touring träumen, sei gesagt, dass auch dieses Modell in den Gedankenspielen der Produktplaner einen prominenten Platz eingenommen hat. Im Jahr 2000 bauten die M-Ingenieure ein solches Fahrzeug. Was als Erstes in Auge fällt, wenn man sich dem gefährt nähert, ist die grandiose Lackfarbe "Chrom Shadow", das ausschaut, wie flüssiges Aluminium und dem M3 Touring der Baureihe E46 ein dreidimensionales Aussehen verleiht, das in jedem Film der Terminator-Reihe seine Berechtigung hat. Sogar der Konkurrent Mercedes interessierte sich für die neue Farbe, die bei diesem Fahrzeug zum ersten Mal großflächig eingesetzt wurde. Unter der Haube befand sich bewährte E46 M3 Technik, sprich aus den 3,2 Litern Hubraum des Reihensechszylinders kitzelten die Ingenieure 343 PS. "Die Achslastverteilung lag bei 50:50 und die Fahrdynamik entsprach der, des regulären M3s", erzählt Jakob Polschak. Ein ganz besonderes Schmankerl gab es im Innenraum, da die Mittelbahnen der Sitze aus einem speziellen Neopren Formel 1 Metallgewebe bestanden. Der Kombi sollte dem Audi S4 den Garaus machen und auf einer Messe die Resonanz des Publikums erforschen. Dazu kam es nicht. Auch dieses aufregende Modell fiel dem Rotstift zum Opfer.
Wir haben mit einem Pickup begonnen ,wir beenden diese Aufzählung mit einem solchen Gefährt. Diesmal ist ein Cabrio der Modellreihe E92 der Technikspender. Also hat dieses M3-Derivat des Jahres 2011 vier Liter Hubraum, einen V8-Motor und 420 PS. Eigentlich der Traum eines jeden M-Aficionados. Vor allem, weil man auch in dieser Variante, die schneller als 300 km/h rennen kann, das Targa-Dach herausnehmen kann. Der Blaumann-M3 hat alles, was ein Handwerker braucht: eine Ladefläche mit Riffelblech inklusive Stauraum für das Werkzeug und abnehmbarer Anhängerkupplung. Obwohl das Fahrzeug am 1. April 2011 präsentiert wurde, hielten es die Autofahrer für keinen Aprilscherz und bald schon flatterten die ersten Anfragen beim Sitz der M GmbH in Garching nahe München ein. Doch der neue Pickup, der jedem Ford F150 Velociraptor Pickup das Fürchten lehren würde, trat die Nachfolge des ersten weißen PS-Lasters als BMW-interner Gütertransporter an, der nach 25jähriger Dienstzeit etwas in die Jahre gekommen war, an.