Wir waren mit ihm in den USA unterwegs.
Platz ohne Ende
Natürlich werden bei solchen Summen schnell die Karten der über die Grenzen hinaus bekannten Qualitätsanmutungen und Fahrdynamikvorteilen der deutschen Premiummarken auf den Tisch gelegt. Befindet sich dieser Tisch allerdings in den USA, werden diese Joker auf dem nächsten Grill vernichtet. Denn in puncto Verarbeitungs- oder Materialqualität braucht sich Ford seit einigen Jahren nicht mehr vor der deutschen Konkurrenz zu verstecken. Und die Fahrdynamik geht den Amerikanern schlicht am etwas zu hart gefederten Popometer vorbei. Was bringt eine Höchstgeschwindigkeit von über 130 Kilometern pro Stunde in einem Tempolimit-Land? Genau: nichts. Dabei würde sich dort niemand darüber beklagen, dass der 2,2 Tonnen-Gigant zu schnell den nur 71 Liter großen Tank leersaugt – solange im farbenfrohen Prospekt in diesem Punkt nicht allzu utopische Verbrauchswerte stehen. Bei 40 Euro-Cent pro Liter spielt das gute Liter-Dutzend auf 100 Kilometer also auch keine Rolle mehr. Was nicht heißen soll, dass diese Umwelteinstellung zu begrüßen ist. Für die meisten Autokäufer erweitert diese Tatsache aber schlicht weg die Fahrzeug-Auswahl.
Fällt die Wahl auf den Explorer mit 20 Zoll großen und 255 Millimeter breiten Reifen darf es auch gern der 370 PS starke und 3,5 Liter große V6-Ecoboost-Benzinmotor sein. Seine 475 Newtonmeter bringt er bei Bedarf über alle vier Räder auf die Straße. Was erstaunt ist, dass er das mit einer überraschen frischen Leichtigkeit gepaart mit einem angemessenen Sechszylinder-Klang macht. Wird er zudem noch bis unters Dach beladen, fällt die Federung auch gar nicht mehr ganz so hart aus. Faszinierend an dem in Chicago gefertigten Ford ist aber auch genau diese Lademöglichkeit. In nüchternen Zahlen ausgedrückt bedeutet dies ab der ersten Reihe 2.313 Liter, aber der zweiten Reihe 1.243 Liter und hinter der dritten Sitzreihe 595 Liter. An dieser Stelle sei nochmals ein Vergleich erlaubt. Ein nur zehn Zentimeter kürzerer Audi A6 Avant oder auch ein BMW 5er Touring verfügen über rund 560 Liter im normalen Zustand. Die Frage, warum die Amis nicht auf Kombis, sondern auf SUV stehen, dürfte damit klar sein.
Ein hohes Ladevolumen, was nicht ohne eine gewisse Größe einhergeht und die SUV-typisch hohe und dadurch angenehm zu erreichende Sitzposition bieten natürlich weitere Angriffspunkte. “In Deutschland machen so große Karren doch überhaupt keinen Sinn. So ein Dickschiff einzuparken schafft doch keiner”, sind noch die harmlosesten Vorurteile von Personen, die sich entweder kein solches Dickschiff leisten können oder sich nicht einmal die Mühe machen, sich über dieses Einparkmonster genauer zu informieren. Denn wer auf der Brücke der MS Explorer die Befehlsgewalt innehat, lässt einfach ein- und auch wieder ausparken. Dass er durch die pure Masse und die nicht gerade parkhauskompatiblen Abmessungen mehr für die amerikanischen Straßen- und Parkplatzverhältnisse ausgelegt ist, geschenkt. Aber nicht jeder muss mit seinem Erstwagen zum Shoppen in die City schippern. Bei Überlandfahrten und langen Reisen wird sich aber niemand in ein anderes Fahrzeug wünschen. Und wer wirklich mal in die Stadt muss, für solche Fälle kommt in Deutschland in Kürze der Edge auf den Markt. Doch auch an seinem großen Stahlkleid werden noch genug Stammtisch-Thesen einschlagen. Warum? Diesen Fall können wahrscheinlich nicht einmal Mulder und Scully lösen.