Während Hyundai seine 2016 eingeführte Baureihe Ioniq im Sommer 2022 vom Markt nimmt, kündigt sich für die noch junge Elektro-Familie Ioniq mit dem 6 nun ein zweites Mitglied an. Jetzt haben die Koreaner Einblicke in Design und Innenraum des künftigen 800-Volt-Stromers bei einem dem Serienstand sehr nahen Prototypen gestattet. Wie schon den 2021 eingeführten 5 prägt auch das neue Ioniq-Modell ein Design, das Stile vergangener Epochen mit retro-futuristischen Elementen verbindet. Dabei schlägt der 6 optisch allerdings keine klar sichtbare Brücke zum Schwestermodell, sondern eine deutlich andere Richtung ein. Auch wenn die Technik gleich sein wird, handelt es sich bei Ioniq 5 und 6 um sehr unterschiedliche Typen.
Dass der 6 anders als der Ioniq 5 werden wird, hat Hyundai bereits 2020 mit der Studie Prophecy vorweggenommen. Das betont aerodynamisch geformte Limousinen-Konzept findet sich auch im Serienmodell wieder, allerdings in vielen Punkten etwas pragmatischer interpretiert. Dass das Seriendesign etwas nüchterner ausfallen würde, überrascht natürlich nicht. Doch der fast schon konsequente Verzicht auf Referenzen zum Ioniq 5 verblüfft dann doch. Der 6 ist eindeutig keine Limousinen-Version des Steilheck-5, sondern ein eigenständiges Statement. Hyundais Global-Designchef Sangyup Lee spricht dennoch von einer Ioniq-Familie, deren Mitglieder allerdings ähnlich wie die Figuren eines Schachspiels sehr unterschiedlich aussehen können. Auch wenn sich König, Dame, Springer oder Läufer deutlich voneinander unterscheiden - so die weitergehende Analogie mit dem Schachspiel - bilden sie ein dennoch starkes Team.
Pixelförmige Leuchtelemente sollen für prägnante Lichtsequenzen
Erst beim genauen Blick offenbaren sich dann doch ein paar Gemeinsamkeiten, durch die sich alle künftigen Mitglieder der Ioniq-Familie auszeichnen sollen. Dazu gehören ein großer Radstand bedingt durch die E-GM-Plattform mit entsprechend viel Platz für Passagiere, ein Interieur mit nachhaltigen Materialien und Cocoon-Effekt sowie parametrische Pixel, im Front- und Heckbereich.
Wie schon beim 5 sorgen die kleinen rechteckigen Leuchtelemente auch beim 6 für einen Wow-Effekt. Das Stummelheck prägt ein durchgehendes Leuchtenband, das sich aus zwei langen Reihen vieler kleiner Rechtecke zusammensetzt. Ein zusätzlicher Leuchtstreifen ziert die Abrisskante des Heckspoilers, während in der diffusorartigen Heckschürze noch senkrecht angeordnet Rück- und Nebelleuchten integriert sind. Das Thema kleiner leuchtender Rechtecke findet sich auch in den Frontscheinwerfern in Form einer Tagfahrlicht-Signatur wieder. Das Lichtdesign des Ioniq 6 ist nicht nur prägnant, mithilfe der vielen kleinen Lichtpunkte ergeben sich verschiedene Möglichkeiten animierter Lichtsequenzen.
Betont aerodynamische Außenhaut
Die Außenhaut ist betont aerodynamisch mit einer sich im weiten Bogen spannenden Dachlinie, die bis weit in den kurzen Heckbürzel reicht. Hinzu kommen die mit der Blechhaut bündigen Türgriffe sowie die kleinen Kamerahalter in den Vordertüren, die als windschnittiger Ersatz für Außenspiegel dienen. Wie schon beim Ioniq 5 werden die digitalen Außenspiegel gegen Aufpreis erhältlich sein.
Lohn der Mühen ist ein cW-Wert von niedrigen 0,21. Im Vergleich zum kantigen 5 mit 0,29 ist der 6 also deutlich im Vorteil. Nebenbei fällt auf, dass der 6 mit 1,50 Meter weniger flach als der Prophecy ist und außerdem die Türfenster nicht rahmenlos sind. Das sind typische Konzessionen an das Rotstift-Regime in der Großserienproduktion. Der Höhenzuwachs im Vergleich zum Prophecy ist der bei allen Ioniqs gleichen Batteriekonstruktion im Fahrzeugboden geschuldet. Sollen rahmenlose Türen auch auf der Autobahn wenig Windgeräusche machen, wird das laut Hyundai-Designer Simon Loasby für ein Volumenmodell wie dem Ioniq 6 unverhältnismäßig teuer.
Deutliche Ähnlichkeiten zum Antrieb des Ioniq 5
Mit 4,86 Meter ist der 6 über 20 Zentimeter länger als der 5, sein Radstand fällt mit 2,95 Meter hingegen 5 Zentimeter kürzer aus. Dennoch bleibt der Entfaltungsspielraum im Ioniq 6 vorne wie hinten großzügig. Trotz des zum Heck hin abfallenden Dachs bietet der Fond neben viel Bein- auch eine gute Kopffreiheit. Außerdem zeichnen den 6 ein durchgehend flacher Boden sowie in der optionalen Viersitzer-Version eine durchgehende Mittelkonsole aus. Das Interieur gefällt unter anderem mit teilweise aus recyceltem Kunststoff gefertigten Oberflächen, mit einem aufgeräumten Cockpit und einer durch Ambientelicht wohnlich-warmen Atmosphäre.
Und dann finden sich noch ein paar schicke Details wie transluzente Paneele, die an die erste Generation des iMac erinnern. Eine andere Besonderheit sind vier Leuchtelemente zentral im Lenkrad. Sie geben ein visuelles Feedback der Spracherkennung und informieren zudem über den Ladezustand. Dank einer Anzeige aus 6 Pixeln in der Fahrzeugfront können den Fortschritt beim Laden auch Außenstehende verfolgen. Und wie es sich für ein modernes E-Auto gehört, bietet das Cockpit neben den beiden optionalen Monitoren der kamerabasierten Außenspiegel noch zwei 12-Zoll-Displays auf dem Armaturenbrett. Der linke hinterm Lenkrad zeigt vornehmlich fahrrelevante Informationen, der rechts davon befindliche Touchscreen ist für so ziemlich alles andere verantwortlich.
Zur Technik des voraussichtlich zum Jahreswechsel startenden Ioniq 6 sagt Hyundai vorläufig wenig. Doch die E-GMP-Architektur mit 800-Volt-Technik setzt hier enge Grenzen bei Antrieb, Leistung und Batterie. In diesem Punkt wird der 6 eben doch stark dem Ioniq 5 ähneln. Gleiches dürfte auf den Preis zutreffen, der allerdings sogar etwas niedriger als bei einem vergleichbar motorisierten Ioniq 5 ausfallen könnte.