Mit der Fokussierung auf Elektrofahrzeuge aus dem Hause Volkswagen sind die Kernmodelle Polo, Golf und Tiguan mächtig ins Hintertreffen geraten. Dabei sind diese wichtiger denn je, denn sie verdienen neben dem großen Passat das Geld, damit man sich die neue ID-Familie überhaupt leisten konnte. Im Kern des breiten Modellangebotes steht seit einigen Jahren nicht mehr der Dauerbrenner Golf, sondern der Tiguan, der mit mehr als 910.000 verkauften Fahrzeugen 2019 wieder das erfolgreichste Modell der Wolfsburger war. Das dürfte sich in diesem Jahr kaum ändern, auch wenn Produktions- und Verkaufszahlen coronabedingt etwas niedriger ausfallen dürften.
Besonders stolz sind die VWler nicht nur auf die neue Front mit jetzt serienmäßigen LED-Augen, geänderten Rückleuchten und dem neuen Cockpit, sondern dass man nunmehr endlich auch bei den SUV einen Plug-in-Hybriden vorweisen kann. Im Innenraum gibt es nach der Modellpflege animierte Instrumente und ein neues Entertainmentsystem mit einer allzu kleinen (6,5 Zoll) oder einer deutlich besseren Bildschirmdiagonale (9,2 Zoll) der neuesten Generation mit Touchbedienung und neuen Komfortfunktionen. Ebenfalls nachgelegt wurde bei den Fahrerassistenzsystemen, wo der Tiguan nach der technischen Überarbeitung nunmehr auf Golf-8-Niveau unterwegs ist.
Nicht, dass die verwöhnten Diesel-Kunden im Tiguan einen Plug-in-Hybriden wirklich vermisst hätten, doch durch die üppigen Verkaufsprämien für Fahrzeuge mit Stecker kommt der ein oder andere Kunde nunmehr langsam doch auf den Hybriddreh, will bei der Anschaffung ebenfalls Geld sparen und ebenso elektrisch wie hoch subventioniert in die Arbeit oder zum Einkaufen surren. Dabei entspricht der Antrieb des VW Tiguan eHybrid weitgehend dem des VW Golf GTE. So wird der 4,51 Meter lange SUV, der der ehemaligen Kompaktklasse selbst als Kurzversion längst entwachsen ist, von einem 1,4 Liter großen Vierzylinderturbo mit 110 kW / 150 PS angetrieben, der von einem 85 kW / 115 PS starken Elektromotor unterstützt wird. Unter dem Strich stehen so 180 kW / 245 PS und ein maximales Drehmoment von 400 Nm zur Verfügung. Rein elektrisch hat der VW Tiguan eHybrid eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. Die genauen Fahrleistungen sind noch nicht verfügbar; jedoch anzunehmen, dass der VW Tiguan eHybrid rund 220 km/h schnell sein dürfte und aus dem Stand in rund sieben Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt. Der Normverbrauch dürfte bei 2,0 Litern liegen.
Wieso kein Allrad?
Problem: War es beim VW Golf GTE noch zu verkraften, dass dieser allein über die Vorderachse angetrieben wird, sieht das beim Tiguan eHybrid durchaus anders aus. Er startet rein elektrisch und rollt allemal munter vor sich hin. Bei stärkeren Leistungsabfragen springt dem Elektromotor - im sechsstufigen Doppelkupplungsgetriebe unsichtbar versteckt - der 1,4 Liter große Vierzylinder zur Seite. Rein elektrisch schafft der elektrifizierte VW Tiguan so rund 50 Kilometer, bis das Akkupaket mit seiner Kapazität von 13 kWh zuneige geht. Wer es sportlich angehen lassen will, drückt etwas versteckt rechts oberhalb vom Getriebewahlhebel den GTE-Taster und schärft so die dynamischen Sinne. Heißt, dann steht die maximale Leistung beide Antriebe zur Verfügung und wartet nur auf die Gaspedalwünsche des Piloten. Doch geht der in die Vollen, zerrt die üppige Motorleistung spürbar an der Vorderachse. Genau so, wie man es sich von einem souveränen Familien-SUV nicht wünscht. Die Konkurrenz macht das besser und bietet Modelle wie den Toyota RAV4 PHEB oder einen BMW X1 25e mit einer zumindest elektrischen Hinterachse an. Anders sieht es beim Mercedes GLA 250e aus, der ebenfalls nur als Fronttriebler verfügbar ist.
Wer lässig unterwegs ist, bringt den Tiguan PHEV nicht in Bedrängnis - zumindest nicht, bis die Fahrbahn nass ist oder das nächste Glatteis droht. Dann ist man besonders im Elektromodus fein unterwegs und auch die Abstimmung mit dem Verbrenner klappt gekonnter denn je. Wer im GTE-Modus munter aufs Gas steigt, spürt allerdings den überschaubaren Hubraum von 1,4 Litern und der Klang des Vierzylinders wirkt beim starken Beschleunigen oder hohen Tempi angestrengt. Die verschiedenen Fahrmodi kann man auf der Mittelkonsole sowie auf dem neuen Touchdisplay ansteuern. "Mit der zweiten Tiguan-Generation haben wir 2016 unsere globale SUV-Offensive eingeleitet. Aus ihr gingen weltweit viele erfolgreiche Modelle hervor", so VW-Marken-CEO Ralf Brandstätter, "jetzt geht Volkswagen den nächsten Schritt und elektrifiziert, digitalisiert und vernetzt den neuen Tiguan. Damit ist das Kompakt-SUV für die Herausforderungen unserer Zeit gerüstet."
Das wäre er noch besser, wenn die elektrische Reichweite etwas größer als die überschaubaren 50 Kilometer wäre und es einen Allradantrieb gäbe. Kein Wunder daher, wenn sich der ein oder andere Interessent künftig für den elektrischen VW ID.4 oder die Zwillingsmodelle Audi Q4 Etron / Skoda Enyaq entscheidet. Deren Leistungsspektrum ist vergleichbar und das Platzangebot noch größer. Auch preislich dürften die Modelle in ähnlichen Dimensionen unterwegs sein. Wenn der VW Tiguan eHybrid im kommenden Jahr seine Marktpremiere feiert, dürfte es bei rund 45.000 Euro losgehen. Dafür wird man auch schon in der Elektroliga fündig.