Der Continental-Vorstand hat die Verselbstständigung der Industrie-Sparte ContiTech beschlossen. In der Vorbereitung des Spin-offs würden mögliche Transaktionsformen geprüft und ein Zeitplan für die Umsetzung erarbeitet, teilte der Zulieferer aus Hannover mit. Favorisiert werde derzeit ein Verkauf, wahrscheinlich nach der geplanten Abspaltung der Automotive-Sparte und dem Verkauf des Geschäftsfelds Original Equipment Solutions (OESL). Ein Abschluss der Verselbstständigung wird frühestens im Jahr 2026 erwartet.
Mit diesen Schritten treibt Continental den radikalen Umbau der Konzernstrukturen weiter voran. Ziel sei es, die Bereiche Tires, Automotive und ContiTech als „eigenständige, schlagkräftige Unternehmen am Markt zu positionieren“, heißt es. ContiTech soll künftig als unabhängiger Anbieter von Materiallösungen mit starkem Fokus auf industrielle Anwendungen auftreten. Continental selbst wird sich wieder voll und ganz auf das globale Reifengeschäft konzentrieren. Die bisherigen Holding-Funktionen sollen ebenfalls in den Bereich Tires überführt werden.
„Wir schaffen drei starke, unabhängige Champions, die ihr volles Wachstums- und Wertschaffungspotenzial als selbstständige Unternehmen entfalten werden“, so Vorstandschef Nikolai Setzer. Die Märkte verlangten heute entschlossenes Handeln, jetzt sei der richtige Zeitpunkt für diese tiefgreifende Transformation. Setzer kündigte an, die Neuausrichtung in seiner Rolle als CEO bis zum Abschluss aktiv zu begleiten.
Conti schrumpft zum Reifenhersteller
Bei Conti verbleibt nun nur noch das angestammte Reifengeschäft. Der Zulieferer werde damit wieder ein „fokussiertes globales Reifenunternehmen“, hieß es in der Mitteilung. Für den Konzern bedeutet das eine massive Schrumpfkur: Auf das verbleibende Reifengeschäft entfiel 2024 nur ein Drittel des Konzernumsatzes und 57.000 der insgesamt rund 190.000 Mitarbeiter. Reifenchef Christian Kötz sieht in einer Pressekonferenz am Dienstag Chancen, dass Contis Reifengeschäft auch ohne Zukäufe vom viert- zum drittgrößten Reifenanbieter weltweit aufsteigen könne. Er will sich aber auch nach sinnvollen Zukäufen umsehen.
Continental hatte bisher bereits geplant, diejenigen Teile von Contitech, die an die Autoindustrie liefern, zu verkaufen. Daran will der Konzern festhalten und danach auch das verbleibende Industriegeschäft abgeben. Hierzu will der Konzern Finanzchef Olaf Schick zufolge sowohl mit strategischen Partnern sprechen als auch mit Finanzinvestoren. Contitech beschäftigt den Angaben zufolge rund 39.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2024 einen Umsatz in Höhe von rund 6,4 Milliarden Euro. Damit entfiel knapp ein Sechstel des Konzernumsatzes und jeder fünfte Beschäftigte auf die Sparte. Die Sparte liefert unter anderem Schläuche, Antriebsriemen und Förderbänder für die Industrie.
Conti hatte 1871 zunächst mit Pferdeschuhen und Reifen und begonnen, damals noch für Kutschen und Fahrräder. Später kamen Autoreifen hinzu. Durch mehrere Übernahmen wie 2007 die von VDO wuchs Conti schließlich zum drittgrößten Autozulieferer der Welt. 2021 hatte Conti bereits die Antriebssparte Vitesco abgespalten.
Gewerkschaften kritisieren Pläne
Die Gewerkschaften IG Metall und IG Bergbau, Chemie, Energie (BCE) üben scharfe Kritik an den Plänen. „Die Trennung von Contitech in diesen Zeiten weltwirtschaftlicher Unsicherheit ist sozial unverantwortlich, ökonomisch waghalsig und technologisch unsinnig“, kritisiert Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden IGBCE-Hauptvorstands.
Grioli forderte eine langfristige Beschäftigungs- und Standortsicherung sowie eine Investitionsoffensive für Contitech. Der bisher vereinbarte Kündigungsverzicht bis Ende 2026 reiche nicht aus. „Ohne eine deutliche Ausweitung dieser Garantien und eine verlässliche Beschäftigungssicherung werden wir dieser Abspaltung nicht zustimmen.“ Auch IG-Metall-Chefin Christiane Benner forderte für die Mitarbeiter „belastbare Zusagen für ihre Arbeitsplätze“.

Vorstandswechsel im Bereich Personal
Im Zuge der Neuaufstellung kommt es auch zu Veränderungen im Continental-Vorstand: Personalchefin Ariane Reinhart scheidet zum 30. Juni aus dem Entscheidergremium aus. Ihre Nachfolgerin wird Ulrike Hintze, die ab 1. Juli 2025 als Arbeitsdirektorin und Vorständin für HR berufen wird. Zusätzlich behält sie ihre Funktion als Personalverantwortliche im Geschäftsbereich Reifen. Die Themen Nachhaltigkeit, IT und Kommunikation übernimmt künftig CEO Nikolai Setzer.
Mitte März hatte der Tier-1-Zulieferer bereits einen Fahrplan für die Abspaltung der seit Jahren schwächelnden Automotive-Sparte vorgelegt. Im September 2025 soll die Einheit als Spin-off an die Börse gehen. In dem nach Umsatz größten Konzernteil hat Conti den Sparkurs zuletzt noch einmal verschärft. Mehr als 10.000 Stellen fallen weg, jeweils rund zur Hälfte in der Verwaltung und in Forschung und Entwicklung.
Mit Material der dpa.