Mini, vielleicht die coolste aller aktuellen Automarken, hat in den vergangenen Jahren so manche Irrung und Wirrung hinter sich. Mal sollte das Portfolio auf bis zu zehn Fahrzeuge ausgeweitet werden, mal bastelte man an trendigen Lofts in New York herum und träumte von 500.000 oder mehr verkauften Fahrzeugen pro Jahr. Die Realität sah zumeist etwas anders aus und von den Träumen, den britischen BMW-Ableger kurzfristig nach Smart-Vorbild zu einer kompletten Elektromarke zu machen, ist ebenfalls nicht allzu viel geblieben. Mit Ex-BMW-Mann Bernd Körber an der Spitze der einstigen Kleinstmarke ist bei Mini ein neuer Realismus eingekehrt. Mini segelt unter dem weiß-blauen Rotorblatt zukünftig nicht mehr allein, sondern unter tatkräftiger Unterstützung des chinesischen Autobauers Great Wall Motor. Anders als bei Smart, deren Spitze sich mittlerweile hälftig aus Daimler- und Geely-Verantwortlichen zusammensetzt, hat bei Spotlight, so der Name der Kooperationsgemeinschaft von Mini und Great Wall, allein Mini und BMW den Hut auf. "Great Wall fungiert als Entwicklungs- und Produktionspartner", stellt Mini-CEO Bernd Körber klar, "und es wird auch weiterhin eine Fertigung am Stammsitz in Oxford geben." Neben der Fertigung an dem britischen Standort sollen jedoch zunächst zwei Modelle in China gefertigt und nach Vorbild des BMW iX3 von dort aus in die ganze Welt exportiert werden.
"Wir haben uns in den vergangenen neun Monaten viele Gedanken um die Ausrichtung der Marke und das Produktportfolio gemacht", erläutert Körber weiter, "im Kern bleibt unser Mini Hatch und dann wird es darüber zwei Crossover geben. Der erste wird die Größe des Countryman der ersten Generation haben und darüber wird es ein zweites Modell geben, das sich bei seinen Abmessungen an Modellen wie dem BMW X1 orientiert." Heißt, neben dem knackig-kernigen Mini, den es unverändert als One, Cooper, Cooper S und auch John Cooper Works geben dürfte, können sich die Kunden über zwei SUV freuen, von denen der kleinere rund 4,10 Meter und der größere 4,50 Meter lang ist. Während Mini und der große Countryman als Verbrenner und Elektromodell angeboten werden, bleibt der kleine Countryman allein ein Elektromodell. Eine Absage bedeutet dies erst einmal für den seit rund 20 Jahren im Gespräch befindlichen Mikro-Mini, der mit der Studie des Rocketman viel Aufmerksamkeit bekam, sowie weitere Mini-Derivate, die keine großen Volumina versprechen. Deutlich verschlanken soll sich auch die Ausstattungsstruktur. Wie jüngst mit dem elektrischen Mini eingeführt, gibt es nicht mehr maximale Individualisierung bei geringen Volumina und mäßigen Deckungsbeiträgen, sondern einzelne Pakete und die so beliebten Sondermodelle.
Bis die neue Mini-Generation auf den Markt kommt, heißt es erst einmal jedoch warten, denn vor Ende 2023 wird es keinen Mini dieser neuen Ära geben. Für die stimmungsvolle Übergangsmusik bis dorthin soll im kommenden Jahr eine dezente Modellpflege für Mini, Mini Cabrio, Clubman und Countryman sorgen. Besonders hoch im Kurs ist aktuell der elektrische Mini Cooper SE, der mit dem Antriebspaket des BMW i3 fast ein Jahr ausgebucht ist. Wenn die neue Mini-Generation kommt, wird es auch vorbei sein mit dem Produktionsstandort im niederländischen Born. Die neuen Modelle werden in Oxford sowie am neuen Spotlight-Standort in China gefertigt. Aus China sollen die Elektroversionen kommen, aus England die Verbrenner. "Mini wird elektrisch", so Bernd Körber, "doch bis zum Ende des Jahrzehnts wird es in jedem Fall auch Modelle mit Verbrenner geben, weil Kunden und Regionen dies erfordern."
Zielgröße 500.000 Fahrzeuge?
BMW beziehungsweise Mini und Great Wall entwickeln gerade gemeinsam eine neue Elektroplattform, die die zukünftigen Mini-Modelle, in China jedoch auch Modelle von Great Wall Motors, nutzen sollen. Gerade für China hat sich Mini viel vorgenommen, denn aktuell wird gerade einmal jeder zehnte Mini im Land unbegrenzten automobilen Möglichkeiten verkauft. Das soll sich ab 2023 ändern, wenn eben auch lokal gefertigt wird und man so nicht mehr als Importmarke auftreten muss. Ins Hintertreffen geraten dabei die USA, denn hier will man vorrangig in Großräumen zur exklusiven Spartenmarke mit Lifestylecharme werden. Klar ist jedoch, dass Konzernmutter BMW klare Vorgaben hat, wenn es um Stückzahlen geht. Und wenn China anspringt, erscheint die ehemals insgeheim bereits ausgerufene Zielgröße nicht unrealistisch.
Mittelfristig wird es jedoch kaum bei den drei neuen Mini-Modellen bleiben. Eine offene Version des Hatch erscheint durch die anhaltend hohen Verkaufsanteile ebenso gesetzt wie mindestens ein weiteres Modell. Dies könnte - wie ebenfalls seit mehr als zehn Jahren in Planung - ein Van oder kleiner Bus sein, der die urbane Mobilität unter dem Mini-Logo auf eine neue Ebene bringt. "Es gehört zu unserer Verantwortung gegenüber der Marke und der Community, den einzigartigen Charakter von Mini zu bewahren", sagt Körber, "daher wird auch in Zukunft jedes neue Modell unserer Marke unverkennbar ein Mini sein." Dann darf man ja einmal gespannt sein. Ein bisschen mehr Unterstützung der Konzernmutter BMW wäre ebenfalls hilfreich. Bisher hat sich kein BMW-CEO während seiner Amtszeit in oder nur neben einem Mini gezeigt. Norbert Reithofer, Oliver Zipse oder auch Harald Krüger präsentierten sich in der Vergangenheit ausschließlich an BMW-Produkten. Das hätte es bei Daimler, PSA oder Volkswagen nicht gegeben.