Automobilzulieferer im Fokus

Dr. Schneider: Mehrwert mit Kunststoff

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Dr. Schneider, Ausströmer, Passat
Die Gruppe liefert unter anderem den Ausströmer für den Passat.

In fast jedem Auto steckt ein wenig Dr. Schneider Unternehmensgruppe drin. Und das soll auch so bleiben, denn Zukunft hat beim oberfränkischen Familienunternehmen schon immer Tradition.

Die Kronacher Dr. Schneider Unternehmensgruppe hat skurrile Wurzeln. 1927 startete Gründer Franz Schneider mit 17 Mitarbeitern eine Zigarrenfabrikation. Als der Werkstoff "Bakelit" (Duroplast) Einzug in die Fertigung hielt, brannte Franz Schneider Senior sofort für das neue Material und erweiterte 1936 sein Geschäft um das Thema Kunststofffertigung.

Heute ist die "Rauch-Ware" Geschichte und der Mittelständler konzentriert sich auf die Entwicklung und Herstellung von Kunststoffteilen und -baugruppen für Automobile. Doch dem Standort blieb das Unternehmen treu – allerdings mit internationaler Ausrichtung: "Prinzipiell sehen wir uns selbstverständlich dort um, wo auch unsere Kunden die Märkte von morgen identifiziert haben. In unserer Einschätzung sind insbesondere Mexiko und die ASEAN-Staaten die kommenden Absatzgebiete. In der Triade ist der Markt für Pkw nahezu gesättigt, hier wird sich das Wachstum auf die Premiumfahrzeuge beschränken, die außerdem noch in China stark nachgefragt bleiben werden", erklärt Günter Murmann, Vorsitzender der Geschäftsführung, die globale Strategie von heute und morgen. "Das größte Wachstum im Bereich der Compact- und Low-cost-Cars wird aber in diesen neuen Emerging Markets sein."

Zukunft fest im Blick

Doch auch exklusive Marken ordern. In Genf stellte man mit Rinspeed das Concept Car Budii auf die Räder. Das Projekt ist ein Hinweis, dass man die Zukunft im Blick hat. So auch beim aktuell gespielten Thema pilotiertes Fahren. Auf die Frage, ob eine mögliche Serienreife Auswirkungen auf den Innenraum hat, ergänzt Parag Shah, Leiter Vertrieb, Marketing und Forschung/Entwicklung bei Dr. Schneider: "Davon sind wir absolut überzeugt und haben daher auch im Rinspeed-Auto Budii erste Visionen davon vorgestellt. Aus unserer Sicht ist das autonome Fahren die zweite große Herausforderung der Automobilbranche. Wenn der Fahrer sich nicht mehr ausschließlich auf den Verkehr konzentrieren muss, hat er Zeit, mit allen Sinnen seine Umgebung wahrzunehmen und zu nutzen. Wir sprechen in diesen Zusammenhang von der ‚Mobilität der Sinne‘. Ein Beispiel: Einen Stau oder das Fahren auf einer Landstraße müssen die Insassen als Entspannung oder als ideales Arbeitsumfeld wahrnehmen. Hier stecken im Bereich Innenraum, Klimatisierung und Features für die Insassen noch viele Potenziale. Gerade für uns."

Solche Visionen zeigen, dass es auch weiterhin gut für Dr. Schneider läuft. Das könnte auch an der Leichtigkeit des Kunststoffs liegen. "Was unter dem Begriff ‚Leichtbau‘ kommuniziert wird, bedeutet ja, dass Metallwerkstoffe durch sehr leichte, aber hochfeste Kunststoffe oder durch Kunststoff-Metall-Verbindungen ersetzt werden. Und damit sind wir mitten in unserer Kernkompetenz, dem innovativen Umgang mit Kunststoffen. Der Leichtbau, den wir bei der Entwicklung von neuen Komponenten für die nächsten Fahrzeuggenerationen mit unseren Kunden umsetzen, ist daher eine sehr große Chance für uns", so Murmann.

Um dem selbst gesetzten Anspruch gerecht zu werden, leistet sich das Unternehmen gründliches Trendscouting. "Wir investieren über dem Branchendurchschnitt in die Forschung und Entwicklung von Produkten und Prozessen. Kombiniert mit mittelständischen Strukturen und darin üblichen schnellen Entscheidungen, ergibt sich bei einer großen Flexibilität eine hohe Innovationskraft. Fertigungstechnisch bieten wir unseren Kunden eine enorme Wertschöpfungstiefe und eine sehr gute Qualitätsperformance."

Dank der Kombination ist auch die Zukunftsrichtung klar. Es wird eine einfache Bedienbarkeit durch Touchscreen-Oberflächen geben, die gleichzeitig eine Designfunktion übernehmen werden. Rein mechanische Funktionen werden im Premium-Bereich verschwinden. Es werden vorkonfigurierte Einstellungen definiert und die Komponenten elektrisch so eingestellt, dass in Verbindung mit der Umwelt automatisch das beste Ergebnis für die Insassen erzielt wird. Beispiele dafür sind die Klimatisierung oder die Beduftung.

Neben Trendscouting betreibt man auch Talentscouting. "Die Dr. Schneider Unternehmensgruppe setzt traditionell auf die eigene Aus- und Weiterbildung und fährt bisher damit sehr gut. Das bietet viele Vorteile: Wir haben eine starke Mitarbeiterbindung, sichern unser Know-how und durch die stetige Entwicklung des Personals schaffen wir es, ein ‚Wir-bei-Dr. Schneider-Gefühl‘ zu wecken. Wir haben schon 2004 vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Arbeitnehmer-Marktes unsere Personalentwicklung neu ausgerichtet und moderne und zukunftsorientierte Tools eingeführt. Und: Wir punkten als Global Player. Wir bieten dem Nachwuchs interessante internationale Perspektiven, die im Prinzip jedem Mitarbeiter offen stehen", erklärt Murmann die Erfolgsformel.

Tabelle, Dr. Schneider
VDA, Bernd Gottschalk
Beurteilt exklusiv für AUTOMOBIL PRODUKTION die Lage führender Zulieferer: Professor Dr. Bernd Gottschalk, Geschäftsführer AutoValue und ehemals VDA-Präsident.

Kunststoffprodukte im Automobil sind wahrlich kein leichtes Geschäft. Hochwertige Teile zu fertigen ist noch schwieriger. Innovation und integrierte Innenraumteile qualitativ hochwertig und dann auch noch profitabel herzustellen, das grenzt da schon an "Meisterschaft". Es ist bekannt, wie viel Know-how (und eben manchmal auch Nacharbeit) selbst der gefragteste Zulieferer bei Teilen hat, die wie bei kaum einem anderen Produkt im Innenraum so visibel und so nah am Kunden sind. Sie sind so etwas wie ein "Transformator der Ästhetik" des Designers.

Die Dr. Schneider Unternehmensgruppe hat den Weg in die "Premier League" der Premium-Hersteller geschafft. Wie? Da gibt es mehrere Trümpfe, die gestochen haben. Zum einen der Anspruch an sich selbst: "Wir machen das Auto zum besten Ort der Welt." Das kann man nicht ohne kompromissloses "Commitment to Quality" und erstklassige Veredelungstechnik schaffen. Hinzu kommt, dass dies inzwischen auch im globalen Produktionsumfeld mit gleichen Prozess-Standards umgesetzt wird. Auch das will gekonnt sein und gemanagt werden. Drittens hat Dr. Schneider es geschafft, wonach viele Zulieferer trachten und es doch oft nicht schaffen, nämlich als strategischer Partner frühzeitig in die Entwicklungsprozesse eingeschaltet zu werden. Das verpflichtet!

Überraschend wird für viele, die gewohnt sind in weltweiten Maßstäben zu denken und zu handeln, unsere Überzeugung sein, dass die Exzellenz auch etwas mit Heimat zu tun hat. Oberfranken; Kronach-Neuses wird ständig ausgebaut. Argument: Die guten Fachkräfte der Region. Die Zusammenarbeit mit Hochschulen kommt hinzu. Ja, es gibt noch ein Argument: Familienunternehmen seit 1927. Als Erfolgskriterium allein reicht das nicht, wie andere Beispiele zeigen, aber mit dem "Willen zur Leistung" in bald 90 Jahren hat man die beste Voraussetzung.